Frontbegradigung statt Wahrheit

Wenn die Wehrmacht nach Stalingrad wieder Gelände verloren hatte, gab es eine Sprachregelung des Wahrheitsministeriums: Es habe eine Frontbegradigung stattgefunden. So wurde die scheibchenweise eintretende Niederlage von der Lügenpresse schöngeschrieben.

Ich möchte Köln keineswegs mit Stalingrad vergleichen. Köln war nur eine kleines Scharmützel beim Vormarsch der Freunde der blauäugigen Willkommenskultur. Die Medien und ihre Angestellten in der Politik hatten gehofft, daß sich alle ständig liebhaben. Daß Migranten die bessern Menschen sind, daß Asylbewerber verirrte teutonische Wanderer vor dem Verhungern bewahren und was alles Schönes und Erhabenes berichtet wurde. Der in Wirklichkeit aus verschiedensten Gründen problematische Asylantenstrom wurde völlig idealisiert dargestellt; das konnte auf Dauer einfach nicht gutgehen. Köln war ein schräger Blick hinter die Fassade der Potjomkinschen Migrantendörfer.

Irgendwann werden Journalisten mit der Realität konfrontiert. Und dann beginnt die mediale Frontbegradigung. Da gibt es immer zwei Ausreden: Erstens die vom äußeren Feind. Da gab es das perfide Albion, die revanchistischen Bonner Ultras oder die jüdische Weltverschwörung. Und zweitens die vom inneren Feind: dolchstoßende Sozialdemokraten, jüdische Geldverleiher sowie reaktionäre Kapitalisten und Junker.

Die Schnitzler-Propaganda löste das Problem mit zwei Märchen: Auf die häufig gestellte Frage, warum der Weg zum Kommunismus so lang und so steinig sei, verwies Schnitzler auf die Unreife der Werktätigen, denen noch die erforderliche Überzeugung durch Schulung antrainiert werden müßte, um satt und zufrieden und ohne Zweifel nach ihren Bedürfnissen zu leben. Und auf die unterwühlenden Angriffe des amerikanischen Imperialismus sowie des westdeutschen Faschismus auf die junge Arbeiter- und Bauern-Macht.

Inzwischen gibt es auch in der Bundesrepublik viel Feind – viel Ehr. Auswärtig unterwühlen Ungarn, Dänemark, Polen, Tschechien, Rußland, der Islamische Staat und die Slowakei die multikulturellen Fundamente. Im Innern schädigen Tichy, Broder, Böhm, die CSU, Kubitschek, die Bayernpartei, Zeller, PEGIDA, Klonowsky, Maxeiner, Lengsfeld, Schäffler, Goergen, Herre, zweimal Röhl und nicht zuletzt die AfD die schöne Eintracht aller Illusionisten.

Das zwangsfinanzierte Staatsfernsehen, DER SPEICHEL und die Alpenprawda berichten nicht von der Tristesse der Asyllager. Sie ahnen vielleicht, welche zerstörerische Langeweile dort herrscht. Sie recherchieren jedoch nicht darüber, weil die Chefredaktion es verboten hat. Sie ignorieren alle archaischen Traditionen, die die Zuwanderer mitbringen. Sie berichten nicht über das Innenleben der Großfamilien. Sie berichten nicht über den aussichtslosen Kampf der deutschen Polizei.

Statt dessen werden wir aufgeklärt, wie Trickdiebe arbeiten, was Antanzen ist und wie man sich Leute beim Schunkeln auf Armlänge vom Leibe hält. Sascha Lobo bejammert wie aus der Pistole geschossen den Gegenmob auf Facebook, der unbekannte Journalist der SZ läßt die Leser über Videoüberwachung sinnieren. Also Frontbegradigung statt ungeschminkter Wahrheit. Der Leser wird von der Hauptstrecke der Realitäten schon wieder auf ein Abstellgleis der Pioniereisenbahn geschoben.

Die Illusion, daß man die Menschheit mit staatlicher Lügenpropaganda beeinflussen kann ist sehr alt. Folgende Anekdote stammt aus dem frühen Sowjetparadies. Ein Agitator erzählt in einem Kolchos, wie herrlich sein Heimatdorf aussieht: Steinerne Häuser, ein Kulturpalast, eine Sporthalle. Ein Zuhörer meldet sich: „Ich war vor einer Woche dort. Eine staubige Straße und ein paar schiefe Hütten habe ich gesehen.“ Der Agitator ermahnt ihn: „Genosse, du solltest weniger reisen und mehr Zeitung lesen!“