Die Stunde der Hinterzimmer

In Thüringen wird seit zwei Wochen über die anstehende Wahl des Ministerpräsidenten spekuliert und geredet. Bodo Ramelow von den Linken gilt zwar immer noch als Favorit, weil ihm Noch-CDU-Chef Mike Mohring vielleicht den Steigbügel halten wird. Aber abgesehen von einer kleinen Fangroup ist Mohring bei der Basis seiner Partei völlig abgemeldet. Niemand glaubt, daß er bei der Wahl zum MP antritt und seine Halbwertszeit an der Spitze der Thüringen-CDU scheint abgelaufen.

Selbst viele seiner engeren politischen Weggefährten träumen von einem weißen Ritter, der sich im Landtag als Gegenkandidat von Ramelow stellt. Heute abend sprach ich mit einem Mitglied seiner Fraktion und bekam den Hinweis, daß sich auch Leute von außerhalb des Landtags bewerben könnten, zum Beispiel Hans-Georg Maaßen. Oder mein Gesprächspartner selbst. Aber das habe ich eher als Joke verstanden. Ein ehemaliger CDU-Bürgermeister, den ich heute mittag anläßlich einer Firmengründungsfeier traf, schwärmte von Christine Lieberknecht. Aber auch Mitglieder des neu gewählten Landtags von CDU und FDP werden von Bürgern als MP gewünscht und bekniet. Ich will nicht verraten wer alles, weil die Wahl ein Überraschungscoup werden muß, wenn sie gelingen soll.

Mehrere einflußreiche Freundeskreise von wichtigen Leut haben sich gebildet und rühren in der Nebellandschaft herum. Abgeordneten wird aufgelauert und sie werden beleiert dies und das zu tun. Die Existenz solcher Kreise erinnert an die Endphase der Zone. Auch damals trafen sich Figuren aus dem inneren Zirkel der Macht, aber auch zahllose Klubs, die  eher untere und mittlere Chargen der Nomenklatura und auch Oppositionelle umfaßten. Es wurden tausende Pläne für den Übergang vom sozialistischen Mittelalter in die Neuzeit geschmiedet, um im Dezember 1989 vom entschlossenen Helmut Kohl zu Makulatur gemacht zu werden. Die Absetzung Honeckers gelang noch vorher und war das Ergebnis so einer Absprache im Politbüro.

Besonders aktive Gruppen haben sich derzeit im Kreis Hibu, wo die Werteunion überdurchschnittlich präsent ist, in Weimar und Erfurt gebildet. Es gibt angesichts der Zerfahrenheit der CDU auch Fanclubs der FDP.  Zu den Aktivisten gehören oft höhere Beamte, erfolgreiche Unternehmer, Freiberufler und Kleingewerbetreibende. Selbst Schönheiten aus Nagel-, Fitness- und Kosmetikstudios habe ich mehrmals beim engagierten Politisieren erwischt.

In Kreisen der AfD – insbesondere an der Basis – ist man nicht von jedem möglichen Kandidaten begeistert. Aber es gibt Rauchzeichen aus der oberen Etage, daß eine Minderheitsregierung von CDU und/oder FDP toleriert werden könnte. Ein entsprechender Brief von Björn Höcke – vielleicht als vertrauliches Schreiben an die beiden Parteien gedacht – war zu Tichys Einblick gelangt und dort veröffentlicht worden.

CDU und FDP stehen vor einer schweren Entscheidung: Entweder sie nehmen Höckes Angebot an oder sie versinken in der Bedeutungslosigkeit, werden zwischen Rot und Blau zerrieben. Als ehemaliger Dorfbürgermeister treffe ich immer noch viele Kollegen (meistens CDU-nah), von denen noch keiner die interessante Meinung vertreten hat, daß Mohring mit der Linken kooperieren soll. Die CDU wird im Falle daß Ramelow MP bleibt durch heftige innere Streitigkeiten gelähmt, wenn nicht gespalten werden. Das ist eine recht sichere Prognose. An der bewegten Vergangenheit scheiden sich die Geister. Da können selbst ruhige Vertreter sehr emotional werden.