Fake-News über die Gasversorgung sollen Trump schaden

Daniel Wetzel von WELTN24 hat gerade einen dürftig recherchierten Eintrag „Gute Beziehungen? Beim Gas wird es sich zeigen“ gepostet. Wetzel will aufzeigen, daß die zweite Gaspipeline von Russland nach Deutschland in erheblichem Maß US-Interessen berühre. Präsident Trump stände vor der Wahl: „America First“ oder ein gutes Verhältnis zu Russland. Beides ginge nicht.

Wetzel hat sich einen Konflikt zurechtgelegt, um Trump mies zu machen. Wie wir sehen werden steht der amerikanische Präsident vor einer ganz anderen Entscheidung.

Wetzel: „Der Konflikt spielt sich ab vor dem Hintergrund einer technologischen Revolution: Erdgas wird bald Erdöl und Kohle als wichtigsten Energierohstoff überflügeln. Das Gas wird immer öfter in Kühlanlagen verflüssigt und als „Liquified Natural Gas“, kurz LNG, in Tankschiffen über die Weltmeere transportiert. Gab es bislang nur einen Weltmarkt für Rohöl, entsteht dank der LNG-Tanker nun auch ein globaler Markt für Erdgas.“

Diesen Weltmarkt gibt es unbemerkt von der WELT schon seit Jahrzehnten. Wetzel zitiert lang und breit den Sonderbeauftragten der US-Regierung für internationale Energiefragen, Amos Hochstein, der noch von Obama eingesetzt wurde: „Es geht darum, mithilfe von LNG Länder aus ihrer Abhängigkeit zu befreien“. „Die USA entwickeln sich zum größten LNG-Exporteur der Welt und Russland befürchtet, damit sein Monopol zu verlieren.“ Schon früher hätten die USA im europäischen Energiemarkt interveniert, sagte Hochstein. So habe Litauen seinen LNG-Hafen mithilfe der USA errichtet und sich aus der Abhängigkeit vom Energieriesen Gazprom befreit. „Noch bevor das erste LNG geliefert wurde, war Litauen in der Lage, die Preise von Gazprom um 20 bis 30 Prozent zu drücken.“

Der Gashandelshintergrund dieser Zitate des Sonderbeauftragten liegt bei fast Null. Die USA haben bis einschließlich 2015 kein Erdgas nach Europa exportiert. Es wurde vom dafür zuständigen US Energy Department schlicht verboten. Bis November liegen Zahlen für das Jahr 2016 vor: Nach Litauen wurde 2016 definitiv kein LNG exportiert. 2,93 Millionen Kubikfuß sind im Juli nach Spanien geliefert worden und 3,33 Millionen Kubikfuß wurden im November in Italien angelandet. Portugal hatte im April 3,7 Millionen Kubikfuß erhalten. Und das wars. Der Rest der amerikanischen LNG-Lieferungen ging nach Lateinamerika und Asien. Aber das war auch nicht viel.

Die USA sind beim Export im Rahmen des Freihandelsabkommens NAFTA bisher auf Kanada und Mexico konzentriert und zwar ganz überwiegend per Pipeline.

Die großen Produzenten von LNG sind Katar mit 25 % der Weltproduktionskapazität, Indonesien mit 12 %, Algerien mit gut 10 % , Australien mit knapp 10 %, Nigeria mit 8 % Malaysia mit 6 %, Ägypten und Rußland mit je 3 %, Oman und Abu Dhabi mit je 2 %. Und dann kommt der Rest der Welt mit den USA. Allerdings sind in den Vereinigten Staaten erhebliche Kapazitäten im Aufbau bzw. genehmigt. Bei den genehmigten Vorhaben ist aber unklar, ob sie in der derzeitigen Preiskulisse auch gebaut werden. Es gibt schon jetzt weltweit erhebliche Überkapazitäten bei der Verflüssigung von Erdgas trotz eines wachsenden Marktes.

