Das Geld regiert die Kunst

Die meisten Künstler in Deutschland hängen auf die eine oder andere Weise am Staatstropf und müssen den Mächtigen zum Munde singen, reden und schreiben. Oder ihnen irgendwelche Kränze flechten.

Es gibt fast keinen Schauspieler mehr, der nicht entweder von GEZ-Gebühren, von Theatersubventionen oder von der Filmförderung lebt. Selbst wenn ein Film im Kino mal tief schwarze Zahlen schreibt, stecken in der Regel Steuergelder drin. Filme werden neu gedreht, weil in der alten Fassung jemand geraucht hat, weil kein Schwuler drin vorkam oder weil eine Frau einen Scheuerlappen in der Hand hatte. Eine permanent laufende von den Schaffenden gefütterte Bereicherungsmaschinerie.

Einzige Ausnahme: Regisseur Klaus Lemke. Er ist der schärfste Kritiker der Filmförderung. „Ich bin der Einzige, der unabhängige Filme macht, der Rest ist bezahlt von diesen ganzen Fördersystemen“. 2012 organisierte er eine Protestaktion anläßlich der Berlinale. Klaus Lemke und seine Darsteller von „Berlin für Helden“ zogen blank, um gegen die Filmförderung zu protestieren.

In der Filmförderrichtlinie des Bundes heißt es: „Der Hersteller des neuen Films hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien über Inhalt und Gestaltung des Filmvorhabens, für das die Prämie verwendet werden soll, eingehend zu informieren; er hat insbesondere Drehbuch, Stab- und Besetzungsliste, Kosten- und Finanzierungsplan sowie einen Verleihvertrag oder eine konkrete Darlegung der Verleih- und Vertriebspläne einzureichen.“

So sollen unabhängige auf Filmfestivals erfolgreiche Filme gedreht werden?

Wäre für den Actionfilm „Hänsel und Gretel Hexenjäger“ Förderung beantragt worden, dann hätte das Drehbuch umgeschrieben werden müssen. Zwei rechtsradikale Waffennarren mit doppelläufiger Armbrust und großkalibriger Pistole auf der Jagd nach Feministinnen, die im Raum Augsburg einen Ganztagskindergarten mit der optimalen Gruppengröße von 12 Kindern betreiben. Paradoxerweise hat dieser „frauenfeindliche“ Film, der mit Hexenbekämpfung einen Millionengewinn eingespielt hat, doch noch etwas Förderung abbekommen: Wegen der Nutzung eines deutschen Produktionsstandorts.

Wer als Kabarettist nicht durch die Kleinkunstbühnen in der Provinz tingeln will, sollte sich beim Fernsehen lieb Kind machen und muß zum Ausweis seiner politischen Zuverlässigkeit wahlweise auf Erdo, die AfD oder Trump draufhauen. Oder auf alle drei. Wer bei „Mainz wie es singt und lacht“ auftreten will, sollte mindestens einen alten Polenwitz mit Bart draufhaben, um von den ARD- oder ZDF-Redakteueren nicht aussortiert zu werden.

Auch das Gesangsmetier ist nur in Teilen frei. Bushido zum Beispiel hat sich von Integrationspreisen und Fernsehauftritten inzwischen emanzipiert und kann jetzt dank seiner Fangemeinde machen was er will. Eine Starthilfe war das Rumschleimen bei den Medienpotentaten aber doch. Wer beim ESC nominiert werden möchte oder in Fernsehshows auftreten, sollte lieber mit den Berliner Wölfen von Frau Grütters (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien) heulen, statt zu singen.

Leider werden auch Maler und bildende Künstler gefördert. Eigentlich sollen bei öffentlichen Bauten 1 % der Bausumme für die Verschandelung durch Kunst ausgegeben werden. Das unterbleibt in der Praxis oft aus Geldmangel. Auf Druck des Reichswirtschaftsverbandes Bildender Künstler gab der preußische Minister des Innern den Erlass vom 28. Juni 1928 heraus, nach dem „bei der Errichtung und Ausstattung staatlicher oder kommunaler Bauten mehr als bisher, unter besonderer Berücksichtigung der beschäftigungslosen und in Not geratenen bildenden Künstler, Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zu schaffen“ seien. In einem neuen Erlass vom 22. Mai 1934 über die Beteiligung bildender Künstler und Handwerker an öffentlichen Bauten ebnete auch Adolf Hitler talentlosen Schmarotzern, die auf Parteilinie lagen, den Weg. Später folgten Ulbricht und Honecker.

Wer nicht auf Linie lag, wurde auf die eine oder andere Art aussortiert. Die erste Sekretärinnen-Arbeitsstelle meiner Mutter war in den 40er Jahren die Reichskammer der Bildenden Künste. Sie mußte dort immer mal ein Berufsverbot tippen. Zum Ausgleich setzte sie durch, daß ihre Chefs von ihr mit „Guten Morgen“ gegrüßt wurden, statt mit „Heil Hitler“. Ein schwacher Trost.

1989 besuchte ich den Landkreis Waldeck-Frankenberg. Zu meinem Entsetzen waren an dortigen Schulen fast dieselben schrecklichen „Kunstwerke“ zu besichtigen, wie in der DDR. Es fehlten nur Hammer und Sichel sowie die rote Fahne. Selbst die Stilistik unterschied sich in den sechziger Jahren kaum. Sowohl die Schöpfer von Stalins sozialistischem Realismus wie auch die bundesrepublikanische Kunstmafia hatten ihr Handwerk bei den nationalen Historisten der zwanziger und dreißiger Jahre gelernt. Eine Welt brach für mich zusammen, ich fragte mich, was die beiden Teilstaaten eigentlich getrennt hatte. Nur die finsteren Interessen Moskaus wahrscheinlich.

Und dann gibt es ja noch die zahlreichen vom Steuerzahler ausgerichteten Ausstellungen und Events. Der letzte diesbezügliche Finanzskandal ereignete sich gerade bei der documenta Kassel, wo sich die Geschäftsleitung und die geldgebende Stadt wegen Überziehung des Budgets in die Haare gerieten. Es wurden immerhin sieben Millionen mehr ausgegeben, als geplant, Kuriere waren ständig mit größeren Geldbündeln zwischen Kassel und Athen mit Flugzeugen unterwegs, mit normalen SEPA-Überweisungen ging offensichtlich nichts.

Die Kunst hat sich vom zahlenden Publikum dank allumfassender Fördersysteme emanzipiert. Und sie verteidigt ihre damit gewonnene Unfreiheit. Diese folgt der alten Weisheit: Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Wäre es nicht schön, wenn wieder wie in der Shakespeare-Zeit das Publikum über den Kauf der Eintrittskarte mitbestimmt, ob eine Darbietung oder ein Kunstwerk sehenswert ist, oder nicht?

Nun hat Michelle Müntefering (SPD) eine Unterschriftensammlung losgetreten, daß die AfD auf keinen Fall den Vorsitz im Kulturausschuß des Bundestages bekommt. Rund 22.000 Stipendiaten der Regierung wie Iris Berben oder Klaus Staeck haben schon unterzeichnet. Müssen die eine Angst haben, daß ihnen die Futtertröge weggeschoben werden!