Turbinenwartung in 700 Metern Tiefe

Anno 1797 ist als das „Balladenjahr“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Die gebildeten Stände wurden von Goethe und Schiller mit Gedichten bespaßt. Das hehre Ziel der Dichter und Denker war damals die Fürstenerziehung. Ihr gemeinsamer „Blog“ hieß 1798 der „Musenalmanach“.

Die Kunstballade sollte sittliche Tugenden vermitteln. Gestalten und Geschehnisse wurden der Vermittlung bürgerlicher Ideale untergeordnet, die Gedichte zielten mit straffer Handlungsführung und sprachlichem Schwung auf die unmittelbare Anstachelung von moralischen Überlegenheitsgefühlen gegenüber monarchischen und adligen Minderheiten. Der eine oder andere Fürst wird das als Haß und Fakenews wahrgenommen haben, wie zum Beispiel Schillers schwäbischer  Landesvater Herzog Karl Eugen von Württemberg. Der Weimarer Hof war ihm sicher so widerlich, wie heutzutage für besorgte Landesmütter das Reich Putins.  Laut dem Weimarer Geheimrat von Goethe sollte der Leser „die Literatur urteilend genießen“. Und richtend mit dem moralischen Fallbeil.

Im Allgemeinen wurden die Fürsten als Bösewichter gezeichnet, manchmal wurden sie poetisch vom Saulus zum Paulus bekehrt, manchmal blieben sie verrucht bis zum bitteren Ende und dienten als Projektionsfläche von kleinbürgerlicher moralischer Empörung und Entrüstung.

Die Regierenden selbst frönten sowohl heute, wie auch schon 1797, eitlen, aber sinnfreien Offshore-Aktivitäten, wie man am Gedicht „Der Taucher“ erkennen kann:

»Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldnen Becher werf ich hinab,
verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.«

Der König spricht es und wirft von der Höh
Der Klippe, die schroff und steil
Hinaushängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
»Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in diese Tiefe nieder?«

Und die Ritter, die Knappen um ihn her
Vernehmens und schweigen still,
Sehen hinab in das wilde Meer,
Und keiner den Becher gewinnen will.
Und der König zum drittenmal wieder fraget:
»Ist keiner, der sich hinunter waget?«

Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor,
Und ein Edelknecht, sanft und keck,
Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,
Und alle die Männer umher und Frauen
Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.

Und wie er tritt an des Felsen Hang
Und blickt in den Schlund hinab,
Die Wasser, die sie hinunterschlang,
Die Charybde jetzt brüllend wiedergab,
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzen sie schäumend dem finstern Schoße.

Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt,
Und schwarz aus dem weißen Schaum
Klafft hinunter ein gähnender Spalt,
Grundlos‘ als gings in den Höllenraum,
Und reißend sieht man die brandenden Wogen
Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.

Jetzt schnell, eh die Brandung wiederkehrt,
Der Jüngling sich Gott befiehlt,
Und – ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört,
Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,
Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer
Schließt sich der Rachen, er zeigt sich nimmer.

Und stille wirds über dem Wasserschlund,
In der Tiefe nur brauset es hohl,
Und bebend hört man von Mund zu Mund:
»Hochherziger Jüngling, fahre wohl!«
Und hohler und hohler hört mans heulen,
Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.

Und sieh! aus dem finster flutenden Schoß
Da hebet sichs schwanenweiß,
Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß,
Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß,
Und er ists, und hoch in seiner Linken
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.

Und atmete lang und atmete tief
Und begrüßte das himmlische Licht.
Mit Frohlocken es einer dem andern rief:
»Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht!
Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle
Hat der Brave gerettet die lebende Seele.«

Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,
Zu des Königs Füßen er sinkt,
Den Becher reicht er ihm kniend dar,
Und der König der lieblichen Tochter winkt,
Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande,
Und der Jüngling sich also zum König wandte:

»Lang lebe der König! Es freue sich,
Wer da atmet im rosigten Licht!
Da unten aber ists fürchterlich,
Und der Mensch versuche die Götter nicht
Und begehre nimmer und nimmer zu schauen,
Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.

Es riß mich hinunter blitzesschnell –
Da stürzt‘ mir aus felsigtem Schacht
Wildflutend entgegen ein reißender Quell:
Mich packte des Doppelstroms wütende Macht,
Und wie einen Kreisel mit schwindelndem Drehen
Trieb michs um, ich konnte nicht widerstehen.

Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief
In der höchsten schrecklichen Not,
Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff;
Das erfaßt ich behend und entrann dem Tod –
Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen,
Sonst wär er ins Bodenlose gefallen.

Denn unter mir lags noch, bergetief:
In purpurner Finsternis da,
Und obs hier dem Ohre gleich ewig schlief:
Das Auge mit Schaudern hinuntersah,
Wie’s von Salamandern und Molchen und Drachen
Sich regt‘ in dem furchtbaren Höllenrachen.

