Merkel ist aus der Zeit gefallen

Vor wenigen Tagen noch frohlockte die deutsche Lügenpresse über die aussichtslose wirtschaftliche Lage Britanniens als isolierte Insel (ist eine tautologische Formulierung, ich weiß) am Rande Europas. Die Industrie sei sicher weiter an einem guten Verhältnis mit Großbritannien interessiert, räumte die Kanzlerin Merkel beim Neujahresempfang der IHK Köln ein. Wenn Großbritannien die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes allerdings nicht akzeptieren wolle, müsse die EU die Konsequenzen ziehen, so Merkel. Sie warnte deutsche Unternehmen davor, in den Brexit-Verhandlungen zu nachgiebig zu sein.

Das deutsche Establishment spielt sich auf, wie die peitschende Domina im Sado-Maso-Studio. Während auf dem Wirtschaftsforum in Davos die ersten Wichtigtuer andeuten, sich mit Trump und der neuen Zeit zu arrangieren, lebt Merkel noch in der Welt von gestern und probt den Zwergenaufstand. Sie erinnert in ihrem Starrsinn an den späten Honecker. Hochmut kommt jedoch vor dem Fall und wer zu spät begreift, den bestraft das Leben.

Donald Trump hat – glaubt man dem BILD-Interwiev vom Sonntag – offenbar vor, den kampferprobten amerikanischen Partner England in ein transatlantisches Wirtschaftsbündnis aufzunehmen, um die geplante Bestrafung des „perfiden Albions“ – so die Sprachregelung aus dem deutschen Spätkaiserreich – durch Deutschland zu kontern. Und er hat etwas mehr als einen Funken Hoffnung, daß sich andere Europäer anschließen. Die EU wird aufgebrochen werden wie eine Auster und die schmackhaften Teile werden rausgezutschelt. Deutschland wird mit solchen Traumpartnern wie Griechenland, Portugal und Zypern in der Gemeinschaft zurückbleiben.

Ulf Poschardt, der neue Chefredakteur der WELT, schreibt sich die mit der Wahl Trumps fast vollendete Isolation Deutschlands schön:
„Wir stehen alleine da. In Europa haben uns viele Länder ebenfalls im Regen stehen lassen, und auch was sich im Vereinigten Königreich zusammenbraut, lässt für die deutsche Exportwirtschaft nichts Gutes ahnen. (…) Gleichzeitig müssen wir uns rüsten, im Zweifel auch so alleine zu stehen, wie wir das im Augenblick noch nicht bereit sind zu akzeptieren. Die Provokationen von Trump und Theresa May sollten ernst genommen werden und in eine kämpferische Haltung übersetzt werden. Der Wettbewerb wird härter und kompromissloser werden und wir Deutsche müssen weniger verträumt, sondern machtbewusst unsere Interessen verfolgen.“

Dazu ist seit Ausbruch der letzten Finanzkrise 2009 inzwischen sieben Jahre Zeit gewesen. Merkel hätte auf dem Rauswurf Griechenlands bestehen müssen, um ein Exempel zu statuieren und die Target-Salden (die Schulden anderer EU-Partner gegenüber Deutschland) nicht auf ein neues Rekordniveau auflaufen zu lassen. Merkel hätte die Asylbewerber an der deutschen Grenze abweisen müssen und auf Selfies verzichten. Dann wäre Europa nicht gespalten und den BREXIT hätte es nie gegeben. Der ganze Knatsch mit dem Vereinigten Königreich, Österreich, Osteuropa und dem Balkan über „Flüchtlingsverteilung“, „Sperrung der Balkanroute“ und „Obergrenzen“ wäre erspart geblieben.

Merkel hat alles getan, Deutschland außenpolitisch zu isolieren. 1914 waren wenigstens noch Österreich und Ungarn mit uns verbündet. Nicht einmal dieses Minimum an deutschen Partnern ist noch da. Merkel hat den BREXIT und die Trump-Wahl nicht auf der Rechnung gehabt. Sehr typisch für Frauen, daß sie keinen Plan B haben. Ja wenn Hillary Präsident werden würde, dann wäre alles anders gelaufen. Mit Weiberwirtschaft. So hängen politische Schicksale am seidenen Faden…

Seit der Inauguration Obamas 2008 konnte Merkel sich mit Rückendeckung des mächtigsten Mannes der Welt als europäischer Statthalter gebärden. Sechs mal „mächtigste Frau der Welt“ im amerikanischen Wichtigtuer-Magazin Forbes. In Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Ungarn, Dänemark, Polen, Griechenland, Spanien, im Vereinigten Königreich und Österreich regierten damals überall devote Vasallen der Political Correctness, nur Italien und Tschechien waren etwas aufmüpfig.

