Die AfD im Wandel der Zeit

Bei einer Wahlveranstaltung von Bernd Lucke in Erfurt im Herbst 2013 lernte ich einige thüringische AfD-Gründer kennen bzw. ich sah sie dort zum ersten Mal. Unter diesen politischen Neulingen waren fünf Rechtsanwälte, ein ehemaliger Landrat, ein Lehrer, ein Herbergswirt, ein Fachschulprofessor, eine Zahnärztin, ein pensionierter Polizeipräsident, ein ehemaliger Landesbankpräsident, ein Bundeswehroffizier, ein Angestellter der Stadt Erfurt sowie einige Personen, an die ich mich jetzt nicht mehr deutlich erinnere. Es überwog ganz klar das Personal des Staatsapparats einschließlich der im staatlichen Vorfeld arbeitenden Freiberufler. Diese Schichten werden und wurden von den Altparteien eigentlich ausreichend repräsentiert.

Tempi passati. Vor ein paar Tagen war ich bei einer Mitgliederversammlung der Partei an einem geheimgehaltenen Ort. Dabei fiel mir ins Auge, daß die soziologische Komposition sich doch sehr gewandelt hat. Die Mitgliederzahl ist seit 2013 gewachsen. In dem besuchten Kreisverband waren 2013 sieben Leute aktiv, inzwischen ist die Mitgliederzahl auf über 140 hochgeschnellt.

Die Beamten und Staatsangestellten sind schon lange nicht mehr in der Mehrzahl. Die AfD hat vor allem aus dem gewerblich-technischen Bereich viele Mitglieder und noch mehr Anhänger gewonnen. Das ist insofern erfreulich, weil die Arbeiter und Gewerbetreibenden seit zwei Jahrzehnten in den herrschenden Medien und im politischen Getriebe kaum noch vorkamen. Sieht man die neu gewählten Abgeordneten der Kreistage in Thüringen durch, so hat die AfD für diese Klientel fast die Alleinvertretung.  Das ist wiederum die eherne Basis der Stammwählerschaft.

In diesem Meer des Erfolgs und der Zufriedenheit gibt es natürlich bei genauerer Beobachtung auch einige Tröpfchen Gift. Die noch im Berufsleben stehenden Sympathisanten treten in der Regel erst in die AfD ein, wenn sie kurz vor der Rente stehen, weil sie nicht unbegründet berufliche Nachteile fürchten, wenn sie sich offen zur AfD bekennen. Das Durchschnittsalter der Mitglieder ist deshalb deutlich höher, als das der Anhänger und Wähler.

Auch trauen sich Bürgermeister nicht in die Partei einzutreten, was die Kompetenz in kommunalen Angelegenheiten senkt.

Willi Bredel hatte 1941 im Roman „Die Väter“ rückblickend das Milieu der spätkaiserzeitlichen SPD beschrieben, das Buch war in der Russenzeit in der Abiturstufe Pflichtlektüre, und ist dem Autor dieser Zeilen deshalb geläufig. Das Parteileben der SPD wurde durch eine kleinbürgerliche relativ uniforme Kultur bestimmt, die gemeinsamen Gartenfeste und Ausflüge überwucherten fast die politische Agenda. Bredel stellte diese Kleineleutekultur – er schrieb ja unter den strengen Augen von Väterchen Stalin – kritisch dar, in der Komintern war in den 30ern und 40ern gerade der Kampf gegen die Verbürgerlichung der Arbeiterklasse angesagt. Deshalb mag Bredel auch etwas überzeichnet haben. Wir mußten als Schüler das Weinert-Gedicht vom Postbeamten Emil Pelle, der in seiner Kleingartenparzelle den Klassenkampf aus den Augen verliert, auswendig lernen, um uns gegen den kleinbürgerlichen Teufel – wie er von Bredel beschrieben wurde – und seine seichten Versuchungen zu wappnen.

Diese untergegangene Kultur der Events und der Gartenfeste wird in einigen Kreisverbänden der AfD wieder gepflegt. Im Burgenlandkreis findet auch jedes Jahr eine Wanderung im Saaletal statt, an der neben Mitgliedern Anhänger und Sympathisanten teilnehmen. Willi Bredels Welt der Gesinnungsgenossenschaft der Schaffenden ist wieder am Erblühen, wenn auch nicht unter roten, sondern unter blauen Fahnen.

Die SPD hatte während der Zeit der Sozialistengesetze 1878 bis 1890 manche Drangsalierungen des damaligen Mainstreams zu überstehen. Das stärkte letztlich den Zusammenhalt in der Partei und führte in eine Bunkermentalität, die sich nach Aufhebung der Gesetze nur langsam verflüchtigte. Ähnliche Verhältnisse herrschen in der AfD. Es liegt immer ein Hauch von Abenteuer, Revolutionsromantik, Konspiration und Untergrund in der Luft, egal ob man plakatiert, Flugschriften steckt, einen Stand betreibt oder auch nur eine Versammlung besucht. Der von den hysterischen Medien gezüchtete Odem der Verruchtheit hat auch seine guten Seiten. Die AfD wird von ängstlichen Anpassern nicht gerade überlaufen und der Wähler belohnt immer wieder den Mut und die Opferbereitschaft der AfD. Die Mitglieder der AfD fühlen sich als Helden, schon bevor die unterbelichtete faschistoide Merkel-Demokratur zusammengebrochen ist.