Deutsche Fahrzeugindustrie ist auf der Flucht

Der deutsche Fahrzeugbau flüchtet vor der Kanzlerin und den Grünen. Ganz umfassende Kenntnisse von den Gründen habe ich nicht. Aber einige liegen offen auf der Hand:

  • niedrige Energiekosten im Ausland
  • Aufgeschlossenheit der Technik gegenüber
  • keine Grünen wie zum Beispiel in China, Polen, Ungarn, Rußland, Rumänien…
  • bessere Bildungssysteme in vielen Ländern
  • geringere Lohn- und Ertragssteuern
  • bessere Infrastruktur (schnelles Glasfaserinternet, Straßen)
  • weniger Vollpfosten in den Medien und deshalb mehr gesellschaftliche Anerkennung

Gerade hat Schaeffler seine Fabrik in Steinamanger (Szombathely, Vas megye) erweitert. Die Stadt hat Bedeutung, weil die heidnischen Italiener den Bischof Quirinus im Jahr 303 im örtlichen Perint-folyo ertränkt hatten. Außerdem wurde hier 316 oder 317 der Heilige Martin von Tours (der mit dem geteilten Mantel) geboren und am 23. September 1997 die LuK Savaria Kft. gegründet. Letztere Schaeffler-Firma hat dort über 100 Mio. Kupplungsscheiben hergestellt.

Derzeit werden 23,5 Mrd. HUF in einen weiteren Standort investiert (ungefähr 70 Mio. €). Fünf Milliarden gibt die ungarische Regierung dazu. Hier noch ein englischsprachiges Video mit den Zeremonien. Außen- und Außenwirtschaftsminster Szijjártó war anwesend:

Ebenfalls auf die Reise in alle Welt geht BOSCH. Seit 1991 gibt es in Ungarn Niederlassungen, inzwischen an neun Standorten (z.B. an der M3 in Eger, Szigetszentmiklós, Miskolc und Hatvan) mit 2018 knapp 15.000 Beschäftigten.  Im Geschäftsjahr 2018 erzielte das Unternehmen einen Gesamtumsatz von 1,317 Mrd. HUF (4,1 Mrd. €) und einen konsolidierten Umsatz der Bosch-Gruppe auf dem ungarischen Markt – ohne Berücksichtigung des Handels mit eigenen Unternehmen – von 251 Mrd. HUF. Es wird gefertigt. gehandelt und entwickelt: Mobilitätslösungen, Industrietechnik, Konsumgüter sowie Energie- und Gebäudetechnik. Hier eines der schönfärberischen Imagefilmchen für die „Transatlantiker“ auf meinem Blog auf Englisch.

Gerade ist ruchbar geworden, daß BOSCH sein Werk in Bremen dichtmacht und nach Ungarland verlagert. Mit neuen Arbeitsplätzen wird das vermutlich nicht verbunden sein, auch in Ungarn hinterläßt der Rückgang bei der Herstellung von Verbrennern Schleifspuren. Aber die eingearbeitete Belegschaft kann wohl gehalten werden.

Ungarische Zentralbankexperten sind zu dem Schluß gekommen, dass die globalen Spannungen im Automobilvertrieb und -handel, die längerfristig verschärften Emissionsvorschriften und die „Fortschritte“ bei neuen Technologien kurzfristig die größten Probleme für die deutsche Automobilindustrie darstellen. Ungarn sei dagegen relativ gut aufgestellt, und die ungarische Industrie kann auch großen Automobilherstellern mit seinen Lohn- und Energiekosten helfen, so effizient wie möglich zu produzieren. Die Zentralbank räumt jedoch auch ein, daß sich das Produktionswachstum in der ungarischen Industrie verlangsamen könne, wenn sich die negativen Trends in Deutschland fortsetzen.

Was die deutschen Firmen motiviert in den Osten zu gehen: Wie in Polen gibt es in Ungarn oder Tschechien eine wesentlich günstigere Struktur der Belegung von Studienfächern als in Deutschland. Nicht soviel schädliche Geschwätzwissenschaft und nutzarme Orchideenfächer, mehr Naturwissenschaft, Medizin und Informatik. Für die Rekrutierung von Fachkräften kommt es weniger auf die Einwohnerzahl als auf die vorherrschende Quali an.

Insbesondere in der Nähe von Budapest und an der österreichische Grenze muß man sich bereits strecken, um den Nachwuchs zu locken. Auch in Ungarn werden bereits die bei uns gängigen lányok napok (girly days) veranstaltet. Die obligaten Tüten mit Kriegsbemalung sind jutalom a nap végen (die Belohnung am Ende des Tages).

PSA-OPEL hat gerade vor ein paar Tagen ein Motorenwerk in St. Gotthard (Szentgotthárd, Vas megye) eröffnet. 350.000 Dreizylinder-Benzinmotoren mit 100 und 130 Pferdestärken sollen hier jährlich vom Band laufen.

Audi ist schon seit 1993 in Raab (Györ, Györ-Moson-Spron megye), Mercedes seit 2008 in Kecskemét (Bács-Kiskun megye) und BMW seit 2018 in Debrecen (Hajdú-Bihar megye) vertreten. Nicht nur mit Fertigungs- sondern auch mit Entwicklungsabteilungen.

Nun ist es freilich so, daß Ungarn nur ein einziges von ganz vielen Fluchtländern ist. Immer mehr Firmen gehen auch nach China, Rußland, Amerika, Polen, Tschechien und sogar ins früher recht verrufene Rumänien. Viele Vorurteile über diese Länder sind nicht mehr ganz zeitgemäß. Aus Polen bin ich immer unbestohlen rausgekommen, aus den anderen Ländern auch. Ich habe mal in Hudenisht (Ortsteil von Piskupat am Ohridsee) einen Albaner gefragt, ob es dort Kriminalität gibt. Gibt es schon noch, aber die Antwort war: „Unsere schlimmsten Kriminellen sind in Hamburg“.

In Ostberlin ist es höchste Zeit die Kanzlerin zu stürzen, die Notbremse zu ziehen und von der Industrie zu retten, was zu retten ist.