Gastbeitrag: Verbrecher mit gutem Gewissen

Der Trotzki-Mord als Beispiel – die Moral der Amoral und ihre Täter

Vera Lengsfeld hat kürzlich auf ihrem Blog einen Beitrag veröffentlich, der sich mit dem Film The Chosen (Der Auserwählte) auseinandersetzt, https://vera-lengsfeld.de/2020/03/31/der-auserwaehlte-oder-die-gefaehrlichkeit-der-einheitsmeinung/. In diesem Spielfilm geht es um die Täter der Ermordung von Leo Trotzki in dessen mexikanischem Exil im Jahre 1940. Lengsfeld zieht eine lange Linie vom inneren Antrieb der Täter für dieses Verbrechen hin zu den Wirkungen einer Einheitsmeinung. In etwa in dem Sinne: Wenn es nur eine Meinung gibt, fragen die Inhaber dieser Meinung nicht viel nach dem Unerlaubten ihres Tuns.
Das ist ein interessanter Standpunkt, denn er beleuchtet – wie ich annehme, von Lengsfeld beabsichtigt – ein Grundproblem unserer politischen Gegenwart. Auf die Spitze getrieben: Die Verabreichung einer Einheitsmeinung als politische Droge veranlasst die Leute, uralte Hemmnisse im menschlichen Zusammenleben aufzugeben – und im Extremfall mit gutem Gewissen zu morden. Ich möchte im Folgenden zwei Bemerkungen zu Lengsfelds Aufsatz machen: (1) Die erste ist eher theoretischer Natur: Gibt es den Mörder mit gutem Gewissen? (2) Die zweite ist eine Art Panoptikum, in der ich die konkreten Menschen des Trotzki-Mordes nahezu kommentarlos Revue passieren lasse, damit der Leser sich selbst ein Bild machen kann.

1. Mord mit gutem Gewissen

An der Spitze meiner Überlegungen steht eine simple Frage: In welcher Weise ist das Töten von Menschen gesellschaftlich akzeptiert? Die Frage stellt sich nicht? Doch, sie stellt sich. So für den Polizisten, der die Schusswaffe zieht, und für den Arzt, der bei Massenanfall von Kranken oder Verletzten zu entscheiden hat.

In unserer heutigen westlichen Auffassung scheint die Sache klar zu sein: Das Leben des Menschen ist das wertvollste, was er besitzt. Doch man muss nur ein wenig um sich blicken, dann wird klar, dass diese scheinbar allgemeingültige Auffassung weder besonders alt, geschweige denn allgemein gültig ist. Diese unerfreuliche Feststellung gilt auch für den Westen. Der Firnis der Humanitas ist verdammt dünn, wie gleich zu zeigen sein wird.

Wichtige Ideologien und Religionen – auch die des Westens – sehen das Leben und das Töten von Menschen vollkommen anders. Man kann diese andere Sicht an einem speziellen Ideologiebaustein ablesen. In fast allen Religionen und Ideologien gibt es einen solchen Baustein. In diesem wird – nahezu gleichförmig – der Mensch als Werkzeug von irgendwas bezeichnet. Dieses Irgendwas unterscheidet sich dann in Namen und Zielrichtung und macht jeweils den Kern der Ideologie oder Religion aus. Und doch verblüfft auch wieder die Ähnlichkeit, wenn der Mensch als Werkzeug von einem Wesen, einer Idee oder von sonst etwas bezeichnet wird. Zum Beispiel als Werkzeug eines göttlichen Willens, als Werkzeug einer nicht erschütterbaren Wahrheit oder etwas in der Art. In allen diesen Fällen ist das Leben des Einzelnen nur soviel wert, wie es dazu dient, sich ins Ganze einzufügen. Der Mensch muss sich dem Ziel zu beugen. Gegner und Außenseiter sind entbehrlich. Man kann sie beseitigen, oder – je nach Aggressivität der zum Ausdruck kommenden Lehrmeinung – man muss es sogar tun.
* Der Prophet aber oder der Träumer soll sterben, … (5. Buch Mose, 13. Kapitel, Vers 6).
* Und wenn die verbotenen Monate verflossen sind, dann tötet die Götzendiener, wo ihr sie trefft, … (Koran, 9. Sure, Vers 5).
* Deus lo vult – Gott will es so (Aufruf von Papst Urban II., 1095, zum ersten Kreuzzug).
* Wenn Du nicht einen Deutschen am Tag getötet hast, war der Tag verloren (Ilja Ehrenburg).

Und meinetwegen bis zum Horizont weitere Beispiele aus allen Zeiten und Kulturen. Lassen wir mal die Einwendungen der Apologeten des einen oder anderen Tötungsaufrufs beiseite, auf die ich mich jetzt schon freue, dann bleibt: In allen diesen Fällen wurde zum Wohle der Menschheit oder zum Lobe Gottes getötet. Für Gewissensbisse, so scheint es, war und ist wenig Raum.
So weit, so grausam. Doch ich habe meine Zweifel, ob dieses an und für sich stimmige Gerüst mit dem wirklichen Leben nahtlos zusammenpasst. Nun gut, es gibt in jeglicher Gesellschaft eine erstaunlich Zahl von Perversen. Sie haben Freude daran, andere umzubringen. Diese Perversen sind insofern themenfremde Ausreißer, da sie lediglich auf die Ideologie aufsatteln. Im Namen welcher Ideologie oder Religion sie töten, ist ihnen gleichgültig. Sie erfreut lediglich die Möglichkeit. Aber was ist mit dem Gläubigen? Diese sind am ehesten noch die Zweifler, denn sie vergleichen, wenn auch heimlich, die hehre Idee, an die sie glauben, mit einer Praxis des Tötens, die ihnen Ekel erregt. Sie flüchten sich dann im Falle von Religionen ins Gebet oder in Trance und im Falle von Ideologien in Bauchschmerzen oder den Drogenrausch.