Die „Deutsche Schiffahrtszeitung“ berichtete am 26. Mai 2016 von einer Gesetzesänderung in den Staaten: „Das Repräsentantenhaus des US-Kongresses hat durch eine Gesetzesnovelle jetzt den Weg für weitere Milliardeninvestitionen in die LNG-Förderung freigemacht. Der Senat hatte zuvor schon seine Zustimmung signalisiert.
Im Kern wird es dem US-Energieministerium durch eine Straffung der Verfahren nun leichter gemacht, Exportgenehmigungen für LNG zu erteilen. Die Energiewirtschaft hatte großes Interesse an dem vereinfachten Verfahren (…) Bisher musste eine Exportgenehmigung noch zusätzlich durch das Verteidigungsministerium genehmigt werden, weil man in Bezug auf in den USA geförderte Energieträger grundsätzlich immer eine mögliche Gefährdung der Eigenversorgung im Kriegsfall unterstellte. Dies hatte die Verfahren in jüngster Zeit in die Länge gezogen, weil die Verwaltungsabläufe im Pentagon mit der wachsenden Nachfrage nach Exportgenehmigungen nicht mithalten konnten. Obwohl die Republikaner zustimmten, hat der designierte Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump, angekündigt, nach seiner Wahl zum Präsidenten das Gesetz in der alten Form wiederherzustellen.“

Was Donald Trump wirklich macht, müssen wir mal abwarten.  Einerseits möchte die amerikanische Gasindustrie natürlich exportieren. Andererseits hat ein Teil der amerikanischen verarbeitenden Industrie aus Wettbewerbsgründen das Interesse kein billiges Gas zu den ausländischen Konkurrenten zu exportieren. Das ist auch das bisher geäußerte Interesse von Trump. „America first“ eben.

Der amerikanische Erdgaspreis für die Industrie beträgt nämlich nur ein Viertel der deutschen Kosten. Das ist ein erheblicher Wettbewerbsvorteil der Amerikaner. Es gibt Berechnungen, daß der Export des Gases der Außenhandelsbilanz der Vereigten Staaten weniger nutzen würde, als ein großer Preisabstand zwischen europäischen und amerikanischen Gas.

Germany Trade & Invest (GTAI) ist die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing. Die GTAI schrieb Ende 2016: „Verschlechterte globale Marktbedingungen gefährden in den USA die Wirtschaftlichkeit neuer Exportterminals für verflüssigtes Erdgas (LNG). Mögliche Abnehmer in Asien und Westeuropa können Erdgas derzeit zu günstigen Preisen aus anderen Quellen beziehen. Ohne eine nachhaltige Markterholung dürfte nur ein kleinerer Teil der jetzt geplanten Vorhaben realisiert werden. Die Aussichten der US-Energiewirtschaft auf lukrative Exportgeschäfte mit LNG (Liquefied Natural Gas) sind im Herbst 2016 nicht mehr so rosig wie vor einigen Jahren. Während der Bau der neuen Exportterminals langsam Fahrt aufnimmt, zeigte die internationale Nachfrage nach dem Rohstoff zuletzt Schwächen. In wichtigen asiatischen Exportmärkten haben sich die Spot-Preise für LNG seit 2014 um mehr als 50% reduziert.“

Weiter aus dem GTAI-Bericht: „Derweil nehmen die LNG-Exportterminals, die in den USA im Zuge des Frackingbooms entstehen, langsam Formen an. Das Gros der ersten Lieferungen aus einer bereits fertiggestellten Anlage in Sabine Pass, Louisiana, ging allerdings nicht wie ursprünglich erwartet nach Asien oder Europa, sondern vorrangig nach Südamerika. Hauptabnehmer war Chile, das nach der Erweiterung des Panamakanals mit verkürzten Lieferwegen für Großtanker und dadurch niedrigeren Verschiffungskosten aufwarten kann.“

Wenn man die Ideologie mal beiseite läßt und nur die Fakten checkt, sind die USA gerade erst auf dem Weg, eine LNG-Exportnation zu werden. Und der Weg ist steinig. Wenn Europa sich von russischen Gaslieferungen unabhängiger macht, so spielen Importe aus der arabischen Welt und aus Nigeria eine große Rolle. Amerika ist als Lieferant derzeit noch ein Exot.

