Das Schatzkästchen moderner Märchen

Zu meiner Kindezeit gab es das Sammelsurium „Schatzkästchen deutscher Märchen“. Von Brauchtumsexperten wie den Gebrüdern Grimm und Bechstein zusammengetragen. Um 1800 mußte man als Märchensammler abenteuerliche Expeditionen mit der Postkutsche oder auf dem Esel in nordhessische Wälder machen, um alten Weiblein zu lauschen und ihre schrulligen oder altersweisen Erzählungen aufzuschreiben. „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Der Werra-Meißner-Kreis ist noch heute ein gebirgiges und abgelegenes Refugium, welches bei den Frankfurtern als „Hessisch Kongo“ verschrien ist. Heute braucht der Experte für gefakte Geschichten mit bösen Hexen und KönigInnen allerdings keine mühevollen Wege übers Land mehr beschreiten, er folgt nicht mehr der Spur der Steine, sondern er fährt bequemerweise mit dem IC nach Berlin, um konzentriert im Regierungsviertel – auf engstem Raum – die neuen deutschen Märchen zu vernehmen. Dort gibt es ein ganzes Kollektiv von Erzählern, welche leider von allen guten Geistern verlassen sind. Wer nach Berlin reist, zieht aus das Gruseln zu lernen.

Die aktuelle Berliner Märchensammlung von Valerie Hartzog ist unter dem Titel: „Vom Reden und Handeln der schon länger bei uns Regierenden. Eine Chronik 2015 -2016“ jüngst auf dem Büchermarkt bei ratio books erschienen.

Zunächst habe ich recherchiert, ob es die Autorin bei Google gibt. Nein, einfach nein! Das ist schon erstaunlich, daß eine Newcomerin so ein fakten- und kenntnisreiches Büchlein zustandebringt. Ohne vorher den kleinsten Fußabdruck im digitalen Universum zu hinterlassen. Bei den Skandalautoren Botho Strauss (Anschwellender Bocksgesang), Thilo Sarrazin (Deutschland schafft sich ab) und Stefan Heym (Die Schmähschrift) gibt es eine Biografie, ein Vorleben. Hier nicht. Vielleicht will die Autorin mit Rücksicht auf ihre körperliche und wirtschaftliche Unversehrtheit anonym bleiben. Und sie ist ein kürzlich aufgegangener Stern am regierungskritischen Firmament. Oder es verbirgt sich hinter einem Pseudonym ein kenntnisreicher Anonymus aus dem Regierungsapparat, ein Ketzer, ein Dissident, ein Verräter. Ein Unterwühler der bestehenden Unordnung, aus Sicht der Berliner Elitisten ein gefährlicher Schädling, eine Unperson, oder gar ein besorgter Bürger.

Ein paar Märchen aus dem Büchlein: Es war einmal am 16.11.2015 im Morgenmagazin des zwangsfinanzierten Staatssenders ARD. Heiko Maas sprach also zum Moderator: „Es gibt keine Verbindung, keine einzige nachweisbare Verbindung zwischen dem Terrorismus und den Flüchtlingen.“

Im Verlauf der Untersuchungen zu den am 13.11.2015 in Paris stattgefundenen Attentaten mit 130 Toten stellte sich heraus, daß alle neun tötenden Islamiker Flüchtlinge waren und teilweise über Deutschland eingereist. Der Spruch von Hexe Angela am Morgen des besagten 13.11.2015: „Was wir in Deutschland nicht können, das ist einfach mal festlegen, wer kommt und wer nicht.“ Meine Großmutter hatte für solche Situationen einen Spruch drauf: „Kleine Sünden bestraft der Liebe Gott sofort.“ Allerdings knüppelhart.