Zwischen den Perversen und den Gläubigen findet sich indessen die entscheidende Gruppe, die das Töten exekutiert. Das sind die Mitläufer. Sie wissen in aller Regel, dass sie Unrecht tun, aber sie haben einen Katalog von Ausreden bei der Hand: Einer muss es schließlich tun; wo gehobelt wird, da fallen Späne; wenn ich es nicht tue, tut’s ein anderer; ich handle nur auf Anweisung; mich fragt auch niemand, ob mir das gefällt; niemand wird zu Unrecht belangt; wenn das der Führer wüsste; mir bleibt keine andre Wahl; ich muss auch an meine Familie denken; es gibt Leute, die es noch viel schlimmer treiben; es wurde Zeit, Ordnung zu schaffen; Vorteile bringt es mir nicht; kein vernünftiger Mensch würde anders handeln; das sind nur vorübergehende Maßnahmen; mein Anteil ist sehr bescheiden; auf die Abschussliste gerät man schneller, als man ahnt; bei uns herrscht echter Zusammenhalt; das Erlebte schweißt zusammen.

Interessant mag sein, dass die Mörder mit gutem Gewissen, ihre Taten zu verschleiern suchen. Sie erfinden für das Töten ablenkende Vokabeln.
* „Sonderbehandeln“ nannten die Schergen des NS-Systems das Ermorden von Juden und anderen, die zu Systemfeinden erklärt worden waren.
* Die US-Armee, die ab 1945 deutsche Kriegsgefangene befehlsgemäß mutwillig verrecken ließ, nannte die Ergebnisse dieses Tuns „sonstige Verluste“ (other losses). Eisenhowers Mannen führten keinen Krieg, sondern einen Kreuzzug, wie der US-Feldherr uns in seinen Memoiren verraten hat. Um seinen Untergebenen das Töten von Wehrlosen zu erleichtern, hatte er befohlen, ihnen den Status von Kriegsgefangenen zu nehmen – ein Akt barbarischer Feigheit, denn er wurde erst ausgesprochen, als keine deutschen Reaktionen mehr zu befürchten waren.
* Die stalinistischen Säuberungsfanatiker vermieden die Erwähnung des gewaltsamen Todes und sprachen anstelle von Genickschuss von „Höchststrafe“.
* Britische Kriegsstrategen verwendeten im Zweiten Weltkrieg für die vorsätzliche Massentötung der deutschen Zivilbevölkerung in deren Wohngebieten das Wort „moral bombing“.

Dieses flächendeckende Verschleiern weckt starke Zweifel, dass es mit dem guten Gewissen letztlich doch nicht so weit her war. Oder klarer formuliert: Die Täter wussten, dass sie Verbrechen begingen und vertrauten darauf, dass diese nicht bekannt, auf jeden Fall aber nicht verfolgt werden würden. Soviel zur Theorie.

2. Der Trotzki-Mord

Dies ist nicht der Ort, die Geschichte von Leo Trotzki nachzuerzählen. An Heldenepen über diese Sozialismus-Ikone ist wahrlich kein Mangel. Nüchternes ist eher rar. An dieser Stelle mag der Hinweis genügen, dass Trotzki als bolschewistischer Spitzenfunktionär in der Anfangsphase des Sowjetregimes (1917-23), vor allem bei der Machtergreifung und in der Bürgerkriegsphase selber für exzessive Massenmorde die Verantwortung trug. Seine später geschriebene Geschichte der Russischen Revolution ist eine Sternstunde der Rabulistik. Doch sie lässt wenig Zweifel an Trotzkis mörderischen Impetus aufkommen – getarnt hinter vermeintlicher moralischer Überlegenheit. Für die russische Regierung, die er beim Novemberputsch 1917 (der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution) stürzte, hatte er nur Hohn übrig:

Die [politische Partei der] Kadetten, die bei den Wahlen in Petrograd zehntausende von Stimmen auf sich versammelte[n], konnten im Augenblick der Todesgefahr für das bürgerliche Regime nicht 300 Kämpfer aufbringen. Wären die Minister auf den Gedanken gekommen, in der Schlossbibliothek den Materialisten Hobbes aufzustöbern, sie hätten in dessen Dialogen über den Bürgerkrieg lesen können, dass man Mut weder erwarten noch fordern darf von reichgewordenen Krämern, „die nichts außer dem Vorteil des Augenblicks sehen und völlig den Kopf verlieren, allein schon bei dem Gedanken an die Möglichkeit, ausgeraubt zu werden.“ (Geschichte der Russischen Revolution, Bd. 2.2, S. 915).

Selbst wenn Trotzki nicht selbst Hand angelegt haben sollte, kann man bei ihm ohne zu zögern von einem Massenmörder mit gutem Gewissen reden. Die Liquidierung der Regierungsmitglieder beschreibt er ironisierend so: Es war „deren letzter Anruf aus dem Winterpalais“.

Das Regime, das Trotzki als entscheidender Mann zu errichten half, war durch und durch blutig. Die internen Auseinandersetzungen nach seiner Installierung und dem frühen Tod des Revolutions-Vormanns Lenin waren es ebenfalls. Wie es bei Religionskriegen zu gehen pflegt, vernichteten sich nach der Machtergreifung und dem Tod des Stifters die Anwärter auf die höchste Autorität gegenseitig. Dass es auch Trotzki traf, den Stalin bis ins ferne Mexiko unnachsichtig verfolgen ließ, wundert also kaum. Mit dieser Feststellung ist nichts beschönigt – weder die Mordtaten noch die blutige Säuberung des Lenin’schen blutigen Erbes. Trotzki wurde zum Feind schlechthin, und jeder, der einmal Kontakt zu ihm gehabt hatte, wurde es auch. Es genügte ein Etikett: Trotzkist.