Noch ein Beispiel für Fake-Subtext der WELT: „Polen und Litauen etwa haben sich durch den Bau entsprechender Hafenanlagen bereits von russischen Erdgaslieferungen unabhängiger gemacht – und damit auch politische Freiräume gewonnen. Andere Flüssiggas-Terminals wie in Rotterdam, im französischen Dünkirchen, in Spanien, Portugal und Großbritannien existieren bereits, sind aber noch nicht voll ausgelastet.“

So Daniel Wetzel. Durch die Thematik seines Eintrags suggeriert er, daß die Polen amerikanisches Gas importieren. Die Terminals in Polen und Litauen gibt es wirklich, sie haben aber noch keinen Kubikfuß amerikanisches LNG entgegengenommen. Auch in den Niederlanden, in Großbritannien und Frankreich wartet man bisher auf ein erstes amerikanisches Schiff mit Gas vergeblich.

Nochmal Wetzel: „Es geht um die Vorherrschaft auf dem sich entwickelnden Weltmarkt für Erdgas. Und es geht darum, ob der neue US-Präsident dem bisherigen Ziel amerikanischer Außenpolitik treu bleibt, Europa aus der Abhängigkeit russischer Erdgaslieferungen zu befreien.“

Bis 2015 gab es unter Obama ein striktes Exportverbot für Erdgaslieferungen nach Europa. Wie kann man unter dieser Voraussetzung davon schwadronieren, daß die USA unter den Demokraten aktive Erdgaspolitik in Europa gemacht haben?

Natürlich steht Deutschland vor der Frage, wie man sich versorgt. Ob man sich von Rußland abhängig macht. Deutsche Energieversorger haben Geschäftsanteile an den Empfangsterminals in den Niederlanden und Belgien erworben und können so Gas über den Seeweg importieren.

Insbesondere die SPD hat hinsichtlich der Gasversorgung einen hohen Grad von Schizophrenie entwickelt. Einerseits will man an den Wirtschafssanktionen gegen Rußland festhalten, andererseits wurde Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zum Vorsitzenden des Gesellschafterausschusses der Nord-Stream-1-Leitung berufen.

Der Faktencheck zeigt: Die geplante zweite Röhre der Nordstream zeigt die Zweizüngigkeit der Energiepolitik der Bundesregierung auf.  Und die EU ist bei dem Thema wieder einmal zutiefst zerstritten, genauso wie bei der Flüchtlingsverteilung. Viele Mitglieder wollen kein russisches Gas. Die WELT N24 schreibt am Thema vorbei und konstruiert ein Trump-Problem. In Wirklichkeit stehen Merkel und Gabriel vor dem Dilemma, ob sie Sanktionen wollen oder russisches Gas. Bisher haben sie sich klar für Gas entschieden. Altverträge über die Lieferung von Erdgas, die vor dem 1. August 2014 geschlossen wurden, dürfen unbeschadet der Sanktionen bedient werden.

Aufgrund des besonders kalten Winterwetters und der Senkung der eigenen Gasförderung in Europa hat der russische Energiekonzern Gazprom am 5. Januar 2017 eine Rekord-Tagesmenge von 615,5 Millionen Kubikmeter Erdgas nach Europa geliefert, wie Konzern-Vorstandschef Alexej Miller stolz mitteilte. Davon etwa 165 Millionen Kubikmeter über Nordstream. Eigentlich gibt es die Sanktionen gegen Rußland nicht wirklich. Das liegt aber nicht an der Putin-Freundschaft von Trump, sondern an der Schizophrenie deutscher und europäischer Politik.