Ein Weststudienrat über DDR-Bildung

Sicher hatte das DDR-Schulsystem seine Schattenseiten. Es wurde unendlich viel Zeit für marxistisch-leninistischen Götzendienst, Militaria, Pioniernachmittage, Fackelzüge und Staatsbürgerkunde vergeigt.

Einer, der glaubt darüber Bescheid zu wissen: Alan Posener, Redakteur der WELT, studierte gemäß Wikipedia-Eintrag Germanistik und Anglistik an der FU Berlin und der Ruhr-Universität Bochum. Dabei war er als Kader des Kommunistischen Studentenverbands und der maoistischen KPD-AO aktiv. Nach dem Staatsexamen arbeitete er als Studienrat am Berliner Kant-Gymnasium und an der Martin-Buber-Gesamtschule in Berlin-Spandau. Er verließ den Schuldienst nach eigenen Angaben aus „Langeweile“. Kürzlich stellte er haarsträubende Behauptungen über Bildung in der DDR auf:

„Unterrichtet wurden die Kinder von einem Lehrerkader, dessen Regimetreue die wichtigste Qualifikation war.“

Quatsch! Ein Drittel der Lehrer glaubte an den Sozialismus und die Weltrevolution, ein weiteres Drittel tat aus Opportunismus so, der Rest war mehr oder weniger renitent. Ist das heute etwa anders? Statt Weltrevolution muß man nur Weltklima, Weltregierung und Weltrettung setzen. Die das propagieren, sind wieder die „Regimetreuen“.

Nur mal das Beispiel Björn Höcke. Der war Lehrer. Ja, er hat eine typische Sportlehrermentalität. Kann sich jemand vorstellen, daß er in Hessen wieder unterrichten darf, sollte seine parlamentarische Kariere enden? Wird im „weltoffenen“ Hessen nicht auch „Regimetreue“ verlangt?

Zeitsprung. Mein Klassenlehrer Voges war 1969 gerade von der Uni Jena an die Schillerschule in Weimar strafversetzt worden, weil er gegen den Einmarsch in Prag protestiert hatte. Nicht ein einziges Mal äußerte er im Unterricht etwas Systemkonformes. Jeden Samstag gab es in der letzten Stunde seine Rede, die wir „Das Wort zum Sonntag“ nannten. Er erklärte uns, wie umsichtig man sich im Krieg verhalten muß (er war Wehrmachtshauptmann gewesen), daß man Energie und Selbstdisziplin haben sollte und den Kopf nicht leichtfertig aus dem Schützengraben rausstrecken darf. Nach den Staatsbürgerkundestunden war es die reinste Erholung. Er sah aus wie Helmut Schmidt und er sprach wie Helmut Schmidt.

Sein Lieblingsthema: Die Dualität von Welle und Körper bei der Erklärung des Lichts. Mit diebischer Freude erklärte er uns daran, daß man jede Sache von verschiedenen Standpunkten aus betrachten könne, ohne zu falschen Ergebnissen zu kommen. Im Gegenteil, unterschiedliche Perspektiven befruchten die Wissenschaft.  Unausgesprochen also: Nicht nur der Klassenstandpunkt der Partei ist richtig.

Hauptleute in den Schulen konnte man übrigens daran erkennen, daß sie gestreckt dastanden und die linke Hand in der Hosentasche hatten. Vielleicht geballt. Irgendwie konnten sie sich trotz ihres reaktionären Stallgeruchs gegen die Genossen behaupten. Hunde kuschen ja auch vor Haltung und Präsenz.

Sogar in ideologisch belasteten Fächern gab es zuweilen Widerstand bis zur letzten Patrone. Der Geschichtslehrer Geyer ritt so lange auf dem Thema der „Partei Neuen Typus“ herum, bis es der letzte in der Klasse begriffen hatte, daß Lenin mit Marx weniger als nichts zu tun hatte. „Partei Neuen Typhus“ sagten wir, um das Krankhafte zu verulken.

Auch der ehemalige Wehrmachtshauptmann und Studienjahrgangsleiter Dr. Ebel, der in der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar 200 Leute zum Diplom zu führen hatte (Ausfallqoute damals etwa 25 %) zehrte vor allem von seinen sibirischen Erfahrungen und gab die weiter. Nix Regimetreue. Das Andenken der Hauptleute und vieler anderer Lehrer mit Kreuz wird von Posener beschmutzt. Dreckfink!