Liebe & Parteiauftrag: Der Mörder von Leo Trotzki, Ramón Mercader, und seine Gehilfin, Silvia Ageloff. Sie waren lediglich die Leute auf der Vorderbühne. In den Kulissen tummelte sich ein Heer von Mördern mit mehr oder weniger gutem Gewissen.

Ich habe einmal flüchtig das von mir 2003 mitverfasste und sodann elektronisch fortgeschriebene Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert durchgesehen. Anbei folgt eine alphabetische Liste einiger der Täter und Opfer aus dem Trotzki-Komplex allein aus dem Geheimdienstmilieu. Die Aufzählung zeigt, fast alle genannten Personen waren beides zugleich: Mörder und Ermordete. Gutes Gewissen? Glaubensüberzeugungen? Mitleid? Keine Ahnung, aber sehen Sie selbst:

Ageloff, Silvia (1913 New York City-1995 NYC), US-amerikanische Trotzkistin (Aliasname: Maslow). Geht mit dem späteren Trotzki-Attentäter Ramón Mercader 1940 ein Liebesverhältnis ein, so dass es ihm gelingt, als ihr vermeintlicher Ehemann zu Leo Trotzki vorzudringen und ihn zu ermorden. Ageloff, die bei dem Mord anwesend ist, wird von der mexikanischen Polizei anschließend festgenommen. Eine Beteiligung an der Tat kann ihr nicht nachgewiesen werden, so die Darstellung des ermittelnde Polizeichefs Salazar in einem später erscheinenden Buch. Ageloff wird auf freien Fuß gesetzt und lebt sodann als Kindergartenerzieherin in Manhattan/New York City unter dem Namen ihrer Mutter. Sie wird 1942 durch das FBI vernommen, wobei sie jegliche Beteiligung erneut von sich weist. Die Liebesbeziehung Ageloff-Mercader wird vielfach literarisch und filmisch behandelt. Aufmerksamkeit erlangt die Verfilmung mit Alain Delon und Romy Schneider als Liebende und Richard Burton als Trotzki.
Leandro A. Sanchez Salazar: ASI Asesinaron a Trotsky. 1955; The Assassination of Trotsky (Spielfilm, 1972).

Bargstädt, Karl Max (30.10.1904 Hamburg-1974 Hamburg), kommunistischer Funktionär, sowjetischer Agent (Deckname: Karl Weinberg; Jakob). 1927 Eintritt in die KPD. Vor 1933 Mitglied der KPD-Bezirksleitung Hamburg, 1932 Bezirksleiter der RFB. September 1933 Emigration nach Skandinavien. Wechselt im März 1935 von Schweden nach Norwegen, dort Mitglied der NKWD-Sabotageorganisation von Ernst Wollweber; beteiligt sich an vergeblichen Versuchen, Leo Trotzki in Norwegen zu ermorden, und reist unter dem Decknamen Karl Weinberg in Europa umher, um Schiffssabotage zu organisieren. April 1940 Flucht von Norwegen nach Göteborg/Schweden, dort interniert. Februar 1941 Ausreise in die Sowjetunion, dort nach dem deutschen Angriff wegen Spionage verhaftet. Gefängnis- und Lagerhaft bis 1947, sodann Rückkehr nach Deutschland. In der SBZ Mitglied der SED, Funktionär des FDGD. Noch 1947 Flucht nach Westdeutschland. Lebt seit 1948 wieder in Hamburg.
Borgersrud: Wollweber-Organisation, S. 70-72, 88, 193, 288; Flocken u.a.: Ernst Wollweber, S. 58, 100; Hermann Weber/Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten, S. 72 f.

Berman-Jurin, Konon Borissowitsch (14.11.1901 Ilukste/Kurland-26.8.1936 Moskau, hingerichtet), deutscher kommunistischer Funktionär (Deckname: Hans Stauer, Alexander Fomitsch), sowjetischer Agent. 1920-22 Schlosserlehre in Riga, 1921-23 dort aktives Mitglied der KP. 1923 wegen drohender Verhaftung Flucht nach Deutschland. Funktionär der KPD unter dem Aliasnamen Hans Stauer. Ab März 1933 in der Sowjetunion, Mitarbeiter der Komintern (und vermutlich Mitarbeiter der Auslandsabteilung des NKWD); im Juni 1936 wegen angeblicher Kontakte zu Leo Trotzki festgenommen. Im Schauprozess gegen Sinowjew, Kamenew und andere Spitzenfunktionäre als Mitangeklagter präsentiert, am 25.8.1936 zum Tode verurteilt und erschossen.
Weber u.a.: Deutsche Kommunisten, S. 756.

Bljumkin, Jakow Grigorjewitsch (Яков Григорьевич Блюмкин, auch: Blumkin)(1892?/98? o. 1900 [vermutlich richtig: 1898] Odessa-3.11.1929 Moskau, hingerichtet), russischer Revolutionär, sowjetischer Geheimdienstfunktionär (Deckname: Vivant). Der russische Jude Bljumkin wird vor der Russischen Revolution Mitglied der Partei der Sozialrevolutionäre. Ab Anfang 1918 Mitarbeiter der Tscheka; dort zuständig für die Überwachung der deutschen Botschaft; in dieser Funktion am 6.7.1918 einer der Mörder des deutschen Botschafters Wilhelm von Mirbach in Moskau. Bljumkin wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt; ihm gelingt die vermutlich inszenierte Flucht in die Ukraine; von dort alsbald Rückkehr nach Moskau, wo er seine Tätigkeit in der Tscheka wieder aufnimmt. Sodann Resident der INO im Nahen Osten. Gilt als Gefolgsmann von Leo Trotzki, nach dessen Ausweisung in die Türkei als dessen Kontaktmann. Von seiner Geliebten Elisaweta Sarubina (die in Wirklichkeit als INO-Agentin das Liebesverhältnis anknüpft) wird Bljumkin angeblich überführt, im Sommer 1929 nach Moskau zurückbeordert und hingerichtet.
Longuet/Silber: Die Bombe tötete den Zaren, S. 2757 f.; Nr. 765 in: Rossijskaja Jewrejskaja Enziklopedija. Moskwa 1995; Whaley: Biographical Index, C 10.

