Das bürgerliche Bermudadreieck

Vor ein paar Tagen hat ein Autor auf Tichy das Riesenwählerpotential einer bürgerlichen Partei zwischen CDU, AfD und FDP ausgemacht. Seit geraumer Zeit gibt es auch Versuche dieses Missing Link zu gründen und dem Wähler anzupreisen. Ich erinnere nur mal an die Partei der Vernunft, LKR und Frauke Petrys blaue Partei. Bisher sind alle Versuche gescheitert. Letztlich gehört auch das Experiment von Thomas Kemmerich, der sich an der Strategie der Werteunion orientierte, in diese Kategorie.

Vor der Thüringenwahl gab es 2019 illustre Runden, es wurde in mehr oder weniger geheimen Untergrundversammlungen über eine Landtagsliste von Bürgerrechtlern und Bürgerinitiativen beraten. Auf Details und Personen will ich nicht eingehen, um die Akteure zu schonen. Denn es ist – gemessen am Erfahrungshorizont der Verschwörer – durchaus existenzgefährdend so etwas auf die Beine zu stellen. Es wurde diskutiert, aber das Projekt ist wegen Zweifeln und Widrigkeiten untergegangen. Und darin liegt schon das Problem. Es fehlt jemand, der etwas durchzieht, ein Robin Hood, ein Lech Wałęsa, ein Jemeljan Pugatschoff. Als Zugpferd ein Mann mit militärischer Erfahrung, ausländischer Rückendeckung – am besten einer Atommacht – und eigener medialer Präsenz. Nicht einmal ein begnadeter Taktierer wie Graf Andrássy ist in Sicht.

Allerdings werden meine bürgerlichen Freunde einwänden: Mit einem militanten und charismatischen Anführer wäre die Bewegung ja nicht mehr bürgerlich, sondern revolutionär. Sie nähme Züge des faschistoiden Repressionsapparates an, den sie gerade bekämpft.

Das ist ein altes Dilemma. Die Sozialistengesetze 1878 bis 1890 haben die Mentalität der Sozialdemokratie bis ins 2o. Jahrhundert zu einer Art Festungspsychose geprägt. Auch das Zentrum hatte sich nach dem Kulturkampf kulturell eingeigelt. Die mediale Repression der Nachwendezeit – Beispiel Sebnitz – beeinflußt die Denkweisen im Osten bis heute, ja hat eigentlich zur Entstehung der AfD maßgeblich beigetragen. Die innere Verfaßtheit von Parteien war immer durch den Gründungsmythos, der meistens mit Kampf und Diffamierung hinterlegt war, beeinflußt. Lediglich die unmittelbaren Nachkriegsparteien CDU, CSU, SPD, FDP und SED, die unter dem Schirm ausländischer Bomber und Stalinorgeln entstanden, hatten diesen Streß nicht.

Das riesige Meer zwischen CDU, AfD und FDP ist ein gefährliches Bermudadreieck, wo die Medien Parteien und Wähler wie in einem Schwarzen Loch verschwinden lassen.

Ich fange mal mit den Wählern an. Alle drei Wochen spricht mich ein Bekannter an – ein Bäckermeister der früher mal in der LDPD war – und schwärmt von Frauke Petry. Petrys Blaue hatten in dem Ort, wo er wohnt bei der letzten Landtagswahl exakt zwei Stimmen bekommen. Dichtung und Wahrheit eben. Wunsch und Wirklichkeit. Man stößt immer wieder auf eine milde Schizophrenie. Der Wähler will nämlich die eierlegende Wollmilchsau. Die Wunschpartei soll sein kleinbürgerliches Wertegerüst verkörpern, ein von persönlichen Angriffen der Medien verschont gebliebendes Personal haben, welches aber in Talkshows angreift und den Gegnern ordentlich die Leviten liest. Die Partei soll also im Fernsehen und bei der Lügenpresse gelitten sein, obwohl sie deren sozialistische Erzählungen bekämpfen soll. Alles naiv und ein Widerspruch in sich. Denn die Medien sind nicht Makler, sondern Partei. Ohne Kampf gegen Augstein, Will und Kleber kein Sieg. Viele Wähler beginnen das zu verstehen. Ein Forist hat eine Fersehsprecherin als „Marionetta Slomka“ eingetütet, ein anderer ihren Sprechpuppenpartner als „Laus Leber“.

