Die Eliten und das Volk

Vor hundert Jahren wurde das Volk von den Eliten gerade auf den Schlachtfeldern verheizt. Auf ein paar Millionen Tote und Krüppel kam es den Dichtern und Denkern nicht an. Heute haben wir wieder die gleiche Situation. Auf dem Altar der Zuwanderung werden die bewährte europäische Zusammenarbeit und das teuer bezahlte soziale Netz geopfert, das die Medienonkels, Schauspieler und Künstler so satt haben. Ihr Sinn steht wieder nach der moralischen Weltherrschaft des deutschen Geistes und nach sozialen und ökonomischen Abenteuern. Vorher wurde schon immer behauptet, daß wir das schaffen: 1914, 1939 und 2015 wieder…

Psychologisch erinnert alles an die Präferenzen der deutschen Eliten des Spätkaiserreichs. Als hätte die Welt seither stillgestanden. Hier mal ein paar Beispiele: Thomas Mann litt 1914 wie so viele unter dem manischen spätkaiserzeilichen Waschzwang:

„Krieg!, Es war eine Reinigung, Befreiung, was wir empfanden, und eine ungeheure Hoffnung.“ „Was die Dichter begeisterte, war der Krieg an sich selbst, als Heimsuchung, als sittliche Not. Es war der nie erhörte, der gewaltige und schwärmerische Zusammenschluß der Nation in der Bereitschaft zur tiefsten Prüfung – einer Bereitschaft, einem Radikalismus der Entschlossenheit, wie sie die Geschichte der Völker vielleicht bisher nicht kannte. Aller innerer Haß, den der Komfort des Friedens hatte giftig werden lassen – wo war er nun?“ (…) Wie hätte der Soldat im Künstler nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte.“

Der Schriftsteller Rudolf Burchardt sah gar den Kampf um die Verwirklichung des deutschen Wesens und der deutschen Mission ausgebrochen. Friedrich Gundolf aus dem George-Kreis lobte, dass die Deutschen endlich ein Volk geworden seien, „das einzig wahrhaftige, echte, männliche (Gundolf hatte es wie sein ganzes Umfeld nicht mit Frauen), sachliche.“ Diese Land voller Helden habe es mit Gegnern zu tun, die voller Feigheit, Lug und Gemeinheit steckten. Dieser Gegner ist aktuell nicht mehr das perfide Albion, sondern PEGIDA und AfD. Gustav Sack schrieb in seinem Roman „Der verbummelte Student“:

„Käme der Krieg!…Volk gegen Volk, Land gegen Land, ein Stern nichts denn ein tobendes Gewitterfeld, eine Menschendämmerung, ein jauchzendes Vernichten-! o, ob dann nicht ein Höheres -.“

Franz Marc übermittelte am 26. September 1914 seinem ausländischen Freund Wassily Kandinsky vom Blauen Reiter die Nachricht:

„Der Stall des Augias, das alte Europa, konnte nur so gereinigt werden, oder gibt es einen einzigen Menschen, der diesen Krieg ungeschehen wünscht?“

Der Nobelpreisträger Rudolf Eucken verstand den Weltkrieg als „Weltbewährungsprobe deutscher Innerlichkeit“. Der jugendbewegte Paul Natorp, einer der Organisatoren des Freideutschen Jugendtages von 1913 auf dem Hohen Meißner verstand den Krieg als Aufbruch der Jugend. Der Sinn des Völkermordens sollte ein idealer sein:

„So möchte der Deutsche allerdings gerne die Welt erobern, doch nicht für sich, sondern für die Menschheit; nicht um etwas dadurch zu gewinnen, sondern um sich zu verschenken.“

Der Dichter der Nationalhymne der DDR (Auferstanden aus Ruinen) Johannes R. Becher peitschte sich buchstäblich auf Biegen und Brechen durch ungelenkes verwildertes Wortgestrüpp:

„O dass doch ein Brand unsre Häupter bewölb
Es rascheln gewitternd Horizonte fahlgelb (…)
Wir horchen auf wilde Trompetdonner Stöße
Und wünschten herbei einen großen Weltkrieg. (…)
Die Nerven gepeitschet, die Welt wird zu enge.
Laßt schlagen uns durch Gestrüpp und Gedränge!“