Chochlow, Nikolaj Jewgenjewitsch (7.6.1922-), sowjetischer Geheimdienstfunktionär (Deckname: Hofbauer), Überläufer. 1937 Eintritt KPR(B). Ab 1941 Angehöriger eines Jagdbataillons des NKWD, dort von der 4. Verwaltung des NKWD angeworben. 1943 in Weißrussland Einsatz im Rücken der deutschen Front, wo er sich als Oberleutnant Otto Witgenstein ausgibt. 1945-49 Agenteneinsatz in Rumänien, 1951 in Österreich, wo er eine Diversionsgruppe des Büros Nr. 1 des MGB aufbauen soll. Im März 1952 wird er nach Paris geschickt, wo er den ehemaligen Chef der Provisorischen Regierung, Alexander Kerenskij, beseitigen soll. Obwohl er die Durchführung des Auftrags verweigert, kommt Chochlow im April 1954 als Hauptmann des KGB in die Bundesrepublik, um den Exilpolitiker Georgij Okolowitsch zu töten (Operation Rhein). Chochlow nimmt von der Tat Abstand, läuft am 20.2.1954 über und schließt sich der Organisation seines Opfers, der NTS (Narodnj-trudowogo sojusa – Volksarbeitsbund) an. Chochlow berichtet über seine Tätigkeit unter dem Trotzki-Mörder Naum Ejtingon. Hierdurch wird der Auftragsmord an Leo Trotzki erstmals durch Zeugen offengelegt. 1957 wird auf ihn in Frankfurt/Main, da er in der Sowjetunion zum Tode verurteilt wurde, ein Mordanschlag mit radioaktiven Tabletten versucht, dem er jedoch entkommt. Geht später in die USA. In den 1970er Jahren plant der KGB-Resident in New York einen neuen Anschlag, die Zentrale in Moskau verweigert jedoch die Zustimmung. Nach dem Zerfall der Sowjetunion begnadigt.
Lit.: O.Verf.: Ich sollte morden. Ein Tatsachenbericht nach amtlichen Protokollen und Schilderungen des MWD-Stabsoffiziers Nicolaj Ewgenjewitsch Chochlow. Frankfurt 1954; Nikolaj Chochlow: Recht auf Gewissen. Stuttgart 1959.

David, Fritz (recte: Ilja-David Israiljewitsch Krugljanski)(27.10.1897 Nowosibkow b. Wilna/Litauen-26.8.1936 Moskau, hingerichtet), sowjetischer Agent. 1920-26 kommunistischer Funktionär in Sowjetrussland, Hochschulstudium abgebrochen; dann Ausreise nach Deutschland. Ab 1929 Mitarbeiter im Zentralkomitee der KPD, 8.3.1933 Emigration in die Sowjetunion, dort enger Mitarbeiter von Wilhelm Pieck; zugleich Mitarbeiter der Auslandsabteilung des NKWD; als solcher im Juni 1936 wegen angeblicher Kontakte zu Leo Trotzki festgenommen. Im Schauprozess gegen Sinowjew, Kamenew und andere Spitzenfunktionäre als Mitangeklagter präsentiert, am 25.8.1936 zum Tode verurteilt und erschossen.
Fritz David [i.e. Ilja Krugljanski: Der Bankrtott des Reformismus. Berlin 1932; Müller: Akte Wehner, S. 76, 118 f.; Ulla Plener u.a.: Verurteilt zur Höchststrafe, S. 53; Volkskommissariat für Justizwesen: Prozessbericht über die Strafsache des Trotzkistischen-Sinojewiskischen terroristischen Zentrums. Moskau 1936 [Spiegelbild der Abläufe dieses Schauprosses mit den Pantasieprodukten der Anklage, Aussagen u.s.w.]; Weber u.a.. Deutsche Kommunisten, s. 147 f.

