Vor 30 Jahren: 85 % für die Nationale Front

Parteichef Honecker lud am 13.10.1989 die Blockflöten zu einer „Beratung über aktuelle Aufgaben bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR“ ein. Dabei teilte er mit, daß dazu die nächste Tagung des Zentralkomitees dem gesamten Volk die Vorschläge der SED unterbreiten werde. Es gehe um die Weiterführung der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik, um wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ihren Nutzen für alle, um demokratisches Miteinander und engagierte Mitarbeit, um gute Warenangebote für die Bevölkerung der DDR und um leistungsgerechte Bezahlung, um lebensverbundene Medien, um Reisemöglichkeiten und gesunde Umwelt. Es gehe um den Beitrag unserer Republik für die Sicherung des Friedens in der Welt, meldete das Neue Deutschland.

Auch Honecker kümmerte sich also um den Weltfrieden. Seit Hitler hatten die meisten deutschen Parteichefs Größenwahn.

Nach einer späteren Erinnerung des Vorsitzenden der Liberalbolschwisten – Manfred Gerlach – sagte Honecker  bei der Beratung, er könne bei Wahlen mit einer Zustimmung von 85 Prozent leben. Die Kandidaten der Nationalen Front müßten alledings siegen. Im Zentralorgan der LDPD fragte  Gerlach: „Was nützt es, wenn Unzulängliches verbessert wird?“

Tatsächlich kam es umgekehrt, wie von Honecker erwartet: Die SED-Nachfolgerin erhielt im März 1990 bei der Volskammerwahl 16 % und die Nationale Front hatte sich aufgelöst: Die Bauernpartei und die Ost-CDU waren zur West-CDU übergelaufen, die National- und Liberalbolschewisten dockten bei der FDP an. Dabei ging allerdings ein Großteil der Mitglieder verloren.

Eine kleine Episode wie man ganz ohne Kampfeswillen in die Nationale Front hineingeriet: Sehr viele Männer in der Stadt kannten eine schöne große junge Dame, die in etwa der Produktbeschreibung von Schneewittchen entsprach, allerdings mit noch größeren Möpsen und nicht ganz so blaß. Als sie mir über den Weg lief, war sie mit einem Fallschirmjäger liiert und hatte leider gerade den Tripper. An dem Tag, als sie wieder gesundgeschrieben war, ging sie mit ihrem Freund – wie sonst auch – einen trinken. Danach wollte sie ausgehungert wie sie war, endlich wieder Sex, der Fallschirmjäger war aber total besoffen. Er wollte sich vor Verzweiflung wegen seines Versagens aus dem Fenster stürzen. Sie trommelte mich mit viel Geschrei aus der Nachbarwohnung und gemeinsam gelang es uns, die Bierleiche ins Bett zu zerren, wo sie auf dem Rücken liegend und laut schnarchend fest einschlief. Am nächsten Morgen erzählte sie mir, daß sie Junglehrerin sei und von der Schulleitung gedrängt würde Pilei zu werden. Dem wich sie aus, indem sie in die CDU eintrat. Eine Exitstrategie sozusagen. Sie ward einige Jahre später recht fromm, bereute alle Jugendsünden und führte mit einem Kirchenmusiker ein vorbildliches Familienleben.

Zwei Anmerkungen für die Leser aus den Westzonen: Pilei = Pionierleiter, Nationale Front = das Bündnis der Parteien und Massenorganisationen unter Führung der Partei natürlich.