Fack ju Göhte –einfache Lösungen, die nicht umsetzbar sind

Vor 70 Jahren hat Heinz Rühmann als Pfeiffer mit drei F die Schule als gefakter Schüler besucht und ordentlich durcheinandergerüttelt. Der Film „Die Feuerzangenbowle“ war so erfolgreich, daß er bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts gezeigt wurde. Das Konzept des schulischen Seiteneinsteigers wurde nun in „Fack ju Göhte“ wieder aufgenommen, allerdings mit einem eingeschmuggelten Lehrer.

Ich hatte gedacht, daß im Kinosaal Schüler sind, die mal sehen wollen, wie ein kompetenter Erzieher Ordnung schafft. Fehlanzeige.  Es waren zwanzig Personen im Kino, und zwar zu 90 % Frauen und zu 80 % aus dem Bildungswesen.  Die wollten sehen, wie ein präsenter Kollege Ordnung schafft.

Bewegung (körperlich und geistig), Disziplin und Zuneigung sind die Schlüssel zur Erziehung, und zwar in dieser Reihenfolge.  Der Aushilfslehrer Müller (Elyas M´Barek) fing allerdings mit einer Pump Gun und Disziplin an. Auf Bewegung (körperlich und geistig) verzichtete er, außer wenn er mal einen Schüler vermöbelte. Zuneigung gab es auch nicht gleich.

Die Lehrerinnen im Kinosaal kamen auf ihre Kosten.  M´Barek darf alles und macht alles, was sie nicht dürfen. Daraus erwächst der Reiz des Films. Dieser Reiz wird allerdings oft geschmälert, weil platte  Klischees bedient werden. Statt in ein Kunstmuseum macht der prollige Lehrer eine Klassenfahrt nach Neukölln, um einen Rauschgiftsüchtigen beim trockenen Entzug und eine Hartz IV-Familie zu besuchen. Zur Abschreckung der Schüler.

Also so einen trockenen Entzug, um den zu sehen, da muß man nach Nowosibirsk fahren und nicht nach Berlin.  Und der fette Hartzer liegt als Sofakartoffel rum und glotzt ins TV. Sein Sohn schläft unter einem Hitlerbild seinen Rausch aus. Die Hartzer, die ich kenne sind alle schlank und arbeiten den ganzen Tag. Die Nationalsozialisten, die ich gekannt habe, stammten alle aus dem Bildungsbürgertum. Wenn der NSU-Prozess einen Sinn hat, dann den, das zu illustrieren. Der einzige Nazi, mit dem ich wöchentlich angeeckt bin, war mein Musiklehrer. Der trug immer Anzug und Krawatte und hatte – welch Zufall – eine Goethefrisur.  Er sah etwa  so aus, wie Herr Gundlach im Film. Der Grund für die Episode in Berlin mit ihren weitverbreiteten aber nicht stimmigen Stereotypen ist offensichtlich ein Fördergeld des Medienboards Berlin-Brandenburg von 650.000 €, das der Produzent auch noch mitgenommen hat. Für Förderknete ist ein lächerlicher Nazi im Drehbuch wie eine sichere Bank.

Alle Bildungsoffensiven der Vergangenheit sind in den Sümpfen der Pubertät und den Wüsten der Schulbürokratie steckengeblieben. Lehrerdarsteller M´Barek hilft sich wie alle Lehrer, die steckengeblieben sind mit Schultheater und Graffiti.  Im Film klappt das, im Leben leider nicht. Mein Sohn hat im Schultheater Hamlet verkörpert. Das war auch ganz lustig, aber die Disziplin in der Klasse und die schulischen Leistungen blieben schlecht.  Auch Graffiti hat da nicht geholfen. Ich will nicht gegen das Schultheater polemisieren. Es ergänzt ein gutes Schulkonzept, aber es ersetzt es nicht.

Uschi Glas verkörpert das Lehrer-Auslaufmodell mit Doppelnamen, Töpferkurs, schwach ausgeprägter Robustheit und Frühpensionierung. So wie die ewiggestrigen Pauker in der Feuerzangenbowle für die Erheiterung der Zuschauer herhalten mußten.

Die Lehrerinnen im Saal waren mit dem Film sehr zufrieden, weil er einfache Lösungen anbietet, die in der Praxis nicht umzusetzen sind. Außerdem verliebt sich der Frauenschwarm M´Barek in die nicht besonders gut aussehende Lehrerkollegin Karoline Herfurth. In ihr kann sich Frau selber verkörpert sehen, ohne aussehenstechnisch Bäume auszureißen.

Der Film wäre ohne Fördergeld noch besser geworden, weil es beim Drehbuch weniger Zwänge gegeben hätte.  Der Autor und Produzent Bora Dagtekin hat die verbliebenen inhaltlichen Möglichkeiten sowie fünf Fördertöpfe ausgeschöpft.  Das nenne ich Pragmatismus. Insgesamt wurden 3,3 Mio € Steuergeld ergattert.  Der Film hat bei wesentlich niedrigeren Produktionskosten 71,4 Mio, $ eingespielt, so daß Steuermittel eigentlich nicht nötig waren.

Die Kinofirma Cinestar hat für die im Kino anwesenden Lehrerinnen noch einen Wesens- oder Charaktertest veranstaltet. Vor dem Film wurden 5 Minuten lang alle Eissorten von Schöller, Langnese, Nestle und Co. an die Leinwand projiziert. Im Mund begann das Wasser zusammenzulaufen. Eine Eisverkäuferin kam hereingelaufen (im folgenden Film wäre sie bestenfalls als Schlampe tituliert worden) und bot ihre Ware feil. Meine Freundin sah meine Not und sagte „Na dann kauf Dir doch eins!“ Also ich bin hart geblieben. Aber etliche figurmäßig ausgereizte junge Pädagoginnen haben zugelangt. Selbstbeherrschung ist was anderes…