Zweifel an den Reichswerken Peter Altmeier

Peter Altmeier ist der mollige Bundeswirtschaftsminister aus dem Saarland. Er will Industriepolitik machen, wie es verharmlosend heißt. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um eine Planwirtschaft, wie sie schon sein Landsmann Honecker im Schlepptau der Moskowiter befohlen hat. Nur daß die Spiritus Rectoribus heutzutage nicht Lenin und Stalin heißen, sondern Latif und Schellnhuber.

Die Strategie des Wirtschaftsministers läuft darauf hinaus, den Elektromotor und die Batteriefertigung zu fördern. Nun sind das beides Komponenten, die man billig aus Asien importieren kann. Die dort schon seit geraumer Zeit hergestellt werden. Der CDU-Politiker will also mit eigenen Batterien tollkühn an der Ostfront angreifen, wo der Gegner gut aufgestellt ist und die Vorteile der Massenproduktion, niedriger Löhne und der Erfahrung genießt. Wo die Front gut befestigt ist.

Auch Japan macht Industriepolitik. Das ist dort Tradition und war in den 70ern sehr erfolgreich, weil es nur darum ging europäische Technologien effizienter nachzubauen, ohne viel Innovation zu benötigen. Japan setzt jüngst auf die Brennstoffzelle, und damit auf eine Neuerung.

Die deutsche Autoindustrie (außer dem Staatskonzern VW) setzt auf Technologieoffenheit, das heißt Elektromobilität, Verbrennungsmotoren und die Wasserstofftechnologie sollen weiter verfolgt werden, um zu sehen, was sich zum Schluß verkaufen läßt und technisch sowie wirtschaftlich überlegen ist. Alles auf die Elektrokarte zu setzen scheint zu riskant.

An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf deutsche Industriepolitik. Ich will mich hier mal auf die Solarindustrie, synthetisches Benzin, synthetisches Kautschuk (BuNa) und die Reichswerke Hermann Göring beschränken. Die Verstaatlichung der sächsischen, thüringischen, mecklenburgischen und brandenburgischen Industrie von 1945 bis 1990 war ein extra Kapitel, weil sie nach einem verlorenen Krieg von Ausländern verfügt wurde.

Beispiel 1: Am Ende der 90er Jahre begann eine regelrechte Solareuphorie in Medien und Politik. Es herrschte Aufbruchstimmung wie in der Technoblase. Die Sonne schien der Planet der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein und die Erde ihr Schnorrer. Von der Verbandsseite der regenerativen Energiewirtschaft habe ich mal einige damalige „Erfolgsnachrichten“ zusammengestellt, um den grünen, roten und schwarzen Narren in Politik und Medien den Spiegel vorzuhalten:

27.06.1997 Einziger Solar-Siliziumproduzent Deutschlands. Die Bayer Solar GmbH hat Freiberg/Sachsen 48 Mio. DM in ein Werk für Solarsiliziumscheiben (Wafer) investiert. Der mit 90 Mitarbeitern einzige Produzent Deutschlands soll jährlich 6 Mio. Wafer (9 % des Weltmarktes) herstellen.

17.03.1998 Neue Solarfabrik in Thüringen. Am Standort Rudisleben, Thüringen, entsteht eine Solarfabrik der Firma Antec Solar GmbH mit einer Jahresgesamtleistung von 10 MW Dünnschichtsolarzellen aus einer Cadmium-Tellurid-Sulfid-Verbindung (CTS-Technologie). Zu den Investitionskosten von insgesamt 60 Mio. DM steuern das Land Thüringen ca. 20 Mio. DM und das Bundesforschungsministerium weitere 6,9 Mio. DM bei. Zusammen mit den Solarfabriken in Gelsenkirchen und Alzenau wird in Deutschland damit eine Produktionskapazität von 50 MW, das sind rund ein Drittel des Weltbedarfs, erreicht.

24.04.1998 Börsengang der SOLON AG. Die Berliner SOLON AG plant für das 3. Quartal 1998 den Gang an die Börse. Insgesamt soll ein Gesamtvolumen von 2 Mio. DM plaziert werden.

28.07.1998 Solarmarkt in Deutschland boomt. Gestern teilten namhafte Experten, darunter Prof. Luther vom ISE, Prof. Fisch von der TU Braunschweig und Herr Ziesing vom DIW, auf dem Internationalen Sonnenforum in Köln mit, daß der Photovoltaik-Markt in Deutschland 1997 um etwa 30 % auf einen Systemwert von 160 Mio. DM bei 11 MW installierter Leistung gewachsen sei.

