Der Fanatismus höherer Töchter

Vor ein paar Tagen habe ich mit meiner Freundin diskutiert, ob die Oberschülerinnen und Studentinnen, die „Höheren Töchter“ der 70er und 80er Jahre auch so fanatisch waren, wie Langstreckenluisas schreiende Hüpfdohlen heutzutage. Es handelte sich um 1970 im Kern um eine Auslese aus Parteihaushalten, was letztlich so wie heute eine Rekrutierung der Pseudoeliten aus dem Organisations-, Beamten- und Subventionsadel war.

Die FfF-Hüpfbewegung wird von den Systemmedien aufgeblasen. Aus dem Bekanntenkreis habe ich viele Hinweise (auch von Lehrern), daß es sich um einen recht überschaubaren Kreis von fanatisierten Instrukteurinnen handelt. Viele laufen einfach mit weil sie unter Druck gesetzt werden, und um keine Nachteile zu haben. Das war vor 40 Jahren ganz ähnlich. Wer ging schon freiwillig zum Fackelzug am Republiksgeburtstag oder zum Ersten-Mai-Umzug ? Man trottete hin, weil es erwartet und kontrolliert wurde. Die Zahl der Überzeugten war damals noch kleiner, als 2020. Man nannte das früher „freiwilliger Zwang“.

Die Politisierung der jungen Damen im Sozialismus war mau, die Begeisterung für den Staat bestenfalls lau. In der EOS (=Ost-Gymnasium) standen die Mädchen in den Pausen zusammen und erzählten sich welche Lehrer sie nicht leiden konnten oder wer gerade gesponnen hatte. Manchmal wurden die Abenteuer von der letzten Redutte erörtert. Eine Schöne aus unserer Klasse war mal der Held des Tages, nachdem sie einer besonders arroganten Studentenziege die Hochzeit vermasselt hatte, indem sie beim Polterabend den Bräutigam in seinem Trabantkombi geschnackselt hatte. Die Blattfedern der Hinterachse wippten, alle Gäste freuten sich mit, außer die Braut.

Die Oberschülerinnen gaben sich lieber mit Lehrlingen als mit Mitschülern ab, weil erstere sich von der Lehrlingsrente Motorräder leisten konnten. Die Jungs in der EOS waren zu arme Hunde. Und manchmal waren wir auch zu halbgar. Bei einer Klassenfahrt erbeutete Albi (Name geändert, die Personalien liegen der Redaktion vor) den BH von Pepsi (Name ebenfalls geändert), hängte den an einen Landkartenständer und trug ihn durch die Schule. Das war keine gekonnte Anmache.

Meine Freundin lebte in ihren erlebnisreichsten Jahren in Berlin-Mitte. Das Heileit an politischem Eskapismus war es ins Kaffee Moskau in der Stalinallee zu gehen, wo der reaktionäre Staatsfeind Biermann im Obergeschoß an guten Tagen seine Gitarre rausholte und vom Mont Klamott oder seinem Freund Franz Villon sang, der ihm den Kleiderschrank versaut hatte:

Da galt das elfte Gebot: Laß dich nicht erwischen. Denn Mama war in der Partei und arbeitete für die Gegenseite. In Berlin waren die Mädchen immer auf der Jagd nach Ausländern und nach Parkas. Der amerikanische Überzieher war in der Preußenhauptstadt und darüber hinaus die begehrteste Jagdtrophäe und das Statussymbol. Im Volkslied hieß es: „Jede Straßennutte hat ne Parkerkutte, aber unsereiner, der hat nix…“

Das Ding durfte man, wenn man es hatte, nie ausziehen, denn wenn man es irgendwo hinhing war es weg. Wie bei Otto Reutter:

Wenn die Leipziger Messe begonnen hatte, waren die Frühzüge nach Leipzig vollgestopft mit jungen Damen aus Schulen, Fabriken, Büros und Verkaufseinrichtungen. Denn wer zieht sich nicht gerne etwas nett an? In Eisenach fuhr der Zug los, in Weimar war er schon gut voll. Ab Naumburg konnte man in den Gängen nicht mehr umfallen, auf den Bahnsteigen standen vor den Zugtüren Trauben, die noch nachdrängten. Alle wollten mindestens Devisen oder noch viel lieber Naturalien wie Netzstrümpfe oder Markenjeans. An den nächsten FDJ-Beitrag dachte in der Reichsbahnnuttenschleuder niemand. Erfahrene Messeaussteller waren auf den Andrang eingerichtet, die wichtigsten Tauschartikel hatten sie mitgebracht. Es gab damals einen Bestseller: „Leipzig im Taumel“ hieß der. Der frivole Messebericht eines Edelmanns aus dem Jahr 1799. Der reisende Messebesucher berichtete in 22 Briefen von selbst erlebten oder ihm zu Ohren getragenen Ausschweifungen mit billigen Straßenschlampen, in spätbarocken Laufhäusern und in frühklassizistischen privaten Sexclubs. Die Wochen nach der Herbst- und Frühjahrsmesse grassierten oft Epidemien von ausländertypischen Krankheiten.

Es gab natürlich auch viele Mädchen, die nach der Schule brav nach Hause gingen und büffelten, an den Hausaufgaben feilten, den Abwasch machten, Topflappen häkelten und die Öfen heizten. Die man nie auf Redutte sah. Aber auch die waren wenigstens nicht politisch.

Im Studium hatte man vor Aktivst*Innen weitgehend Ruhe. Eine einzige Hundertprozentige im Studienjahr war in der Partei und in der Stasi aktiv und eine machte auf Rühr-mich-nicht-an, eine prähistorische Mäh-Too. Es war übrigens interessant, wie wir herausbekommen haben, wer die Agentin war. Der schwache Punkt hieß Frau Scholz und verwaltete im Sektionssekretariat die Bezahlliste vom Parteibeitrag.  In der Mittagspause hatte sie die Angewohnheit das geheime Dokument umzudrehen, auf dem Schreibtisch liegenzulassen und wegzugehen. Die Liste lag also offen rum. Der Normalstudent bekam 140 Mark, der Dreiender das Doppelte und die Leute von Horch und Guck erhielten noch etwa 300 Mark obendrauf. Die mußten deutlich mehr Parteibeitrag zahlen, was man in der Liste nachlesen konnte. Es gibt immer Mittel der Dekonspiration. Man muß nur exzellent beobachten und auf kleinste Details achten. Auch die heutige Merkelgestapo hat ihre Schwachstellen, die fast immer in banalen Charaktereigenschaften verankert sind. Die Häufigsten sind seit Adam und Eva Bequemlichkeit, schlechte Gewohnheiten und Nachlässigkeit.

Die Begeisterung für den Sozialismus und das Klima ist begrenzt. Einige germanische Priesterinnen des Klimakults betreiben ihre Religion allerdings mit Hingabe und Intoleranz. Der profunde Deutschlandkenner Cornelius Tacitus schrieb darüber: „So groß ist die Hartnäckigkeit in der fehlerhaften Sache; sie selbst nennen es treue Ehrlichkeit“. Die letzte härtnäckige und massenhafte Hingabe von weiblichen Fans galt dem Führer. Nie habe ich nach dem Krieg erlebt, daß mal ein Mann was von den Pimpfen oder der HJ erzählt hat. Die BDM-Führerinnen waren aus härterem Holz geschnitzt. Sie trauerten der in ihren Augen großen Zeit noch bis weit in die 60er nach. Ohne jeden Skrupel, öffentlich und bar jeglicher Spur von Selbstkritik. Neigen junge Frauen leichter zum Extremismus?