Die europäischen Trommelhasen Gordon Brown, David Cameron, Nicolas Sarkozy, Donald Tusk, Enrico Letta, Mario Monti, Werner Faymann, Jan Peter Balkenende, Kostas Karamanlis, Giorgis Papandreou, Andonis Samaras, José Zapatero, Ferenc GyurcsányHerman Van Rompuy, Yves Laterme, Elio Di Rupo, Martin Schulz und Helle Thorning-Schmidt sind alle wegen Energiemangel an der Strecke liegen geblieben, nur Angela Merkel mit ihrem Duracell-Akku trommelt noch unbeirrt weiter. Sie erinnert an Napoleon, der es nach dem Exil in Elba noch einmal wissen wollte oder an Gerhard Schröder, der sich in den Wahlkampf so hereingesteigert hatte, daß er nach der Wahlniederlage einfach Bundeskanzler bleiben wollte.

Derzeit hat sie in Paris, Rom, Madrid, Brüssel, Den Haag und im mächtigen Luxemburg noch Mitstreiter sitzen. In den Niederlanden, in Frankreich, Italien und voraussichtlich auch in Spanien wird es 2017 zu Neuwahlen kommen. Sicher ist nur, daß die Sozialisten in Frankreich abgelöst werden und daß die beiden niederländschen Regierungsparteien regelrecht massakriert werden. Nach der deutschen Bundestagswahl wird Merkel voraussichtlich von einer Welt von persönlichen und politischen Feinden umgeben sein. Polen, Tschechien, Österreich, Ungarn, die Slowakei und Dänemark haben bereits jetzt eine kritische Einstellung zu den deutschen Asyleskapaden, Frankreich wird, egal ob Marine Le Pen oder Francois Fillon die Präsidentenwahl gewinnt, im Sommer ein anderes Nachbarland sein.

Verkorkst war die außenpolitische Lage Deutschlands auch 1914 und 1939. Aber nicht so schlimm. Poschardts Satz: „Gleichzeitig müssen wir uns rüsten, im Zweifel auch so alleine zu stehen…“. Der wurde 1914 auch so publiziert. Das „Alleinsein“ ist als Größenwahn in die Geschichtsbücher eingegangen.

Die Journaille hat den Zusammenhang von Politik und Ökonomie nicht begriffen. Poschardt schlägt vor: „Das enorme Wohlstandsniveau steht auf dem Spiel, deswegen müssen jetzt schnell Wachstumhemmnisse abgeräumt werden: Bürokratie abgebaut, Steuern gesenkt, Restriktionen und Forschungsverbote aufgehoben werden.“ Von Frau Dr. Merkel? Die jahrelang überhaupt kein Interesse an wirtschaftlichen Fragen hatte? Die mit Sozialdemokraten und Grünen die teure volks- und wirtschaftsfeindliche „Energiewende“ durchgezogen hat?

Poschardt weiter: „Unser Ehrgeiz sollte geweckt sein. Die Verteilung globalen Wohlstands wird von den USA künftig aggressiv zu ihren Gunsten entschieden werden – wenn wir uns nicht wehren und besser, mutiger, fleißiger, innovativer, freier, offener, kreativer, multikultureller werden. It‘s the economy, stupids. Wenn die Deutschen diesen Konflikt aushalten und sogar Punkte machen, verteidigen sie damit auch die Segnungen einer liberalen, offenen Gesellschaft. Es geht um sehr viel. Mehr denn je.“

Nein, es ist eben nicht die Ökonomie stupid. Wie will Deutschland sich denn wehren? Mit der kaputtgesparten Bundeswehr? Mit Kernwaffen? Mit Vetos im Weltsicherheitsrat? Mit der Überwachung des Weltraums? Mit der Hilfe von ausländischen Partnern? Oder nur mit wohlfeilen Produkten auf dem Weltmarkt? Schreibst du noch, oder träumst du schon? Die deutsche und osteuropäische Geschichte (einschließlich Jugoslawiens) der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lehrt, daß trotz allen Fleißes am Ende der wirtschaftliche und finanzielle Zusammenbruch steht, wenn man nur fleißig ist und sonst keine militärischen Fähigkeiten, keine Souveränität und keine Bündnispartner hat. Wenn man von militärisch Stärkeren ausgenommen wird, wie eine Weihnachtsgans. Die Lehren der 90er Jahre sind von den Economy-Blödmännern schon wieder völlig vergessen worden. In Amerika, in Rußland, in ganz Osteuropa und auf dem Balkan lacht man nur über solche weltfremden Berliner Spinner.

Heinrich Heine faßte im „Wintermärchen“, entstanden 1844, das deutsche intellektuelle Defizit so zusammen:

Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört den Briten,
Wir aber besitzen im Luftreich des Traums
Die Herrschaft unbestritten.

Zeit mal aufzuwachen!