Wie der DDR das Lebenslicht ausgeblasen wurde

Eine der dümmsten Legenden der deutschen Geschichte ist das Märchen von der friedlichen Revolution 1989/90. Bürgerrechtler und Demonstranten hätten das SED-Regime zu Fall gebracht, so das Fazit in einem Satz.

Tatsächlich waren die Demonstrationen in Leipzig sehr eindrucksvoll. Bis zu 500.000 Leute versammelten sich Woche für Woche. Wenn man die zahlreichen kleineren Events vor allem in Sachsen, Thüringen und Franken zusammenzählt, werden jede Woche Millionen unterwegs gewesen sein. 3.310 Demonstrationen in 549 Orten sind dokumentiert. Das waren stimmungsvolle Abendveranstaltungen mit vielen Kerzen, die ab Mitte Oktober 1989 bereits offene Türen einrannten.

Der Zerfall des zweiten deutschen Staates war nämlich in Moskau, Warschau und Budapest längst beschlossen worden. Moskau wollte den Eisernen Vorhang loswerden und Ungarn und Polen schoben Gorbatschows Kulissen auf der Weltbühne.

Die späte Sowjetunion hatte ein riesiges Problem als Weltmacht. Die Streitkräfte waren technisch nicht auf dem Stand um sich mit den Vereinigten Staaten zu messen. Der Afghanistan- und der Falklandkrieg bewiesen das jeden Tag. Moderne Waffen standen nicht zur Verfügung, weil der technologische Rückstand zum Westen sich dramatisch vergrößert hatte. Computersysteme, Chips und alles was man für eine moderne Bewaffnung brauchte stand auf der Embargo-Liste und man mußte es mühevoll über Drittländer heranschaffen. Das gelang nicht in der erforderlichen Menge und Qualität, zumal es auch ein Devisenproblem gab. Mancher paschtunische Dorfkrieger war am Ende der 80er Jahre besser bewaffnet, als die Sowjetarmee.

Glasnost und Perestroika wären ohne das russische Bewaffnungsproblem nie auf die politische Agenda geraten. Die russischen Generäle wollten das Verhältnis zum Westen entspannen, um Lockerungen im Außenhandel zu erreichen und das riesige Technologieloch der Sowjetunion zuzuschmeißen. Alle russischen Bemühungen waren aber zum Scheitern verurteilt, solange die Zonengrenze in Deutschland Bestand hatte. Ronald Reagan reiste zweimal nach Westberlin, 1982 und 1987. „Wollen die sowjetischen Führer für eine Gefängnismauer erinnert werden, umringt von Stacheldraht und bewaffneten Posten, deren Waffen auf ihre eigenen Bürge gerichtet sind? Wollen sie sich weiter so verhalten, dass sie nur das Misstrauen der freien Welt und ihrer eigenen Bürger ernten?“, fragte er 1982. 1987 forderte er Gorbatschow  auf: „Reißen Sie die Mauer nieder!“

1987 war also klar, welchen Preis Amerika forderte, um die Beziehungen zu entspannen. Ostberlin igelte sich ein und wollte vom Tapetenwechsel in Moskau nichts wissen. Die Ostberliner ahnten, daß sie auf dem Altar der Entspannung mit dem Westen geopfert werden würden und organisierten mit der rumänischen und tschechoslowakischen Parteiführung den Widerstand gegen Moskau und den Rest der Welt.

In Warschau und Budapest dagegen nutzten die national gesinnten Parteiführungen die entstandenen Freiräume und bereiteten der DDR das Grab. Polen gab durch die Demokratisierung der Gesellschaft ein Beispiel. Im Juni 1989 fanden Wahlen statt, die den Namen verdienten. Bereits im September hatte Polen eine antikommunistische Regierung. Den Ostberliner Genossen kräuselten sich die Nackenhaare. Ungarn begann den Grenzzaun zu demontieren.  Am 19. August 1989 entkamen bei einem Picknick an der ungarisch-österreichischen Grenze mehrere Hundert Deutsche über die offene Grenze.  Die Übertragung dieses Tabubruchs im Westfernsehen wurde oft wiederholt. Den Thüringern und Sachsen und auch dem einen oder anderen Berliner blieben angesichts der Bilder die Münder offen stehen. Den Bürgern wuchs der Mut, dem Parteiapparat sank das Herz in die Hosen.

Sicher, bei der Demo in Leipzig am 2. Oktober, bei den Schlachten um die sächsischen Bahnhöfe am 4. und 5. Oktober und bei den Republiksgeburtstagsfeierlichkeiten am 7. Oktober versuchte der Staat noch einmal aufzutrumpfen, aber danach war Schluß mit der Angst vor dem Staatsapparat und Ostberlin versank in Agonie.

An eine rätselhafte Einzelheit erinnere ich mich noch genau: Am 24. Oktober fand in Weimar die erste Demonstration statt. Zwischen dem Landschaftshaus und dem Schloß hatten etwa 10 russische Schützenpanzerwagen Aufstellung genommen.  Sie machten nichts. Sie waren nur aufgefahren, um der SED zu zeigen, daß sie nach wie vor nichts zu melden hatte und wer der wirkliche Herr im Hause war.

Die 89er Revolution wurde durch außenpolitische Ereignisse herbeigeführt. Der Sturz Angela Merkels wird durch das Handeln der europäischen Nachbarn erfolgen, oder es wird ihn nicht geben. PEGIDA scheint das zu ahnen. Nie waren so viele internationale Gäste in Dresden, als in letzter Zeit.  Tschechen, Italiener, Briten und Holländer geben sich das Mikrofon in die Hand. Eine Warnung an die Frau Bundeskanzler Dr. Merkel: Wenn Polen und Ungarn auftauchen, wird es brandgefährlich. Die polnische PEGIDA-Aktivistin Alicia redete zum PEGIDA-Geburtstag und ungarische Fahnen wehten auf dem Theaterplatz. Wenn das kein Menetekel ist?