07.04.1999 Erfolgreicher Börsenstart der Solarstrom-Aktie der S.A.G. Solarstrom AG.

27.05.1999 Chinesische Wissenschafts- und Wirtschaftsdelegation im solid. Eine chinesische Delegation unter der Leitung des Vizepräsidenten der Universität für Wissenschaft und Technologie Nanjing, Prof. Xu Fuming, hat sich beim Solar-Informations- und Demonstrationszentrum (solid), Fürth, über den Stand der Solartechnik informiert.

29.07.1999 SolarWorld AG geht an die Börse.

15.11.1999 Verbände fordern erhöhte Einspeisungsvergütung für Solarstrom. Eine kostenorientierte Vergütung von Solarstrom soll die Grundlage für eine Massenproduktion von Solaranlagen und den Einstieg ins Solarzeitalter schaffen.

17.11.1999 Solarzellenfabrik eröffnet. Die weltweit modernste Solarzellenfabrik in Gelsenkirchen ist eröffnet. Das Werk verfügt über eine Produktionslinie mit einer Jahreskapazität von 10 MW (entspricht ca. 5 Mio. Solarzellen).

25.11.1999 SolarWorld AG erwartet Umsatz- und Ertragszuwachs. Aufgrund der Entscheidung der Bundesregierung zur Zahlung einer kostenorientierten Vergütung von 0,99 DM / kWh für Solarstrom erwartet die SolarWorld AG, Bonn, erhebliche und nachhaltige Auswirkungen auf die eigene Umsatz- und Ertragslage.

30.11.1999 SOLON AG: Durchbruch für Solarstrom mit neuer 99 Pfennig-Regelung. Die SOLON AG für Solartechnik, Berlin, erwartet durch die künftig sechsfach höhere Vergütung von Solarstrom eine deutliche Ausweitung ihres Geschäftes.

31.01.2000 Bundeskanzler Schröder besichtigt am heutigen Montag zusammen mit dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, die neue Shell Solarzellenfabrik in Gelsenkirchen. Das Projekt wurde gefördert vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen.

29.02.2000 S.A.G. Solarstrom AG baut Solarkapazitäten stark aus. Die S.A.G. Solarstrom AG begrüßt die Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) als „Meilenstein der deutschen Energiepolitik.“

08.05.2000 Minister Vesper: „Die Produktion von Solarzellen muss drastisch erhöht werden.“ So forderte der Minister die Shell AG auf, die zweite Fertigungsstraße in der Solarfabrik in Gelsenkirchen jetzt zu errichten.

Soweit die Narren-Nachrichten von damals. 2000 gab es noch nicht einen einzigen namhaften chinesischen Hersteller von Photovoltaikmodulen. Mit deutschen Fördermilliarden wurde die chinesische Konkurrenz am Anfang der Nullerjahre auf die Beine gestellt. Sie produzierte von Anfang an nicht für China, sondern für Deutschland, das weltweit 53 % der Anlagen baute. 2009 berichtete der Focus: „Von den weltweit sieben größten Herstellern von Photovoltaikprodukten waren 2009 vier Hersteller in chinesischer Hand: Suntech, JA-Solar, Yingli Green Energy und Trina Solar. Sie sind vor allem mit dem deutschen Markt groß geworden. Denn in China selbst sind bislang nur zwei Prozent der weltweiten Photovoltaikleistung installiert, in Deutschland sind es 53 Prozent. Q-Cells aus Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt ist die einzige deutsche Firma, die im Konzert der ganz Großen mitspielt. Die Bonner Solarworld schafft es gerade so in die Top 15.“

Das war 2009. Als Notbremse wurden Schutzzölle für die deutsche Solarindustrie eingeführt, aber selbst das nutzte nichts mehr. Staatliche Milliarden sind für einen Industriezweig verpulvert worden, der nicht nur wegen den Chinesen, sondern auch wegen der Unberechenbarkeit der Sonnentätigkeit definitiv am Ende ist. 2017 war der letzte große Solarbetrieb Deutschlands – Solarworld – pleite.

Beispiel 2: Bereits in den 20er Jahren wurde in Hydrierwerken Ottokraftstoff aus Kohle hergestellt, denn die deutsche Erdölförderung hielt mit dem Verbrauch nicht Schritt. Natürlich war die Produktion gemessen an der Erdölverarbeitung zu teuer, so daß bereits am 14. Dezember 1933 ein staatliches Förderprogramm mit Mindestpreisgarantie vereinbart wurde. Vor allem wegen der damaligen Nichtexistenz eines Weltmarkts und der militärstrategischen Bedeutung des Kraftstoffs.