Der Wähler zwischen CDU, AfD und FDP hat etwa die mutigen und intellektuellen Eigenschaften, die Wolf Biermann schon 1968 beklagte: „Die scharf sind auf die scharfen Sachen und selber in die Hosen machen … Der legendäre Kleine Mann, der immer litt und nie gewann, der sich gewöhnt an jeden Dreck, kriegt er nur seinen Schweinespeck und träumt im Bett vom Attentat“. Ja das ist was dran. Die Leute wollen schon Veränderungen, aber der Pelz darf beim Waschen nicht naß werden und der Point of View ist der Fernsehsessel. Viele Leute am politischen Spielfeldrand wähnen sich als Schiedsrichter – was sie in einer Demokratie ja auch sind – wollen auch noch die B-Note vergeben. Es soll wie beim Schiespringen oder Eiskunstlaufen nicht nur die A-Note für Weite oder den dreifachen Doppelachsel erreicht werden, sondern Politik soll auch noch schön aussehen.

Aus der Sicht neuer Parteien ist die Lage vertrackt, weil die Räume von den Medien eng gemacht werden. Sie setzen alles daran die B-Note von bürgerlichen Bewegungen und Parteien zu ruinieren.

Ich erinnere mich an den vorhöckeschen AfD-Sprecher Matthias Wohlfahrt, der einen schmierigen linksradikalen Reporter zu sich hereinließ, der ihn in die Pfanne haute. Aus meinem damaligen Interview mit Wohlfahrth: In einem Beitrag  von Deutschlandradio Kultur, wurden Sie vom Reporter Henry Bernhard als völkischer Christ dargestellt. Sind Sie deswegen von Ihrem Parteiamt zurückgetreten? Gab es da einen Zusammenhang?

Matthias Wohlfarth: „Das Gespräch mit dem Redakteur vom DLR fand im November 2013 statt und seine Aussendung wurde von mir nicht autorisiert. Ein nicht ganz glücklich formulierter Satz wurde herausgepickt und in gewohnter Weise böswillig und in denunzierender Weise  interpretiert.  Ähnlich manipulierte Gesprächswiedergaben in der Presse wohl im Sinne „böse christliche Fundis“ trafen kurz vorher auch Herrn Lucke.“

Es braucht keinen Björn Höcke, um Nazivorwürfe der Medien zu ernten: von Lucke und Wohlfahrth bis Kemmerich und Lindner müssen alle ihr Hakenkreuz stolpernd zur Richtstätte schleppen. Die ist heute nicht mehr Golgatha, sondern das ARD Hauptstadtstudio und der Mainzer Lerchenberg. Der Nazivergleich ist ein Breitbandantibiotikum der Mainstreammedien und wird von der Art der politischen Bakterien völlig unabhängig verordnet. Sehr lächerlich sind immer Versuche, sich von irgendetwas – insbesondere von der AfD – zu distanzieren, wie es Kemmerich nach seiner Vereidigung gemacht hat. Es spornt die Journalisten in ihren Vernichtungsphantasien nur noch weiter an, weil es Schwäche signalisiert. „Wer fällt, den soll man auch noch treten!“, ist so ein Lieblingsgrundsatz der Nietzschejünger im Medienbetrieb.

Ich schimpfe immer auf die Medien. Sie können mich zwar nicht ausstehen, aber sie verachten mich wenigstens nicht. In Apolda hat mich ein Journalist zuerst gegrüßt und in Erfurt habe ich eine MDR-Sendung wegen kerzengerader Linie unbeschadet durchgestanden. Es gilt: Angriff ist die beste Verteidigung.

Bis auf weiteres sehe ich keine bürgerliche Konkurrenz zur AfD. Der NGO-mediale Komplex hat ein lebhaftes Interesse alles niederzuhalten, was rechts von der Linkspartei und den Grünen aufkommt. Die Drohungen gegen den Ex-Specher der Werteunion Höcker und gegen den geschäftsführenden MP Kemmerich sind aufschlußreich. Sie bedeuten, daß Deutschland sich gerade in hohem Tempo  in eine steinzeitliche Linksdiktatur verwandelt. in der die extremsten Scharfmacher den Ton angeben.