Alfons Petzold gab 1915 in seinem Gedichtbändchen „Volk, mein Volk – Gedichte der Kriegszeit“, gedruckt in Jena bei Eugen Diederichs, zu, dass der Krieg eine Konsequenz der expressionistischen Dichterei sei:

„Es war ein unvergeßlicher Triumph des Dichterischen über ein ganzes Volk, jener Anfang des Augustmonats mit den Kriegserklärungen. Auch der stumpfste der Menschen war dem Weinen wie dem Jauchzen nahe in einer erschütterten Welt….“

Kreaturen, denen man es entsprechend ihrer Nachkriegssozialisation nicht zugetraut hätte, stimmten in den Chor der Kriegsbegeisterten ein: Bertold Brecht vermutete, dass Großes gegeben werden müsse, um Großes zu erlangen, deutsche Ehre und Würde seien aller Opfer wert.

Die Zentren der Avantgarde wie Schwabing und Worpswede waren durchaus keine linken Hochburgen, wie man es vermuten könnte, wenn man heutige Berichte über Ausstellungen der Avantgarde sieht. Neben Ästhetizisten, Anarchisten und Sozialisten gab es mindestens genausoviele Antisemiten, Rassisten, Deutschtümler und Germanenschwärmer. Bis zum Ersten Weltkrieg handelte es sich um ein gemeinsames Biotop, in welchem sich die Reformbewegung versammelte, ohne eine Trennung in links und rechts. Ob in Worpswede, in Schwabing, in Weimar, in Friedrichshagen oder im Brücke-Atelier in Dresden: immer teilten sich spätere Anarchisten, Ästhetizisten, Bolschwisten und Nationalsozialisten die Kunstzeitschrift, das Dach und die Konkubinen. Einige konvertierten, waren erst Bolschewist, später Nationalsozialist, andere umgekehrt. Einige Maler, deren Bilder in der Ausstellung „Entartete Kunst“ hingen, zum Beispiel Emil Nolde und Peter Röhl, waren Mitglieder der NSDAP. Es ist heute kaum zu glauben, aber wahr.

Bereits 1914, kurz vor dem Ausbruch des Weltkriegs, hatte Kurt Hiller mit wenigen Getreuen, darunter Heinrich Mann, den Aktivismus begründet. Die Künstler sollten sich aktiv in die Politik einbringen. Im Krieg wurden die aktivistischen Konzepte ausgefeilt und die führende Rolle der Geistigen in der bevorstehenden Umwälzung reklamiert. Das war eine Kampfansage vor allem an die SPD als Arbeiterbewegung. Die führende Rolle in der Nachrevolutionsgesellschaft wurde neu vergeben.

Es drängt sich rückblickend die Frage auf, warum aus parteipolitisch ungebundenen Expressionisten nach dem Weltkrieg Parteigänger Stalins und Hitlers wurden. Die Antwort ist sehr einfach. Die ersehnte Reinigungskatastrophe – der Erste Weltkrieg – hatte mit Geländegewinnen verheißungsvoll begonnen. Nach dem Sonderfrieden im Osten im Frühjahr 1918 jubilierten einige reformistische Optimisten wie Fidus, Tucholsky, Döblin und Rathenau, weil sie den Sieg schon in der Tasche glaubten. Ende 1918 war jedoch klar geworden, dass Deutschland als Träger der elitären Kultur den Krieg gegen England, Frankreich und Amerika verloren hatte. Alle Naturgesetze der idealistischen Alchemie hatten versagt; das unmöglich geglaubte war eingetreten: das vermeintlich junge idealistische Deutschland hatte weniger Kraft entwickelt, als die alten angeblich verbrauchten Mächte des Materialismus. Die deutsche Niederlage konnte nach dem Epochenverständnis der mitteleuropäischen Intelligentsia nicht durch die Ohnmacht des Idealismus entstanden sein; man hatte sich in der Rolle und Charakteristik Deutschlands getäuscht, und Russland als Hort der Erneuerung unterschätzt. Man versammelte sich an den Offenbarungen der bolschewistischen Imperialismustheorie und machte sich den leninschen Epochenbegriff zu eigen, der durchaus nicht zufällig zum eigenen Weltbild passte.