Und da hing ich und wars mir mit Grausen bewußt
Von der menschlichen Hilfe so weit,
Unter Larven die einzige fühlende Brust,
Allein in der gräßlichen Einsamkeit,
Tief unter dem Schall der menschlichen Rede
Bei den Ungeheuern der traurigen Öde.

Und schaudernd dacht ich, da krochs heran,
Regte hundert Gelenke zugleich,
Will schnappen nach mir –in des Schreckens Wahn
Laß ich los der Koralle umklammerten Zweig;
Gleich faßt mich der Strudel mit rasendem Toben,
Doch es war mir zum Heil, er riß mich nach oben.«

Der König darob sich verwundert schier
Und spricht: »Der Becher ist dein,
Und diesen Ring noch bestimm ich dir,
Geschmückt mit dem köstlichsten Edelstein,
Versuchst du’s noch einmal und bringst mir Kunde,
Was du sahst auf des Meeres tiefunterstem Grunde.«

Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,
Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:
»Laßt, Vater, genug sein das grausame Spiel!
Er hat Euch bestanden, was keiner besteht,
Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,
So mögen die Ritter den Knappen beschämen.«

Drauf der König greift nach dem Becher schnell,
In den Strudel ihn schleudert hinein:
»Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell,
So sollst du der trefflichste Ritter mir sein
Und sollst sie als Ehegemahl heut noch umarmen,
Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen.«

Da ergreifts ihm die Seele mit Himmelsgewalt,
Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,
Und er siehet erröten die schöne Gestalt
Und sieht sie erbleichen und sinken hin –
Da treibts ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,
Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.

Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück,
Sie verkündigt der donnernde Schall –
Da bückt sichs hinunter mit liebendem Blick:
Es kommen, es kommen die Wasser all,
Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,
Den Jüngling bringt keines wieder.

Lieber Leser, du ahnst bestimmt, worauf ich hinaus will: Die Offshore-Energiespeicherung. Bisher beschränkte sich die Medien- und Regierungselite darauf, uns die Vorteile der Offshore-Windräder ans Herz zu legen. Obwohl die technischen Schwierigkeiten offensichtlich größer sind, als vorhergesehen. Die Energiegewinnung auf See ist auch deutlich teurer, als auf Land.

Die Windkraftlobby greift nach jedem Strohhalm, um das bisher ungelöste Problem der Energiespeicherung anzugehen, denn nur mit der Speicherung von Elektroenergie ist ein weiterer Kapazitätsaufbau der Windkraft intelligenten Wesen vermittelbar.

Es ist zwar noch nicht der erste April. Trotzdem hatte Norbert Lossau die WELT-Online-Leser bereits am 11.01.2017 gefragt: „Retten Betonkugeln am Meeresgrund die Energiewende?“,

„In Deutschland gibt es praktisch keine geeigneten Standorte mehr für neue Pumpspeicherkraftwerke. Fraunhofer-Wissenschaftler haben eine alternative Technik entwickelt, die elektrische Energie am Meeresboden speichern kann: Man versenke riesige Hohlkugeln aus Beton und pumpe diese mit überschüssigem Strom leer. Öffnet man später oben an den Kugeln ein Ventil, so strömt das Wasser mit großer Kraft wieder in die Kugeln hinein. Dabei kann man das fließende Wasser über Turbinen leiten, die wieder Strom erzeugen. Viele solcher Kugeln sollen zu größeren Speicherparks am Meeresboden zusammengeschlossen werden. Das Prinzip ist also recht ähnlich zu den klassischen Speicherkraftwerken.“

Lossau spintisiert weiter: „In der Praxis sollen später Betonspeicherkugeln mit einem Durchmesser von 30 Metern zum Einsatz kommen. Jede von ihnen wiegt stolze 10.000 Tonnen. Und die optimale Tiefe, so haben die Forscher berechnet, liegt bei 600 bis 800 Metern. (…) Allerdings dürfte die Betonkugel-Speichertechnik, wenn die Pilotphase erfolgreich abgeschlossen ist, sich nur für den Export eignen. Vor der deutschen Küste ist das Meer nämlich nicht tief genug, um die Kugeln sinnvoll einsetzen zu können. Doch anderenorts, zum Beispiel vor den Küsten von Norwegen, Spanien, Japan und den USA, werden bereits in relativer Nähe zum Land hinreichende Tiefen erreicht.“

Das Dumme ist nur: Norwegen, Spanien, Japan und die USA haben keine nennenswerten Windparks auf See. Deutschland, Dänemark, Großbritannien und die Niederlande haben Offshore-Windparks, aber nicht die erforderliche Wassertiefe. Ein Teufelskreis…

Außerdem ist das Problem der Wartung der in 700 Meter Tiefe liegenden Pumpen und Turbinen noch offen. Da brauchts Schillers Taucher. Am besten Angela Merkel springt selber.