Ejtingon, Naum Isaakowitsch (auch: Eitingon; vermutlich ursprünglich: Egenstein) (6.12.1899 Mogiljow-3.5.1981 Moskau), sowjetischer Geheimdienstfunktionär, zuletzt Generalmajor (Decknamen: Leonid, Leo, General Kotow, Tom). Russischer Jude, ab 1917 in der revolutionären Bewegung tätig. Angehöriger der Tscheka seit dem Bürgerkrieg. 1923 Ernennung zum stellvertretenden Chef der Ostabteilung der OGPU. Im Oktober 1925 Versetzung zur sowjetischen Auslandsaufklärung (INO); Ernennung zu deren Resident in Shanghai. 1926 Resident der INO in Peking, ab 1927 in dieser Funktion in Harbin (Charbin). 1929 Abkommandierung in die Türkei, nach der Flucht von Georgij Agabekow nach Moskau zurückberufen. 1931 Ernennung zum Leiter der 8. Abteilung (Emigranten) der INO; in dieser Funktion mehrere Einsätze in Frankreich und Belgien. 1933 Chef der 1. Abteilung der INO, im gleichen Jahr jedoch in die USA als illegaler Resident abkommandiert. 1936 im Spanischen Bürgerkrieg (Deckname: Kotow); zuständig für das Training von Spezialeinheiten für Kommando- und Sabotageaktionen bei den Internationalen Brigaden; lernt dort Caridad Mercader kennen, mit der er zusammenlebt und deren Sohn er für den Mord an Leo Trotzki rekrutiert. Im Oktober 1939 erneut in die USA; dort unter der Legende des Leiters einer Import-Export-Firma tätig; koordiniert und leitet von dort 1940 die Ermordung Trotzkis in Mexiko, hierfür mit dem Leninorden dekoriert. Später versucht er die Vertuschung der Tat und die Befreiung Ramon Mercaders. Im Zweiten Weltkrieg Sabotageeinsätze; u.a. am fehlgeschlagenen Attentat auf Franz von Papen in der Türkei beteiligt. Ab 1942 stellvertretender Chef der 4. Verwaltung des NKWD, leitet u.a. die Funkspiele Kloster und Beresina. Nach Kriegsende führt er Sondereinsätze gegen polnische und litauische Aufständische durch. Dann stellvertretender Leiter der Abteilung S, kurz danach im Sonderauftrag Stalins nach China, wo er gegen muslimische Aufständische an der sowjetisch-chinesischen Grenze vorgeht. 1947 Ernennung zum stellvertretenden Chef der Abteilung DR (Diversion), die 1951 in Büro Nr. 1 des MGB für Diversionsarbeit im Ausland umbenannt wird. Im Oktober 1951 im Zuge der antijüdischen Säuberungen in der Sowjetunion verhaftet. Nach dem Tod Stalins auf Befehl von Lawrentij Berija freigelassen und zum Leiter der 9. Abteilung des MWD ernannt. Nach dem Sturz Berijas im Juli 1953 erneut festgenommen und 1957 zu zwölf Jahren Haft verurteilt. 1964 wieder auf freiem Fuß, ab 1965 Chefredakteur beim Verlag Internationale Beziehungen. 1981 an Magenkrebs in Moskau verstorben.
I.L. Kuznetsov: KBG General Naum Isakovich Eitingon 1899-1991, in: Slavic Military Sudies 1/2001; Whaley: Biographical Index, C 25.

Ente (russ.: Utka, утка): Fallname des NKWD Ende der 1930er Jahre zur Ermordung von Leo Trotzki. Leiter des Unternehmens sind Pawel Sudoplatow und Naum Ejtingon.

Feldbin, Lew Lasarewitsch (21.8.1895-7.4.1973 Cleveland/Ohio), sowjetischer Geheimdienstfunktionär, Major (Deck- und Aliasnamen: Alexander Michailowitsch Orlow; Feldel; Alexander Berg; Igor Berg; Companero Brown; Lew Nikolajew; Lew Nikolski). 1916 Aufnahme eines Jurastudiums in Moskau, ein Jahr später zur Armee eingezogen. 1919 Eintritt in die Rote Armee, dort bei der Sonderabteilung der 12. Armee gegen Konterrevolutionäre eingesetzt. Ab Dezember 1920 Mitarbeiter der Tscheka. Nach Studium in Moskau 1926 zur INO versetzt. 1926-27 Resident der INO in Paris. 1928 Versetzung nach Berlin, hier unter dem Familiennamen Feldel als Handelsrat der sowjetischen Botschaft getarnt. 1930 Rückkehr in die Sowjetunion, dort Leiter der 7. Abteilung (Wirtschaftsspionage) der INO. 1932 kurzfristiger Agenteneinsatz in den USA, 1933 erneut in Paris, dort an einer Spionageaktion gegen das Aufklärungsbüro des französischen Generalstabes beteiligt. 1934 in Paris enttarnt, wechselt er nach London, wo er an der Anwerbung der Cambridge Five beteiligt ist. 1936 wirbt er in Estland einen westeuropäischen Botschafter als Agenten an, dann ab September 1936 Resident der INO (als Alexander Orlow) in Madrid. Feldbin zieht im Spanischen Bürgerkrieg ein dichtes Agentennetz auf, mit dem er beide kriegführenden Parteien, vor allem auch die eigene, die Republikaner, schädigt. Mitinitiator und Beteiligter an der Niederschlagung der Anarchisten und Trotzkisten innerhalb der republikanischen Koalition. Befielt auf Weisung der Moskauer Zentrale u.a. die Ermordung des Trotzkisten/Linkssozialisten Andres (Andreu) Nin Ende 1937, die vom italienischen Kommunisten und NKWD-Agenten Vittorio Vidali ausgeführt wird. Im Juli 1938 erhält er den Befehl, sich in Antwerpen an Bord des sowjetischen Frachters Swir mit dem Chef der INO, Michail Spiegelglass zu treffen. Er fürchtet jedoch seine Verhaftung, setzt sich am 12.7.1938 in den Westen ab und flieht vor der Großen Säuberung in die USA; lebt dort im Untergrund. Erst 1953 bricht er sein Schweigen, verrät dem FBI jedoch nichts über die Spionagetätigkeit des von ihm mit angeworbenen Kim Philby. Diverse Publikationen zu Stalins Verbrechen. 1955 und 1957 Aussagen vor dem Senatsausschuss für innere Sicherheit.
Alexander Orlov: The secret History of Stalin’s Crimes. New York 1953; ders. (frz.): Alexander Orlow: Histoire secrète des Crimes de Staline ; ders. (dt.: Alexander Orlow): Kreml-Geheimnisse. 1954; ders.: The Handbook of Intelligence and Guerrilla Warfare. Ann Arbor 1963; Patrick von zur Mühlen: Spanien war ihre Hoffnung. Die deutsche Linke im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939. Bonn 1983; John Costello/Oleg Tsarev: Deadly Illusions. New York 1993 (dt.: Der Superagent. Der Mann, der Stalin erpresste. Wien 1993).