Vor dem Kriege hatte die mitteleuropäische Litteratenschaft das idealistische Deutschland der geistigen Weltherrschaft für wert befunden, nach der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde war das gescheitert. Glücklich stand in der Stunde der Ernüchterung eine neue unverbrauchte Projektionsfläche für die revolutionäre Phantasie bereit, auf die der intellektuelle Eifer überspringen konnte: Russland.

Der Grund für diese Verrenkungen der Intelligentsia ist die Suche nach jenem idealistischen und elitären Shangri La, das ihren theoretischen Entwürfen entspricht.
1933 erschienen der Roman „Lost Horizon“ von James Hilton, der das weltabgekehrte Leben in einem abgelegenen Lama-Kloster im Himalaya namens Shangri La beschreibt. Die Mönche wählten ihre Tagesabläufe als Abkehr von der Hast der Zivilisation, ohne auf gewohnte Annehmlichkeiten völlig zu verzichten. Sie erwarteten ein apokalyptisches Ereignis und verstanden sich selbst als letzte Verteidiger der Kultur. Nicht nur viele Linke, auch der grün-braune Heinrich Himmler war von der Vorlage fasziniert. Er entsandte mehrere Expeditionen nach Tibet, um das elitaristische Wunderland suchen zu lassen.

Immer wieder wurden auch nach dem Untergang der Nationalsozialisten irdische Teststrecken gesucht, um die Praxistauglichkeit der ideologischen Designermodelle zu beweisen. In den Testmaschinen saßen nie Dummies, sondern richtige Menschen, die in Crashtests bedenkenlos geopfert wurden. Die linken Intellektuellen der Bundesrepublik erblickten in den siebziger Jahren in Albanien, in China, in der Sowjetunion und in Nikaragua, ja sogar in Kambodscha das irdischehe Paradies, und wenn endlich alle realen Orte entzaubert waren, wenn es gar kein Staat mehr wert war, dass ihm nachgeeifert wurde, dann blieb ja noch das exterritoriale geistige Reich Che Guevaras. Die Anhänger Maos und Pol Pots sind inzwischen durch die deutschen Institutionen gewandert, vor allem als Grüne getarnt.

Nun ist es wieder soweit. Die Eliten haben ein neues riesiges unüberschaubares Tummelfeld gefunden: Die Umvolkung. Während sie das letzte Mal die Nachbarländer mit deutschen Siedlern fluteten, machen sie es seit 2015 umgekehrt. Sie holen sich kriegerische Bergvölker aus Afghanistan, Seeräuber aus Somalia und IS-Kämpfer aus dem Irak nach Europa. Hauptsache, es entsteht Unordnung und Chaos wie kürzlich in Paris und Brüssel.

Die Stimmung der deutschen Intellektuellen im September 2015 war etwa dieselbe wie im August 1914. Wie schrieb doch Thomas Mann? „Krieg!, Es war eine Reinigung, Befreiung, was wir empfanden, und eine ungeheure Hoffnung.“ „Was die Dichter begeisterte, war der Krieg an sich selbst, als Heimsuchung, als sittliche Not. Es war der nie erhörte, der gewaltige und schwärmerische Zusammenschluß der Nation in der Bereitschaft zur tiefsten Prüfung – einer Bereitschaft, einem Radikalismus der Entschlossenheit, wie sie die Geschichte der Völker vielleicht bisher nicht kannte. (…) Wie hätte der Soldat im Künstler nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte.“ Begegnet uns diese Euphorie in der sogenannten Willkommenskultur nicht wieder?

Die GEZ-Millionäre, die in Deutschland den Ton angeben, opfern die noch halbwegs intakte Welt der kleinen Leute wieder einmal bedenkenlos ihren krausen Ideen. Was unter dem Druck von Millionen „Ärzten und Ingenieuren“ aus der Rente, der Krankenversicherung, den sozialen Institutionen insgesamt wird ist ihnen wurscht. Welche Kosten die Kriminalitätsbekämpfung verursachen wird – nicht ihr Problem.

Der Autor hat zum Versagen der deutschen Intellektuellen eine unterhaltsame Doku erstellt: Der Bausatz des Dritten Reiches. Als E-Book bei Amazon erhältlich.