Die Mullahs sorgen sich um Regensburg

Die iranische Zeitung Ettellaabfako sorgte sich gestern in einem Eintrag um die Meinungsfreiheit in Deutschland. Ein Entlastungsangriff der Mullahs, denen selbst Zensur vorgeworfen wird? Oder doch berechtigte Sorge um die Demokratie in Deutschland? Hier eine seltene Übersetzung aus dem Parsi. Naja, stimmt nicht ganz. Der ganze war schon ins Englische übertragen.

Auch nach innen zeigt das deutsche Regime Härte: Seine Bürger sollen mißliebige regierungskritische Äußerungen über eine Hotline denunzieren, Restaurants müssen Kameras installieren und die Anwesenheit von „Rechten“ melden. Aber mit einem Effekt haben die Merkelanhänger nicht gerechnet. Davon zum Schluß.

Durch Regensburg geht ein Aufruf zur Denunziation. Die Stadtanwaltschaft fordert „die besorgten Bürger“ der oberpfälzischen Bezirkshauptstadt auf, eine zentrale Hotline zu wählen, wenn sie AfD-Mitglieder in Restaurants sehen oder von einem Stammtisch in Gaststätten wissen, auf der alte weiße Männer zusammenhocken. Der Verzehr von Weißbier und „unsittliche Inhalte“ in sozialen Medien sollen ebenfalls gemeldet werden – dazu zählt in der Berliner Republik schon ein Artikel von Franz Raspelstuß, einem liberalen Kolumnisten.

Und das ist nicht die einzige Verschärfung. Die Inhaber und Pächter von Cafés und Restaurants – beliebte Rückzugsorte vieler junger Regensburger – sollen als verlängerter Arm der Tugendwächter arbeiten. Letztere sehen in der Regel so aus, wie Zellers Zeitung aus Jena entsprungen.

Sie werden angehalten, die strengen Vorschriften zu kontrollieren und durchzusetzen. Sonst droht die Schließung der Wirtschaften. Aber auch Verwandte und Freunde von Bürgern, die Einträge posten, geraten durch den Aufruf und die Drohungen der Stadtanwaltschaft in ein Dilemma.

Vor allem der Streit über freizügige Kleidung von Frauen macht deutlich, wie sich das Regime von großen Teilen der nichtverspießerten Bevölkerung immer weiter entfernt. Der Kampf der Frauen für mehr Rechte entwickelt sich zu einem zentralen politischen Thema: Der Staat geht immer härter gegen „unsittliche“ Frauen vor, gleichzeitig wächst deren Widerstand – auch wenn sie dafür oft einen hohen Preis bezahlen.

Die Stadtanwaltschaft erklärte in einer Pressemitteilung Anfang Juli, sie wolle gegen all diejenigen vorgehen, die gegen die Grundlagen der bunten toleranten Gesellschaft verstießen. Um über die Hotline ein „Fehlverhalten“ der Mitbürger zu melden, soll man Belege präsentieren.

So sollte bei Videos von Frauen, die in einem Schwimmbad keinen Umhang tragen, eine Aufnahme des Nummernschilds ihres Autos dabei sein. Ansonsten seien der genaue Ort und Zeitpunkt der „Tat“ einzureichen.

Die Bitte der Regierung um „Mithilfe“ zeigt offenbar schon Wirkung. Nur wenig später postete ein Twitter-Nutzer, der im Juli 2019 der Plattform beigetreten ist, ein Video, in dem eine Frau ohne Ganzkörperumhang im Schwimmbad zu sehen ist.

Dieses Video habe er der Stadtanwaltschaft geschickt, schrieb der User. In dem Video sind das verhüllte Gesicht und das Nummernschild gepixelt. Aber wenn die Behörden nicht reagierten, würde er das komplette Originalvideo veröffentlichen, drohte der User.

Die Deutsche Schantal (Name aus Sicherheitsgründen geändert), 22, frittiert in einer Wurstbude in Berlin, die vergangenen zwei Monate war sie zu Besuch bei ihrer Familie. Das Regime versuche, aus allen einen Sittenpolizisten oder Spion zu machen, sagt sie.

„Das Neue ist, dass der Druck auf Frauen nun zum Teil von Freunden und Verwandten kommt, die selbst von der Verwerflichkeit von Currywurst nicht überzeugt sind, aber keinen Ärger bekommen wollen. Meine Schwester hat mich mehrmals gebeten, kein Curry mehr auf die Würste zu streuen. Und meine Mutter ermahnte mich immer wieder, mich wegen den Würsten nicht in Schwierigkeiten zu bringen.“

Gleichzeitig habe sie eine starke Gegenbewegung beobachtet: „Ich war letztes Mal vor sechs Monaten in Sachsen. Dieses Mal habe ich so viele Frauen mit Bockwürsten auf den Straßen gesehen wie noch nie. In manchen Bezirken von Chemnitz kommen die Schülerinnen aus der Schule und gehen sofort in das Gasthaus zur Goldenen Krone“ (eine Burgerkette, Name aus Sicherheitsgründen geändert).