Kürzlich, am 14.5.2017 hatte die türkische Integrationsbeauftragte der Bundesregierung die These aufgestellt, daß es außer der deutschen Sprache keine identifizierbare deutsche Kultur gäbe. Auch andere Länder würden das Leistungsprinzip kennen. Die Kanzlerin behauptete in einer Rede auf einem CDU-Parteitag am 14.12.2015 als Begründung ihres Spruchs „Wir schaffen das“ das blanke Gegenteil: „“Ich kann sagen, weil es zur Identität unseres Landes gehört Größtes zu leisten.“

Au weia! Das erinnert an die Weltkriegspropaganda von 1914 bis 1918 oder an 1933 bis 45. Aber nicht nur das Zitat selbst ist aufschlußreich. Auch die Reaktion des zwangsfinanzierten Staatssenders ZDF auf den CDU-Parteitag am selbigen Abend in der heute-Sendung nahm Bezug auf das Dritte Reich: Die Schlagzeilen der Sendung: „Angela Merkel führt, die Partei folgt.“ Für die Jüngeren der Originalspruch: „Führer befiel, wir folgen!“ Oder auf italienisch: „Il Duce a sempre ragione“ (der Führer hat immer Recht). Selbst der Stalinismus gab sich liberaler. Es wurde immer die Fassade einer kollektiven Führung aufrechterhalten, auch wenn das so nicht stimmte. Folglich hieß es damals: „Die Partei hat immer recht.“ Einen Leitartikel „Honecker führt, die Partei folgt“ hätte sich das Zentralorgan „Neues Deutschland“ nach einem SED-Parteitag nicht getraut. Das war selbst den hartgesottenen Ostberlinern zu bäh…

Und eine weitere resultierende Frage: Gibt es zwischen der Integrationsbeauftragten und der Kanzlerin irgendeinen Faden, der gesponnen wird, oder macht jeder in der Bundesregierung was er will? Der eine ruft „Hüh“, und der andere „Hott“?

Ein weiteres Beispiel von NS-Vokabular, gab ein zwangsfinanziertes DLF-Interview der Kanzlerin vom 4.10.2015 her, welches von Kraft und Freude nur so strotzte. Die Autorin fragte: „Wann kamen solche Vokabeln das letzte Mal in politischen Reden vor?“ In diesem Interview kam die Kanzlerin darauf zu sprechen, daß der Herrgott die Aufgabe des Asyls auf den Tisch gelegt habe. Valerie Hartzog repliziert: „Die Macht geht nicht mehr vom Volke aus. Der Herrgott Angela Merkels bestimmt, was auf den Tisch gelegt wird. Es hat „keinen Sinn“ sich gegen die Tischauflage Gottes zu wehren.“

Eine oft scharfzüngige Kritikerin (oder ein anonymer Kritiker) der Kanzlerin und ihrer engsten Entourage, das Lesen macht dadurch viel Freude, obwohl es fatale und belastende Themen sind. Vieles erinnert an die „Schmähschrift“ oder den „König-David-Bericht“ von Stefan Heym, zwei Bücher, die man trotz frustrierenden Unrechts, welches allerdings demaskierend, flott und zielführend beschrieben wird, immer wieder gerne zu Hand nimmt.

Ich habe mich lange Zeit gefragt, wo der liberale Blog PI News die Bezeichnung der „Flüchtlinge“ als „Goldstücke“ herhat. Das kann doch nur von einem rechten Provokateur sein? Aus Schnellroda, Erfurt oder gar aus dem Tal der Ahnungslosen? Nein! Es war der Spaßbäderbauer Martin Schulz: „Was die Flüchtlinge zu uns bringen, ist wertvoller als Gold.“ Ja, das ist sie, die neue Variante des Märchens von den Sterntalern. Da brauchts dicke Taschen, um alles Gold aufzusammeln.

Das alles und noch viel mehr im 247seitigen Märchen-Heftchen von Valerie Hartzog. Lesenswert und durch die konsequente Gegenüberstellung von Dichtung und Wahrheit (auf der linken Heftseite jeweils die Märchenstunde, rechts die Aufklärung aus oft regierungsamtlichen Quellen dazu) recht amüsant!