Die Produktion, vor allem in Leuna, erreichte 1943 ein Peak von 5,7 Mio t, um danach zu sinken. Westdeutschland wurde nach 1945 an den Weltmarkt angegliedert und mit Ölprodukten versorgt. In der DDR wurde die Produktion noch bis in die 70er Jahre fortgeführt und nach Fertigstellung der Erdölleitung Druschba und des PCK Schwedt eingestellt. Die Produktion von Kraftstoff aus Kohle war eine Notlösung, deren Unwirtschaftlichkeit allen Akteuren von Anfang an klar war. Trotzdem wurde von 1928 bis 1972 daran festgehalten.

Beispiel 3: Ein weitere industrielle Sackgasse war die Produktion von synthetischem Kautschuk in Korbetha und Schkopau. Auch hier war der eigentliche Grund der Erdölmangel. Insbesondere für die Reifenproduktion war der Rohstoff erforderlich. Die Produktion begann 1937 im Rahmen des staatlichen Vierjahrplans. Das Problem war und blieb, daß für die Produktion einer Tonne BuNa etwa 40.000 kWh Strom gebraucht wurden. Die Produktion wurde nach 1945 unter russischer Leitung fortgeführt. 1952 wurde der Betrieb ein Volkseigener Betrieb VEB und blieb ein zentrales Anliegen des Siebenjahrplans und der Folgepläne. Etwa ein Zehntel der Stromproduktion der DDR soll in das Werk geliefert worden sein. Den Genossen war klar, was das für ein Mist war, aber solange russische Panzer im Heimatland standen, ging es nicht anders. Die Herstellung war extrem gefährlich. Immer wieder kam es zu Explosionen und Verpuffungen. 1991 hatte ich den damaligen Bürgermeister von Korbetha kennengelernt, der bis 1990 im Werk gearbeitet hatte. Sein größtes Erlebnis war, von einer Druckwelle zehn Meter durch den Raum geschleudert worden zu sein. 1990 nach Anschluß der DDR an den Weltmarkt wurde das Werk rückgebaut.

Beispiel 4: 1937 wurden die Reichswerke Hermann Göring gegründet, um zunächst minderwertiges Eisenerz in der Gegend von Salzgitter zu fördern und in Stahlwerken zu verarbeiten. In den Folgejahren wuchs der Betrieb wie ein Krebsgeschwür. Immer neue Betriebe in den besetzten Gebieten wurden eingegliedert. Nach 1945 wurde der geschrumpfte Betrieb als „Reichswerke AG für Berg- und Hüttenbetriebe“ weitergeführt und 1962 in „Salzgitter AG“ umbenannt. Die war Bundesbesitz. 1989 wurde diese AG nach zahlreichen Betriebsschließungen, Krisen und Rettungen an die teilprivatisierte Preussag AG verkauft, der Stahlbereich wurde 1998 ausgegliedert und ist als Salzgitter AG wieder selbständig. 26,5 % gehören dem Land Niedersachsen. Der Umsatz betrug 2016 7,9 Mrd. €. Die Salzgitter AG ist eines der wenigen industriepolitischen Projekte des Staats, welches die Zeiten überlebt hat. Allerdings inzwischen mehrheitlich im Streubesitz.

Insgesamt ist die Bilanz staatlicher Industriepolitik dürftig. Die Schaffung einer deutschen Solarindustrie endete im völligen Desaster. Synthetisches Benzin und synthetisches Gummi waren Notlösungen der Kriegs- und Mangelwirtschaft und sind mit deren Ende den Bach runtergegangen. Die Reichswerke Hermann Göring sind arg geschrumpft teilprivatisiert worden. Dasselbe trifft übrigens auf VW zu. Aber letztere Firma befindet sich in einer kritischen Phase. Da ist der Staatseinfluß offensichtlich schädlich.

Der Wunsch der Bundesregierung nach einer autarken Batteriefertigung ist ersatzreligionsgetrieben und wird vermutlich scheitern. Seltsam, daß die CDU so einen Schmarrn will. Im Neuen Testament ist nirgends von staatlicher Förderung der Wirtschaft die Rede. Im Gegenteil: Die Wechsler und Händler wurden aus dem Tempel getrieben.