Alan Posener noch einmal zur DDR: „An den Folgen des DDR-Systems leidet freilich die Republik bis heute: autoritäres Denken, buckeln nach oben, treten nach unten, die Überbewertung des Unterrichts gegenüber der Erziehung, des Stoffs gegenüber dem Charakter.“

An dieser Einschätzung ist alles falsch. Gerade im Sozialismus wollte die Schule zu „allseits gebildeten sozialistischen Persönlichkeiten“ erziehen. Mit ausdrücklichem Vorrang des Charakters und der „Persönlichkeit“ vor der Bildung. Hätte man die FDJ, die Jungen Pioniere, die Thälmannpioniere, die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und die Gesellschaft für Sport und Technik gebraucht, hätte man nur unterrichten wollen? Nur „Fachhuberei“ treiben, wie er schreibt?

Es gab damals die schöne Anekdote: Kann ein Genosse gleichzeitig ehrlich, intelligent und linientreu sein? Natürlich nicht. Wenn er ehrlich und intelligent ist, ist er nicht linientreu. Wenn er linientreu und intelligent ist, ist er nicht ehrlich und wenn er linientreu und ehrlich ist, ist er nicht intelligent.

Diese Erziehung zu sozialistischen Persönlichkeiten ist wegen der in der Anekdote enthaltenen Problematik völlig in die Hose gegangen: Weil sich die verkündeten Ideale an den harten Kanten der Realität gestoßen haben. Posener selbst ist ja heute auch kein Maoist mehr. Spätestens nach dem Verlassen der Schule begann der Prozeß der Desillusionierung. Spätestens. Die meisten Schüler schalteten schon in der Schule in gewissen Fächern auf Durchzug. Sicher, es wurde kaum widersprochen. Aber andererseits wurde durch die ständige Indoktrination auch eine kritische Haltung gefördert, die beim Zusammenbruch des Systems Millionen auf die Straße führte. Insbesondere im südlichen Dunkeldeutschland, welches den Kadavergehorsam des Umfelds von Dr. Merkel mit devoten Elendsgestalten wie Altmeier, Maas, Kauder und Tauber nie wirklich verinnerlicht hatte.

Buckeln nach oben, treten nach unten: Ich will nicht das Hohelied der solidarischen Volksgemeinschaft der DDR singen, wie es die Linke teilweise immer noch tut. Klar gab es in der Zone viele Anscheißer und Buckler. Wenn ich sehe, wie heute in der BRD von denen, die vom Staat noch etwas wollen, gebuckelt wird, und wie Nonkonformisten getreten werden, dann sehe ich in diesen Radfahrer-Eigenschaften eher anthropologische Konstanten. Da gibt es so einen Staatsschauspieler, der erst ein „Flüchtlingsheim“ errichten wollte, was sich dann schnell erledigte. Wenn das nicht Buckeln vor den Medienzaren war, um die nächste Rolle zu ergattern…

Ach ja, da fällt mir noch etwas ein, was damals wie heute gleich ist: Die Unterwürfigkeit von Schule gegenüber ausländischen Übermenschen. Heute die Goldstücke und die Bereicherung, damals „Freundschaft zur Sowjetunion ist Ruhm und Ehre der Nation“ und „von der Sowjetunion lernen, heißt Siegen lernen“. „Nina-Nasarowa-Methode“ und „Bassow-Methode“. Die Ossis haben eben die Erfahrung, was Buckelei vor primitiven Kulturen bedeutet.

Ich bin kein Prophet, aber recht sicher, daß auch die jetzige Indoktrination durch   die Lügenmedien und die heutigen Bildungseinrichtungen grandios scheitern wird. Weil die Differenz zwischen Dichtung und Wahrheit immer größer wird. Die Energiewende, die Umvolkung und der Euro werden so blamabel enden wie aus dem Aufbau des Kommunismus nichts wurde.

Alan Posener würde ich in einer Diktatur nicht unter den Aufrechten, auch nicht unter jenen vermuten, die verdeckten Widerstand leisten. Er paßt sich den Verhältnissen an, singt das Lied der Mächtigen, zupft die Harfe des Zeitgeists. Mal Mao und mal Soros. Solche redaktionellen Leichtmatrosen gehören bei stürmischem Wetter in die Zeitungskombüse und nicht als eiserne Männer auf die Rahen um die Segel zu setzen.