Friedländer, Leo, Dr.med. (7.5.1895 Posen-4.8.1937 Moskau, hingerichtet), Arzt, kommunistischer Funktionär. August 1914-Januar 1919 als Kriegsfreiwilliger Nachrichten-Soldat. Seit 1920 Mitglied des proletarischen Gesundheitsdienstes in Berlin. Arbeitet als Arzt zunächst an der Charité, dann in Berlin-Rumelsburg. 1926 Eintritt in die KPD, etliche Partei-Funktionen. Mai 1933 Flucht über die Tschechoslowakei in die Sowjetunion. Funktionärs-Arzt in Moskau. Am 4.8.1937 festgenommen, am 3.10.1937 wg. Teilnahme an einer konterrevolutionären trotzkistischen Organisation zum Tode verurteilt und am selben Tag erschossen. Friedländer wird im Frühjahr 1941 vom RSHA auf der Sonderfahndungsliste SU ausgeschrieben.

Gerö, Ernö (eigentlich: Ernö Singer) (8.7.1898-12.3.1980), ungarischer Kommunist, sowjetischer Agent (Decknamen: Piérre, Pietro, Ernest, Edgar Grandval). Seit 1918 Mitglied der KP Ungarns. Nach der Niederschlagung der ungarischen Räterepublik 1919 Emigration in die Sowjetunion. 1922 illegale Rückkehr nach Ungarn, dort zu einer Haftstrafe verurteilt. Nach sowjetischer Intervention in die Sowjetunion freigelassen. Mitarbeiter des EKKI. 1929-31 Lenin-Schule. In den 1930er Jahren Bevollmächtigter der Komintern in Frankreich und im Spanischen Bürgerkrieg (Deckname: Pedro); in dieser Funktion maßgeblich mit der Liquidierung von angeblichen Trotzkisten befasst. 1941 Politredakteur der Komintern. 1943/44 Verbindungsmann des EKKI in Belgien. Ab 1945 Spitzenfunktionär in der KP Ungarns, zuständig für Sicherheitsfragen. Oktober 1956 Flucht in die Sowjetunion, dort 1956-60 Emigration; als Übersetzer tätig. 1962 wegen seiner Verantwortung für die Schauprozesse aus der Partei ausgeschlossen.

Globig, Martha, geb. Jogsch (9.7.1901 Kiel-Garden-1991), kommunistische Funktionärin. 1919 Gründungsmitglied der KPD, bis 1921 im Apparat des ZK der KPD. 1922-24 Mitarbeiterin der Handelsvertretung der Sowjetunion in Berlin. 1924-31 illegale Tätigkeit für die OMS der Komintern in Bremen und Leipzig, sodann Ausreise in die Sowjetunion. 1933-35 Mitarbeiterin des Institutes für Geschichte der Kommunistischen Akademie, 1935-37 Mitarbeiterin in der VEGAAR; 1936 wegen Propagierung trotzkistischer Auffassungen und antileninistischer Verzerrung der Parteigeschichte aus der KPdSU(B) ausgeschlossen, am 5.12.1937 verhaftet, am 29.12.1937 zu Arbeitslager verurteilt. Wird im Frühjahr 1941 vom RSHA in der Sonderfahndungsliste SU ausgeschrieben als: RSHA IVA1 Arbeitet nach ihrer Entlassung 1947 in der Schuhfabrik in Karaganda. Am 15.12.1956 in die DDR ausgereist.
Kurzbiografien, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, Neue Folge, Sonderband 3, S.409

Grafpen, Gregorij Borissowitsch (1891 Odessa-), sowjetischer Geheimdienstfunktionär (Deckname: Blank). 1909 Abschluss der Grundschule, anschließen dreijährige Sprachenschule. Sodann Arbeit als Drucker. ?1908-12 in den USA. Sodann Rückkehr nach Russland. Subalterner Offizier in der zaristischen Armee im Ersten Weltkrieg. 1918 Eintritt in die Rote Armee, Führer eines Nachrichtenzuges. August 1920-April 1921 Militärkommandant in Kiew und Tschernigow. 1922-27 Arbeit in sowjetischen Handels- und Finanzeinrichtungen. 1927-31 Angestellter der sowjetischen Handelsgesellschaft Amtrog in New York. September 1931 Rückkehr nach Moskau und Wechsel zur INO. April 1938 unter dem Alias Blank Legalresident in London; Führungsoffizier von Donald Maclean und George Cairncross). November 1938 Rückruf nach Moskau, dort am 29.12.1938 festgenommen und im Januar 1939 zu 5 Jahren Zwangsarbeit wg. Trotzkismus verurteilt. 1943 Entlassung aus der Zwangsarbeit und Weiterarbeit in Nordrussland. 22.9.1956 Aufhebung des Urteils. Ruhestand und Umzug nach Leningrad.
Wadim Abramow: Jewrei w KGB. Palatschi i shertwij [Juden im KGB. Exekutierer und Opfer]. 2005, S. 170-171.

