Frankreich wählt wie eine Diktatur

Von der Lügenpresse wird uns der zukünftige Franzosenpräsident Emmanuel Macron als Liberaler verkauft, sein Erfolg als Sieg der Demokratie. Seine Bewegung heißt ins Deutsche übersetzt: „Die Republik in Bewegung“.

Sein Vorgehen bei der Vorbereitung der Nationalversammlungswahl im Juni nährt zurückhaltend ausgedrückt enorme Zweifel an seiner liberalen und demokratischen Gesinnung. Es gibt 576 Wahlkreise und in allen will Macron Wahlkreisbewerber seiner Bewegung Marche aufstellen.

In Deutschland werden Wahlkreisbewerber gewählt, in Frankreich sieht der code electoral in der Fassung vom 1. April 2017 das nicht zwingend vor. In Deutschland heißt es im Wahlgesetz sinngemäß, daß die Bewerber einer Partei in einer demokratischen und geheimen Wahl durch die Versammlung der wahlberechtigten Mitglieder der Partei im Wahlkreis gewählt werden müssen. Ebenfalls zulässig ist die Wahl des Bewerbers in einer Vertreterversammlung, die aus von den wahlberechtigten Parteimitgliedern in geheimer Wahl bestimmten Delegierten besteht.

Nicht so in Macrons famoser Bewegung. Die Kandidaten werden von einer Kommission nach vorher festgesetzten Proporzen quasi ernannt.  Selbst Josef Stalin tat formell immer so, als wären die Kandidaten für den Obersten Sowjet gewählt worden. Hier eine Kostprobe aus Stalins Schmierentheater auf der Wählerversammlung des Moskauer Stalin-Wahlbezirks am 11. Dezember 1937:

„Man hat mich als Deputierten-Kandidaten aufgestellt, und die Wahlkommission des Stalin-Wahlbezirks der Sowjethauptstadt hat mich als Deputierten-Kandidaten registriert. Das ist, Genossen, ein großes Vertrauen. Gestattet mir, euch meinen tiefgefühlten bolschewistischen Dank auszusprechen für das Vertrauen, das ihr der Partei der Bolschewiki, deren Mitglied ich bin, und mir persönlich, als Vertreter dieser Partei, erwiesen habt. (Lebhafter Beifall.) Ich weiß, was Vertrauen heißt. Es erlegt mir neue, zusätzliche Verpflichtungen auf und folglich neue, zusätzliche Verantwortung. Nun denn, bei uns Bolschewiki ist es nicht üblich, sich der Verantwortung zu entziehen. Ich nehme sie gern auf mich. (Stürmischer, anhaltender Beifall.) Meinerseits, Genossen, möchte ich euch versichern, daß ihr euch getrost auf Genossen Stalin verlassen könnt. (Stürmische, lange nicht enden wollende Ovation, Zuruf aus dem Saal: „Und wir alle stehen hinter Genossen Stalin!“) Ihr könnt darauf zählen, daß Genosse Stalin es verstehen wird, seine Pflicht zu erfüllen vor dem Volke (Beifall), vor der Arbeiterklasse (Beifall), vor der Bauernschaft (Beifall), vor der Intelligenz. (Beifall.) Weiter möchte ich euch, Genossen, beglückwünschen zu dem kommenden Fest des ganzen Volkes, dem Tag der Wahlen zum Obersten Sowjet der Sowjetunion. (Lebhafter Beifall.)“

Diese Mühe einer demokratischen Fassade macht sich „La République en Marche“, die neue Bewegung in Frankreich gar nicht erst. Die Berufungskommision unter Leitung des ehemaligen Wirtschaftsministers und UMP-Mitglieds Jean-Paul Delevoye ist für die Auswahl der Kandidaten zuständig. Die Hälfte der Kandidaten soll aus der Zivilgesellschaft kommen ohne bisheriges politisches Amt. Zudem soll die Hälfte aller Kandidaten weiblich sein. So berichtete es „Paris Match“ unter der Headline: „Comment Macron recrute ses candidats aux législatives“.

Nun ist die „Zivilgesellschaft“ in meinem persönlichen Verständnis der nichtstaatliche Part der Bevölkerung. Mit dieser Definition bin ich jedoch randständig. Die Medien verstehen unter diesem Begriff alle jene, die für irgendein Minderheiteninteresse Staatsknete kassieren. Die Vorstellung, daß jeder zweite Kandidat ein die Hand aufhaltender Staatssklave ist, ist „horribel“, wie man in England sagt.

Selbst in der deutschen NPD geht es bei der Kandidatenaufstellung – wahrscheinlich notgedrungen durch geltende Gesetze – demokratischer zu, als im Frankreich Hollandes und Macrons.

Nun hat der Franzose ja auch noch ein Wort mitzureden, wenn schon nicht bei der Aufstellung der Kandidaten, dann jedoch bei der Wahl der 577 Abgeordneten. Und da schwanken die drei vorliegenden Wahlprognosen für die Nationalversammlung von Ende April / Anfang Mai erheblich. Macrons Bewegung werden 54 bis 286 Sitze vorausgesagt, je nachdem wie die Sozialisten taktieren: Machen sie lieber ein Wahlbündnis mit den Linken oder mit Macron? Den Republikanern werden 79 bis 210 Mandate geweissagt und der Nationalen Front (so hieß pikanterweise auch das DDR-Wahlbündnis) 15 bis 143. Die Zukunft der Nationalversammlung steht also noch vollkommen in den Sternen. Was schmieden die Hirten der Parteien für Bündnisse und folgen ihnen ihre Schafe, äh die Wähler, auch?