Dr. Merkel ist entfreundet

Die kraftvollsten Antriebe von Politikern sind Rachegefühle. Es wird behauptet, daß Donald Trump nur Präsident werden wollte, weil Obama ihn öffentlich herabgewürdigt hatte. Von Beppe Grillo weiß man, daß er seit den 80ern eine Rechnung mit den italienischen Sozialisten offen hat. Und noch eine mit der deutschen Sozialdemokratie, die ihn als Clown abgestempelt hatte. Nun meldet sich Frau Clinton als Racheengel, der der sicher geglaubte Wahlsieg von Dr. Merkel verpatzt wurde.

Dabei war die deutsche Kanzlerin ja lange Jahre Obamas Kettenhund auf dem europäischen Hühnerhof. Sie wurde dafür von einem amerikanischen Ostküsten-Wichtigtuer-Magazin immer wieder zur mächtigsten Frau des Jahres gewählt. Die globalistische Politik der amerikanischen Leitmedien und der Demokraten ist inzwischen gescheitert und nun wird die Schuldige gesucht. Vielleicht kein Zufall, daß das nach den Midtermwahlen in Amerika geschieht, wo den Demokraten ein Sieg neuerlich verwehrt blieb.

Alle europäischen Freunde der amerikanischen Demokraten sind weg: Renzi, Cameron, Tusk, Hollande und Faymann sind nicht zuletzt an der Sturheit des preußischen Hosenanzugs gescheitert. Immer konnten die rechten Wahlsieger und die Brexit-Anhänger ihre Bürger mit dem Berliner Schreckgespenst ängstigen. Nun wurde Dr. Merkel medienwirksam entfreundet.

„Ich denke, Europa muss die Migration in den Griff bekommen, weil diese die Flamme angezündet hat“, sagte Clinton und sprach im Rahmen einer Reihe von Interviews mit hochrangigen politischen Persönlichkeiten mit dem Londoner Guardian über den Aufstieg von Populisten, insbesondere auf der rechten Seite, in Europa und Amerika.

„Ich bewundere die sehr großzügigen und mitfühlenden Ansätze, die besonders von Führungskräften wie Angela Merkel durchgesetzt wurden, aber ich denke, es ist richtig zu sagen, dass Europa seinen Teil getan hat und eine sehr klare Botschaft aussenden muss: „Wir werden es nicht weiterhin können für Zuflucht und Unterstützung zu sorgen“, denn wenn wir uns nicht mit der Migrationsproblematik beschäftigen, wird dies dazu führen den politischen Körper weiter zu grillen.“

Dr. Merkel will genau das Gegenteil einer Korrektur: Niemand darf jemals mehr das Wort zweitausendfünfzehn aussprechen, ihre Politik darf nicht in Frage gestellt werden. Als Schlußstein ihrer fragilen Asylarchitektur will sie nun noch den Migrationspakt unterschreiben. Ein Dokument, das jegliche vernünftige Kritik an ihrer Politik geradezu kriminalisiert.

Die amerikanische Ostküste will die unflexible Merkel weghaben, die in ihrem selbstgerechten Lügenkokon gefangen ist und die Weltgemeinschaft spaltet. Es sind ja nicht die pazifischen Atolle, sondern große und volkreiche zivilisierte Demokratien, die Merkel beim Migrationspakt nicht in den sicheren Untergang folgen wollen.

Die amerikanische Ostküste betet offensichtlich jeden Abend für den Sieg von Friedrich Merz beim Ringen um den CDU-Vorsitz. Für Präsident Trump dagegen ist der Verbleib von Dr. Merkel im Kanzleramt wie eine Versicherung die Präsidentenwahl in zwei Jahren wieder zu gewinnen. Sie spannt die ideale Projektionsfolie für seine Argumente.

Das Parteitagsdelegiertenpersonal der CDU ist meines Erachtens nach zu beschränkt, um das zu begreifen. Es sind zu 90 % Leute, die das Wort Weltpolitik nicht buchstabieren können, jedoch in wahnhafter Selbstüberschätzung glauben die Welt retten zu können. Die beim Parteitag in die Zeitung schauen und diejenige wählen, die bei den etwas nachhängenden Berliner und Hamburger Journalisten am besten ankommt. Es entsteht wiedermal eine Paradoxie der Weltgeschichte, daß diejenigen, die Trump am meisten hassen, seinen Erfolg verstetigen. Orbán Victor wußte wohl, warum er Merkel den Czókolja a kesét (Wienerisch: Kiss die Haaand) verpaßt hat. Solange Merkel in der Welt herumwütet, brauchen sich die sog. Populisten keine Sorgen machen.

Die CDU wird den Notausgang verpassen und Frau Kramp-Karrenbauer wählen. Das ist etwa so zielführend wie die Kür von Egon Krenz als Honecker-Nachfolger im Herbst 1989. Damals fragte das Volk: „Großmutter, warum hast du so große Zähne?“ Eine Bemerkung über AKKs Gebiß werde ich mir an dieser Stelle schenken, nicht jedoch ein Urteil über ihre Glaubwürdigkeit. Ich denke, wer unter Dr. Merkel gearbeitet hat, ist – das ist so eine Floskel aus der Russenzeit – moralisch verschlissen.

Auch beim Tod von Breshnjew kam man im Politbüro erst nach weiteren zwei Todesfällen zum Schuß. Andropow und Tschernenko verzögerten die Reform noch zwei quälend lange Jahre, bis Gorbatschoff ans Ruder kam. Ihm wird gerade in Moskau viel Schlechtes nachgesagt, zu seiner Ehre muß man jedoch erwähnen, daß er den Eisernen Vorhang öffnete, weil das die Voraussetzung war, um Rußland technisch zu modernisieren. Begleitet von einigen Irrtümern und Fehlgriffen ist das Ziel unter Putin letztlich erreicht worden. Wiederum nach einer weiteren Fehlbesetzung des höchsten Amts.

Nicht nur in Berlin, auch in Moskau, Washington, London und Paris kam es gelegentlich zu unglücklichen Personalentscheidungen. In Berlin liegt die letzte glückliche Wahl mit der Ernennung von Bismarck und dem Amtsantritt Friedrich Eberts schon hundertfünfzig bzw. hundert Jahre zurück. An Berlin klebt seither das Pech. Hitler, Ulbricht, Honecker und Dr. Merkel.