Gröhl, Karl (ab 1953 amtlich: Karl Retzlaw)(19.2.1896 Schneidemühl-20.6.1976 Frankfurt am Main), kommunistischer Geheimdienstfunktionär (Decknamen: Friedeberg; Erde; Friedberg; Hans). Seit 1908 in Berlin. Im Ersten Weltkrieg Mitglied des Spartakusbundes. 1918 als Kriegsdienstverweigerer abgetaucht, verhaftet und verurteilt. 1918/19 kommunistischer Revolutionär in Berlin und München; dort Kommissar für das Polizeiwesen. Sodann in Berlin abgetaucht (Deckname: Karl Friedberg), illegale Arbeit für das WEB der Komintern; bis 1921. Zugleich Aufbau eines Nachrichtendienstes für die KPD; bis ?1923 o. 1926. Offiziell 1921-26 Leiter des Verlages Karl Hoym in Hamburg, der als Geldwaschanlage der Komintern und als legales Dach dient. Hierbei auch 1923/24 Redakteur der illegalen militärpolitischen Zeitschrift der KPD Vom Bürgerkrieg. 1927 wegen Hochverrats angeklagt und zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. 1928 amnestiert. Mitarbeiter im Münzenberg-Konzern. Anfang 1933 zur Berichterstattung nach Moskau gereist, Ende März 1933 in die Schweiz geflohen. Dort im November 1933 Austritt aus der KPD. 1934 im Saarland (Deckname: Karl Erde). Januar 1935 Flucht nach Frankreich. Engagiert sich dort als Trotzkist. Auch erneute Zusammenarbeit mit Willi Münzenberg und mit westalliierten Geheimdiensten. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs als deutscher Staatsangehöriger festgenommen und interniert. Dezember 1939 Entlassung und Ausreise nach Großbritannien . Anfang 1940 Reisebewegungen zwischen GB und Frankreich, dort vom deutschen Einmarsch überrascht. Mit falschen Papieren als angeblicher Pole Stanislaw Retzlaw Flucht über Lissabon; von dort nach nach Bristol ausgeflogen. Wird im Frühjahr 1941 vom RSHA in der Sonderfahndungsliste SU ausgeschrieben als: G309, RSHA IVA2, Stapo Berlin. In Wirklichkeit in England Tätigkeit für SOE. Im März 1942 beendet wegen des Verdachts der Weiterleitung von sensiblen Informationen an Franzosen. 1946 aus Großbritannien nach Saarbrücken ausgereist. Dort in der SPD politisch aktiv. 1950 in die Bundesrepublik ausgewiesen, bis 1963 Angestellter bei der Frankfurter Rundschau.
Karl Retzlaw [d.i. Karl Gröhl]: Spartakus. Aufstieg und Niedergang. Erinnerungen eines Parteiarbeiters. Frankfurt/M. 1971; Bernd Kaufmann u.a.: Nachrichtendienst; Weber u.a.: Deutsche Kommunisten, S. 610 f.; Home Office/MI 5: Fallakte Karl Gröhl, in: NA: KV 2/2171-2172.

London, Artur (1.2.1915 Ostrau/Österreich-Ungarn-7.11.1986), tschechischer Schriftsteller, Mehrfachagent für Ostblock-Dienste (Decknamen: Gerhard Baum; Gérard; Gerhard Elberfeld; Lambert Siegel). 1929 Mitglied der Kommunistischen Jugend in der CSR. Nach mehreren Verhaftungen 1934 in die Sowjetunion. März 1937 im Auftrag der KJI nach Spanien. April-Dezember 1937 Mitarbeiter des Sicherheitsapparats in Valencia und Barcelona, Januar 1938 Funktionär des SIM, zuletzt dessen stellvertretender Leiter, auch ab Juli 1938 Mitarbeiter im der Kaderabteilung der Spanischen KP; zugleich NKWD-Helfer bei der Liquidierung von Anarchisten und Trotzkisten. Frühjahr 1939 illegale Einreise nach Frankreich. Baut 1940-41 mit seiner französischen Frau in Paris Spionagenetze auf. Mitte 1942 in Frankreich als Jude von der Gestapo, die seine Identität nicht entdeckt, verhaftet und ins KZ Mauthausen deportiert. 1.5.1945 zunächst Rückkehr nach Frankreich, Leiter des tschechischen Informationsbüros, zugleich Agent des StB und des sowjetischen Dienstes. 1947/48 Aufbau eines Spionagenetzes in der Schweiz. Später Spitzenfunktionär der KPC. Seit 1949 stellvertretender tschechischer Außenminister; im Slánsky-Prozess 1952 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. In seinen Memoiren L’Aveux (Das Geständnis), die er nach seiner Entlassung in den 1960er Jahren im Exil in Frankreich verfasst, lügt er seine Biografie um: Er ist nun Interbrigadist und Stalinopfer. Das Buch wird 1969/1970 durch Constantin Costa-Gavras (Hauptrolle Yves Montand) verfilmt. Buch und Film verklären Londons Rolle und stilisieren ihn zum linken Säulenheiligen. Buch wie Film sind bis heute Kultgegenstände linker Mythologie. Seine Geheimdienstmitarbeit wird 1996 von Karel Bartosek, einem der Herausgeber des Schwarzbuch des Kommunismus, enthüllt.
Artur London: Ich gestehe. Der Prozess um Rudolf Slánsky. Hamburg 1970. Berlin 1991; Barth u.a. : Der Fall Noel Field, S. 425 ; Karel Bartosek: Les Aveux des Archives: Prague-Paris-Prague. Paris 1996. Artur London: L’Aveux. Paris 1969. S. 425.

Mercader del Rio Hernández, Caridad (29.3.1896-15.10.1975), spanische Kommunistin, sowjetische Agentin (Deckname: Jeanne Florence; Codenamen: Klava; Mutter). In den 1930er Jahren hauptsächlich in Frankreich; dort im Auftrag des NKWD in der Sozialistischen Partei tätig. Im Spanischen Bürgerkrieg an Exekutionskommandos beteiligt. Lebensgefährtin des NKWD-Residenten Naum Ejtingon, mit dem zusammen sie ihren Sohn Ramón Mercader zum Mord an Leo Trotzki anstiftet. Entflieht nach dem Mord aus Mexiko in die Sowjetunion, wo sie von Stalin empfangen wird.

