Gesinnungsdiktatur gab es schon immer

Der verwunderte Zeitungsleser nimmt immer öfter zur Kenntnis, daß das Mittun im öffentlichen Raum von der Gesinnung abhängig ist. Kürzlich betraf es eine Ausstellung, wo ein umstrittener Künstler nicht zu suchen hatte, eine Bibliothekarin war ebenfalls untragbar geworden, im zwangsfinanzierten Staatsfernsehen dürfen nur noch merkeltreue Mainstreamkasper auftreten. Gaststätten verrammeln sich und gehen lieber pleite – wie einige Wirtschaften in Regensburg – als sog. „Rechte“ zu bewirten. Ein Kreuzfahrtschiff durfte in Kiel nicht mehr pünktlich ablegen. In einigen Schulkantinen wird überlegt Schweinefleisch zu verbieten. RWE darf ein Waldstück für den Braunkohleabbau nicht abholzen.

Gerade habe ich einen Beleg gefunden, daß das im Dritten Reich auch schon so war. Das Protokollbuch von der Gemeinderatssitzung in Mechelroda vom 21.03.1934 beweist das: „Heute abend um 8 Uhr fand die Gemeinderatssitzung statt im Schorchtschen Gasthof. Die Sitzung wurde eingeleitet durch die Übertragung der Rede des Führers als Auftakt zur Arbeitsschlacht 1934.“

Im Tagesordnungspunkt 6 ging es um den Gemeindediener: „Der Gemeindediener Reinhold Brückner legt sein Amt zum 1. April 1934 nieder, bei der nächsten Gemeinderatssitzung wird die Stelle gegen Mindestgebote neu vergeben, sofern der Bewerber unbescholten ist und auf dem Boden der N.S.D.A.P. steht.“ In der folgenden Gemeinderatssitzung am 28. März 1934 wurde ein neuer Gemeindediener für 50 RM jährlich angestellt. Für besondere Arbeiten bekam er Gutsarbeiter-Tarif. Ob er tatsächlich auf dem Boden der Partei stand oder nur so getan hat, um den Job zu bekommen, und wie man die feste Verankerung des Kandidaten im damaligen Mainstream überhaupt geprüft und berücksichtigt hatte, geht aus der Niederschrift nicht hervor.