Vor 25 Jahren – Der Süden rief Gorbi

Heute vor 25 Jahren wurde der 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik mit einem Fackelzug der Freien Deutschen Jugend vorgefeiert. Fackeln waren ein Symbol der Aufklärung und wurden seit 1900 von der Jugendbewegung exzessiv verwendet.  Zum Beispiel wurde die Machtergreifung mit einem großen Fackelzug gefeiert, aber auch die SED und ihre Nationale Front liebten das gespenstische Licht der Fackeln. Ich erinnere mich, als Jugendlicher fast jedes Jahr im Herbst mit der Fackel auf dem Weimarer Theaterplatz gestanden zu haben. Aus welchem Anlaß weiß ich nicht mehr, es kann jeweils der Republiksgeburtstag gewesen sein. Warum gerade die Finsterlinge die Nacht erleuchten wollten ? – Eine gute Frage.

In Ostberlin war eine Tribüne errichtet worden, auf der die Partei- und Staatsführung und die ausländischen Gäste Aufstellung genommen hatten. Der prominenteste Gast: Gorbatschow und seine Frau Raissa. Vor der Tribüne stand ein Block von als FDJler verkleideten Offizieren des Wachregiments. Es war ein kühler Herbstabend und der liebe Gott meinte es gut mit der Partei: Er verzichtete auf die Aussendung von Regengüssen und Sturmböen. Er sendete nur soviel Wind, daß die Fackeln etwas flackerten und die Jugendlichen in den blauen Hemden nicht blau froren.

Die FDJ war in 15 Marschblöcke eingeteilt worden, die den Verwaltungsbezirken entsprachen. Jeder Block war im Durchschnitt um die 8.000 Läufer stark. Die drei sächsischen, die zwei thüringischen Blöcke und die fränkische Delegation riefen beim Vorbeimarsch sehr laut und deutlich hörbar „Gorbi, Gorbi, Gorbi“. Das Wachregiment hielt dagegen „Erich, Erich, Erich!“ Die Tonregie des Ostfernsehens bekam die Gorbi-Rufe nicht weg. Durch die Erich-Rufe wurde die Situation noch fataler, als sie schon war. Der Zuschauer hatte den Eindruck, die Situation sei aus dem Gleis gelaufen.

In Ostberlin kam es am folgenden Tag auf dem Alexanderplatz zu einer Demonstration mit etwa 7.000 Teilnehmern, aber damit erschöpfte sich der revolutionäre Elan der Hauptstadt, während in Leipzig bis zum März 1990 jede Woche bis zu 500.000 Sachsen auf die Straße gingen. In den ersten Oktobertagen 1989 wurde die letzte Runde der DDR eingeläutet. Während Ostberlin mit 100.000 Fackeln illuminiert wurde, kam es in den sächsischen Bahnhöfen anläßlich der Durchfahrt der Prag-Flüchtlinge zu Kämpfen von tausenden ausreisewilligen Jugendlichen mit den bewaffneten Organen. Der Fackelzug zeigte das erste Mal deutlich die Spaltung der DDR in den revolutionären Süden und den passiven Norden.