Warum die Grünen es einfacher haben als die Roten

Die Grünen wurden erst Anfang der 80er Jahren gegründet. Da war die große Zeit des Klassenkampfs zwischen Arbeit und Kapital schon zu Ende. Es begann die Neuaufteilung des Bruttoinlandsprodukts zwischen dem allmächtigen Staat und seinen Untertanen. Die Zahl der Beschäftigten im produzierenden  Gewerbe, in der  Landwirtschaft und im Handel war im Rückwärtsgang und dieser Rückgang hält bis heute an. Die Abgabenquote hat sich dagegen stark erhöht und die Nettolöhne sind gesunken. Eine Zunahme von Beschäftigten gab es nur im öffentlichen Dienst und bei den Dienstleistern, die für die öffentliche Hand arbeiteten.

Die Grünen sind inzwischen eine Partei des Staats und seiner Trabanten (Trabanten sind kleine Himmelskörper, die das zentrale Hauptgestirn umkreisen). Bezeichnenderweise ist der Chef von verdi kein Roter, sondern ein Grüner. Den Hauptanteil der grünen Anhänger machen Freiberufler, Biolandwirte, Beamte und Empfänger von Fördergeldern und Stromvergütungen aus. Da ist es einfach einen Wahlkampf zu machen, der konsistent ist und keine Anhängerinteressen verletzt. Man muß nur höhere Steuern und mehr Fördergelder versprechen, und alles ist in sich schlüssig. Geschädigt werden nur die Anderen, die sowieso nicht grün wählen.

Die Linken haben es derzeit schwer. Sie sind zwar auch nur im Bereich der Empfänger von Staatskohle unterwegs, haben sich aber auf ein schwieriges Klientel spezialisiert: Hartzer, Empfänger von Sonderrentensystemen und die Sozialindustrie. Letztere muß sie sich mit Grünen und SPD teilen.  Und für Hartzer und Rentner wird es immer schwieriger etwas rauszuholen. Die grünen Medien erwärmen sich für Themen wie Klimawandel, Kultur, Nahrungsverbote  oder Gender deutlich stärker, als für die Bedürfnisse der Hartzer. Im Grunde verachten die Mainstream-Medien den kleinen Mann, der oft Raucher ist, der lieber Bier statt Kannabis konsumiert, der politisch nicht korrekt ist und dem CO2 Wurscht ist. Vielleicht hört er gar noch Volksmusik! Der Hartzer hat in den letzten Jahren viel Medienpräsenz, Medienmitleid und damit Marktanteile bei den staatlichen Zuweisungen verloren.

Die SPD verkauft ihre politische Ware auf dem politischen Markt an zwei verschiedenen Ständen: einer für die Schaffenden und einer für Beamte. Den in der Privatwirtschaft Tätigen will sie über den Mindestlohn höhere Bruttolöhne anbieten und den Staatsbediensteten höhere Steuereinnahmen. Wenn man Diener zweier Herren ist, ist das ein Problem. Die Nettolöhne sind in den letzten beiden Jahrzehnten nicht  wegen sinkenden Bruttolöhnen gesunken, sondern wegen stark wachsenden Verbrauchssteuern und wegen Inflation. Für die Verbrauchssteuern waren Genosse Eichel und Genosse Steinbrück im Finanzministerium  verantwortlich, für die Inflation Genosse Assmussen in der Notenbank. Der kommunale Müllfahrer und der Paketfahrer bei einer Privatfirma werden von der Politik nicht gleichermaßen zufriedenstellend bedient. Ihre Nettolöhne laufen immer weiter auseinander, weil das von der Politik so gewollt wird. Gerhard Schröder war der letzte, der es im 1998er Wahlkampf verstand, den Eindruck zu erwecken, er stände für alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Er erreichte 41 % der Wähler. Bei seinen Nachfolgern haben die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes ihre Illusionen weitgehend verloren.

Wo liegen die Perspektiven? Die Leistungsempfänger wie Staatsangestellte, Hartzer, Rentner, Freiberufler und Stromproduzenten stellen etwa 70 % der Wähler. Um dieses Klientel balgen sich sechs Parteien, die schon im Bundestag sind.  Und die Piraten stoßen noch dazu. Für die restlichen 30 % der Wähler interessiert sich keine politische Gruppierung wirklich. Für eine neue oder auch für manche Altpartei ist das eine Riesenchance Wähler zu gewinnen. Eine Regierungsbeteiligung wäre allerdings fraglich. Mit 30 % Wählerstimmen der Nettosteuerzahler drückt man die harten Oppositionsbänke. Und dazu hat keine Altpartei Lust.