Erinnerungen an die Russentechnik

Viele Journalisten und Politiker schauen gebannt auf die Ostukraine. Sie erwarten eine russische Invasion oder einen langen Bürgerkrieg. Egal wie, es wird sich zeigen ob die Russentechnik Fortschritte gemacht hat.

Vor 25 Jahren war die Sowjetarmee technisch am Ende. Alle Kriege mit russischen Waffen waren in den 80ern verloren worden. Die Armeeführung drängelte die Partei den Eisernen Vorhang zu öffnen, um an westliches know how zu kommen. Das war 1989 längst überfällig.

Immer wenn der erste Schnee fiel wurde in den 80er Jahren das im Volksmund „Manöver Schneeflocke“ genannte Ausrücken aus den Kasernen praktiziert. Mit Mann und Maus wurde ein Zielgebiet angesteuert. In Weimar ging es jährlich von den Kasernen in der Jenaer Straße und der Leibnitz-Allee in Richtung Kötsch. Das ist der höchste Berg in der Gegend, etwa 20 km Marschstrecke.

Die Hälfte der Technik blieb schon auf den ersten Kilometern liegen. Ein weiteres Viertel schaffte den Anstieg zum Berg nicht. Auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit fädelte man sich selbst noch am nächsten Morgen zwischen Lkw´s, Schützenpanzerwagen und Jeeps durch, die links und rechts in die Straßengräben gerutscht waren.

Es war ein Mix aus Ersatzteilmangel, schlechter Wartung, fragwürdiger Konstruktion und schlechter Bedienbarkeit, der zur Unbrauchbarkeit der Fahrzeuge führte. Der Autor dieser Zeilen hat selbst auf verschiedenen russischen Fahrzeugen Fahrschule gemacht. Unter anderem auch auf den Planierraupen T 100 und S 100, die ein Panzerfahrwerk aus dem zweiten Weltkrieg hatten. Alleine diese Monstren in Gang zu bringen war spannend. Sie hatten einen Benzinmotor, der nur vom Kettenfahrwerk aus bedient werden konnte. Einer mußte im Führerhaus die Bremse treten, einer auf das lehmige Kettenfahrwerk steigen. Wenn man den Benzinmotor anbekommen hatte mußte man ein Ritzel einlegen, mit dem der Dieselmotor in Gang gebracht wurde. Wenn der lief, konnte man wieder in die Kabine. Man hatte beim Anlassen schon mal 10 bis 12 Liter Benzin verbraucht. Der Motor schluckte schlimmer als ein Elefant. In der Kabine fingen die Probleme erst an. Der Sitz war für Leute konzipiert worden, die 2 Meter groß sind. Man saß immer auf Kante und mußte Arme und Beine weit ausstrecken, um Hebel und Pedale mit Fuß- und Fingerspitzen zu erreichen. Auch beim Lkw H3A war das so. Man saß immer wie der Affe auf dem Schleifstein. Das hatte Folgen. Es gab viele Unfälle. Der sechsjährige Sohn einer Weimarer Pionierleiterin wurde von einem Russen-Lkw vor dem Kasernentor überfahren. Der Fahrer hatte meiner Meinung nach keine Chance das zu verhindern. Er konnte aus seiner Zwangsposition nichts sehen und die Betätigungselemente nicht richtig bedienen. Er ist sicher im Folterkeller unter der Kommandantur gelandet.

Jahre später mußte ich die Pkw-Fahrschule auf einem Moskwitsch machen. In diesem Fahrzeug war der Sitz zwar gut erreichbar, trotzdem war es nicht möglich Gas und Bremswirkung zu dosieren. Beim Bremsen machte man immer einen leichten Diener, beim Anfahren wurde man in den Sitz gedrückt.  Beim Umstieg auf den Trabant hatte ich das Gefühl im Mercedes zu sitzen. Es war von der Technik her ein gewaltiger Unterschied. Einmal verfolgte mich die Staatssicherheit von Tannroda bis zum Reisberg mit einem Moskwitsch. Ich hatte einen Trabant. Als ich den Reisberg erreichte ließ es der liebe Gott schneien und der Moskwitsch blieb am Berg hängen. Der Trabant ließ sich wesentlich besser bedienen und schaffte den Anstieg. Ich hatte zwar einen feuchten Rücken, aber als ich in den Rückspiegel blickte mußte ich gemein grinsen.

Mein Nachbar Erhard hatte einen Moskwitsch und ich hatte mehrere 200-Liter-Fässer Russenkraftstoff in der Scheune. Das Zeug mußte raus wegen der Brandgefahr. Bei einem Blitzschlag wäre der ganze Ort in die Luft geflogen. Ich pumpte für Erhards Moskwitsch einen Kanister ab und gab ihm den Kraftstoff kostenlos. Erhard klagte über einen klingelnden Motor. Eine Woche später nahm er sich das Leben. Hoffentlich nicht wegen dem minderwertigen Kraftstoff.

Sicher hat sich in den letzten 25 Jahren in Rußland manches gebessert. Bei der Steuerung und Regelung hat man in Moskau wieder Anschluß an die Zivilisation bekommen. Auch die IT-Spezialisten sind gut, was man an kompetenten Hackerangriffen erkennen kann. Dadurch war auch eine Modernisierung der Kriegsmaschinerie machbar. Der Zweite Krieg gegen Tschetschenien wurde gewonnen, wenn auch etwas mühsam. Die Beseitigung des Stacheldrahts vor 25 Jahren hat sich für die russischen Militärs also gelohnt. Neue Technik war schnell beschafft. Was bleibt ist die Mentalität der Führung und der Muschkoten. Sie macht eine bewegliche Kriegführung eher schwierig.