Soll man sich verbiegen?

Bernd Lucke hat in einem Mitgliederbrief zu den Querelen in der AfD Stellung bezogen. Er macht sich Sorgen um die Zukunft der Partei und will in die heile Welt der politischen Normalität flüchten. Aber was ist in der Politik eigentlich normal? Er schrieb den Mitgliedern:

„Das erste Problem ist untrennbar verbunden mit dem Schmuddelimage, das politische und mediale Gegner der AfD in der öffentlichen Wahrnehmung verpasst haben. Hierauf gibt es in der Partei im wesentlichen zwei Reaktionen. Ein Teil der Partei hat sich damit abgefunden und betrachtet es als den notwendigen Preis, den man bezahlen müsse, wenn man gegen den „Mainstream“ agiere. Ein anderer Teil der Partei aber ist zunehmend besorgt, weil die Mitgliedschaft in der AfD immer öfter vom Arbeitgeber missbilligt wird, weil sie zu beruflichen Nachteilen führt, weil Kunden verloren gehen und weil man sich sozial ins Abseits gerückt sieht, wenn man merkt, dass Freunde und Bekannte, ja manchmal sogar Familienmitglieder auf Distanz gehen. Und diese Mitglieder ziehen sich resignierend zurück und verlassen früher oder später die Partei.“

Bernd Lucke denkt, daß man durch Zurückweichen vor den linken Medien und der staatlich bezahlten Antifa mehr Ruhe bekommt. Daß man dann wieder einen Zug der Bundesbahn benutzen kann, ohne angepöbelt zu werden.

Ich habe daran als Praktiker begründete Zweifel. Von 1990 bis 2009 war ich CDU-Mitglied. Besonders in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wurden Wahlkämpfeinsätze dieser langjährigen Regierungspartei von regelmäßigen Angriffen von betrunkenen Randalierern begleitet. Abgerissene Plakate und Störer mit Trillerpfeifen gehörten damals zur Folklore. Den brutalsten Wahlkampf habe ich 2009 als FDP-Wahlhelfer erlebt. Ich hatte damals ein Gebiet von etwa 100 Quadtratkilometern plakatiert. Was ich mir beim Aufhängen alles anhören mußte ist nicht zitierfähig. An einigen Stellen mußte ich dreimal nachhängen. Die Plakate waren nicht nur abgehängt, sondern zertreten, zerrissen und verbrannt. Die politisch absolut korrekte Partei mit den drei Pünktchen wurde von der Konkurrenz schlimmer behandelt wie die NPD. Die NPD ist ja auch wie die Antifa gegen die Marktwirtschaft und gegen die Juden. Die Antifa und ihr Umfeld aus Bezahlmedien, NGOs, Kirchen und Gewerkschaften hatte eine regelrechte irrationale Wut an der FDP abreagiert.

2013 plakatierte ich im Europa- und Landtagswahlkampf der AfD. Die AfD können zwar nicht alle leiden, aber man hatte wenigstens Respekt. Die Zahl der zerstörten Plakate lag im 10-%-Bereich. Alles war wirklich relaxed.

Als Praktiker habe ich die Erfahrung gemacht, daß eine Partei die sich anbiedert, verletzlicher ist, als eine, die erklärtermaßen gegen den Strom schwimmt. Die größte Wut haben die Medien und die Antifa nicht auf die Antisemiten der NPD, sondern auf Liberale. Zumindest dann, wenn sie sich für die Marktwirtschaft aussprechen. Da hat Professor Lucke mit einem bürgerlich-liberalen Kurs gute Chancen richtig ins Fadenkreuz  zu geraten. Die kompakten Jungs und Mädchen vom konservativen Flügel werden ihm dann fehlen.

Lucke beklagt das Schmuddelimage, welches ihm die Medien verpaßt haben. Es hat aber manchmal Vorteile. Ein türkischer Imbißbesitzer hatte von der medialen Hetze gegen die AfD etwas mitbekommen. Er glaubte, daß die AfD als extrem rechte Partei gegen die Juden ist und verteilte deshalb zu jedem Döner einen Handzettel der AfD. Die AfD hatte ohne es zu wissen (und auch ohne es zu wollen) einen fleißigen Helfer. Medienhetze ist immer mit dreisten Lügen verbunden und wirkt deshalb mit der Präzision einer Streubombe.