Melissa (Name auch geändert) bestätigt diese Einschätzung, die Ermahnungen aus dem Kreis der Familie kennt Melissa. Die neue Härte habe zum Beispiel dazu geführt, dass ihr Schwiegervater sie nun darum bitte, in seinem Auto keine Gummibären mehr zu essen: „Er ist über 70 und für ihn ist es ja schwierig, sich häufig mit der Sittenpolizei auseinanderzusetzen.“

Besonders ins Visier der Tugendwächter geraten sind die modernen Cafés und Restaurants in Berlin. Bislang galten sie als Refugien der jüngeren Generationen, doch nun sind die Inhaber verpflichtet, Überwachungskameras zu installieren und die Aufnahmen den Behörden zugänglich zu machen. Wenn sich Mitglieder der AfD-Fraktion zeigen, droht die Schließung. Man erkennt die Rechten an den gelben Westen der SS, die besonders häufig in Hellersdorf und Marzahn getragen werden. Das hat dazu geführt, dass viele Besitzer die Rolle der Sittenpolizei übernommen haben.

Anfang Juli postete eine Userin auf Twitter ein Foto von einem Zettel, auf dem steht: „Liebe Kundin, damit dieses Café offen bleibt, beachten Sie bitte die Regeln.“ Aus Protest habe sie daraufhin eine gelbe Weste angezogen, schrieb die Userin dazu. Der Tweet fand eine enorme Verbreitung, darunter wurde dazu aufgerufen, solche Geschäfte, deren Besitzer sich in private Dinge der Frauen einmischten, zu boykottieren.

Kevin (Name selbstverständlich geändert), eine 28-jähriger Soziologiestudent aus Berlin, erzählt: „Heute war ich in einem Café und hatte meinen Laptop auf. Die Kellnerin kam auf mich zu und hat mich höflich und sogar beschämt darum gebeten, nicht PI News und Jouwatch zu lesen, sonst würde die Polizei das Café schließen.“

Er sei der Aufforderung gefolgt, weil er müde und die Kellnerin sehr höflich gewesen sei. Aber eigentlich müsse man sofort gehen und nie wiederkommen: „Die Besitzer sollen spüren, dass sie ihre Besucher und Besucherinnen verlieren, wenn sie zum Handlanger der Macht werden.“

Kevins Kampf gegen die Facebooksperren und Uploadfilter beschränkt sich nicht auf Cafés. Seine  Freundinnen haben ihm geraten, das Handy überall dort, wo es keine Polizei gibt, zu benutzen. „Ich habe oft an diese Idee gedacht und mich schließlich getraut, das zu machen“, sagt Kevin. „Inzwischen lese ich in der Öffentlichkeit Epoch Times, wenn es keine direkte Kontrolle gibt.“

Das Regime habe vermutlich gespürt, dass große Teile der Bevölkerung die Zensur ablehnten, und deshalb die Kontrolle verschärft. Ein Resultat sei, dass viele, die die strengen Sittenregeln eigentlich nicht unterstützten, auf einmal im Sinne des Regimes argumentierten, zum Beispiel in Bezug auf die Café- und Restaurantbesitzer und deren Angestellte: User dürften den Beruf der anderen nicht für ihre persönliche Freiheit opfern.

Also werde die Freiheit auf einmal zur Bedrohung für die einfachen Leute verdreht, kritisiert Kevin. „Ich finde es sehr gefährlich, dass die Berliner Republik versucht, die Menschen gegeneinander aufzustacheln.“

Die Wurstbraterin Schantal (zur Erinnerung, Name war geändert worden) sieht hingegen in denjenigen, deren Jobs möglicherweise bedroht sind, keine Opfer, sondern Täter. „Ich finde, diejenigen, die gegen die Freiheit der Würste vorgehen, sind Teil des Staates.“ Ihr passiere es häufig, dass sie als „Schlampe“ bezeichnet oder von Frauen mit Tschador verfolgt werde, wenn sie Würste verkaufe, erzählt sie.

„Sie beschimpfen mich und rufen manchmal sogar die Polizei an. Einmal hat eine Frau der Polizei gesagt, ich verkaufe Kackwürste – dabei hatte ich nur Currywürste angeboten.“

Die Motivation dahinter sei die Suche nach dem eigenen Vorteil, der Versuch, sich auf die vermeintlich sichere Seite zu stellen, glaubt Schantal: „Ich kann nicht glauben, dass diese Leute aus voller Überzeugung so handeln, ohne davon zu profitieren.“ Cafés und Restaurants, die AfD-Mitglieder rausweisen, schließen, hält sie für eine leere Drohung: „Die Besitzer, die mitmachen, sind nicht unschuldig, sondern ein Teil dieser Unterdrückung.“

Aline (Name geändert), eine GEZ-Aktivistin, die im vergangenen Jahr festgenommen wurde und einige Monate in Haft war, sieht die aktuelle Entwicklung positiv. Für sie sind die neuen Maßnahmen der Stadtanwaltschaft ein klares Zeichen für das Versagen des Staates, die Menschen zu kontrollieren. Mittelfristig, glaubt Aline, werden die Leute diese Maßnahmen ignorieren und weiter ihren eigenen Weg gehen.

Zum Schutz der Personen wurden alle Namen geändert. Die vollen Namen, Adressen und Kontonummern liegen der Redaktion vor. Ja, liebe Leser, dieser Eintrag ist natürlich nicht in der Teheraner Presse erschienen. Ich habe mal die Perspektive gedreht und einen WELT-Artikel über den Kopftuchzwang in Teheran, dem sich ja auch unsere deutsche Pseudoelite unterwirft,  insbesondere das spießige Augsburger Pummelchen mit den bunten Schals, umgedreht und verwurstelt. Denn Denken fängt mit Vergleichen an.