Mercader, Ramón (17.2.1914-18.10.1978 Cuba), spanischer Kommunist, sowjetischer Agent. Während des Spanischen Bürgerkrieges wird Mercader Mitarbeiter des NKWD (Decknamen: Jacques Mornard, Frank Jacson; Jacques Vandendreschd; Codenamen: Rita; Gnom). Im Oktober 1939 kommt er über New York nach Mexiko (Operation Ente). Ermordet nach Anstiftung durch seine Mutter Caridad Mercader und ihres Lebensgefährten Naum Ejtingon im Auftrag des NKWD am 20.8.1940 in Mexiko Leo Trotzki, den er mit einem Eispickel erschlägt; Trotzki stirbt an seinen Verletzungen am 21.8.1940. Mercader wird verhaftet und zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er absitzen muss. Anschließend Ausreise in die Tschechoslowakei, von dort 1960 in die Sowjetunion. Er erhält den Titel Held der Sowjetunion verliehen. Arbeitet sodann am Institut für Marxismus-Leninismus bei Zentralkomitee der KPdSU. 1977 nach Kuba, Berater des Innenministeriums, auf Kuba an Krebs gestorben.
Jorge Semprun: La deuxième mort de Ramón Mercader. Paris 1969; dt.: Der zweite Mord des Ramón Mercader. Frankfurt 1974; Isaac Don Levine: Die Psyche des Mörders. Der Mann der Trotzki tötete. Wien 1970; Robert Conquest: Der große Terror, S.468 ff.; Christopher Andrews u.a.: Schwarzbuch.

Milgram, Isidor Wolfowitsch (15.12.1898-10.3.1938, hingerichtet), sowjetischer Geheimdienstfunktionär. Russischer Jude, Ausbildung zum Monteur. 1913 zur Arbeit nach Deutschland und Holland; nach Beginn des Ersten Weltkriegs Rückkehr nach Russland. 1916 Mitglied der SDAPR(B), 1917 mit Sonderauftrag nach Rotterdam entsandt, wo er unter den Kriegsgefangenen bolschewistische Propaganda treibt. 1919 dort kurzzeitig wegen Spionageverdachts inhaftiert, nach Freilassung Wechsel nach Brüssel. 1921 Rückkehr nach Sowjetrussland, wird Mitarbeiter der Tscheka/OGPU, gleichzeitig auch Informant der INO. 1922 Mitglied der sowjetischen Delegation auf der Haager Konferenz. 1923-24 Agenteneinsatz in Deutschland. Dezember 1924-Dezember 1925 Gehilfe des INO-Residenten in Griechenland, getarnt als sowjetischer Botschaftsmitarbeiter. Am 29.12.1925 wegen Spionage verhaftet und nach drei Monaten gegen einen in Moskau festgesetzten griechischen Diplomaten ausgetauscht. 1926 begleitet er Leo Trotzki zu einer Kur nach Deutschland, dann Resident der INO in Shanghai. 1927-29 Spezialeinsatz in Minsk, dann für 9 Monate nach Deutschland abkommandiert. Dort als Agentenführer im Raum Dresden tätig. 1930 Hörer am Institut für Rote Professuren, dann Lehrer an der Hochschule der OGPU. Ab 1934 wissenschaftlicher Sekretär am Institut für Wirtschaft der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Im Mai 1937 verhaftet und im März 1938 erschossen.

Miller, Georg (russifiziert: Georgij Georgiewitsch) (30.11.1898-), Österreicher, sowjetischer Geheimdienstfunktionär, zuletzt Oberstleutnant. Geboren in Wien, Mitglied der sozialdemokratischen und kommunistischen Bewegung. Gründer der KPÖ in Deutsch Wargam bei Wien. Dort seit 1924 Stadtverordneter und Zeitungsredakteur. Im gleichen Jahr Wechsel nach Wien, bis 1927 als Kurier der sowjetischen Botschaft tätig. 1927-30 illegale Tätigkeit im Sonderapparat der österreichischen KP. 1930 Übersiedlung in die Sowjetunion, gleichzeitig von der INO übernommen. Dort zunächst als Passfälscher eingesetzt, u.a. stattet er 1939 die Mörder Leo Trotzkis mit gefälschten Papieren aus. Während des Krieges stellvertretender Abteilungsleiter in der Europaverwaltung der INO. 1945 Rückkehr nach Österreich, weiteres Schicksal unbekannt.

Mink, George, US-Amerikaner, Gangster, sowjetischer Agent (Decknamen: Alfredo Hertz; Alfred Hertz; Minkoff; Al Gottlieb [US]; Abraham Wexler [PL]; Harry Kaplan [LIT]). 1927 Reise nach Russland. Ab 1930 Funktionär der Profintern mit dem Auftrag an der amerikanischen Atlantikküste eine Untergrundorganisation aufzubauen. Bis Ende 1932 in Deutschland in der ISH (einer kommunistischen Tarnorganisation mit Sitz in Hamburg) eingebaut. Sodann in Kopenhagen, dort im Mai 1935 festgenommen und am 30.7.1935 wg. Spionage zu 18 Monaten Haft verurteilt. Vermutlich 1936 über Amsterdam nach Barcelona; führt dort zusammen mit seiner Frau Käthe Hertz einen Buchladen; leitet zugleich (mindestens 1936/37) im Auftrag des NKWD einen Geheimdienst auf der republikanischen Seite im Spanischen Bürgerkrieg, den Sevicio Alfredo Hertz, der auf das Aufspüren und Liquidieren kommunistischer Abweichler spezialisiert ist. Die Identität von Mink mit Hertz ist umstritten. 1938 in Mexiko eingetroffen mit einem Mordauftrag gegen Trotzki.
Mühlen: Spanien war ihre Hoffnung, S. 168-177; Jan Valtin: Tagebuch der Hölle, S. 170; 253 f.; Time vom 3.5.1938. Home Office/MI 5: Personenakte George Mink, UK NA: KV 2 2067 [George MINK, aliases MINKOFF, Al GOTTLIEB (American), Abraham WEXLER (Polish), Harry KAPLAN (Lithuanian), Alfred HERTZ: American. Early member of the American Communist Party. Visited Russia in 1927 and on his return became active in international affairs of seamen’s and dockworkers unions. In 1934 reported in Moscow working for Soviet military intelligence. In February 1935 arrested for espionage in Copenhagen and found to be carrying multiple false passports. On release the Russians shipped him to Leningrad. Subsequent reports suggested his presence in Spain during the Civil War and in Mexico. In 1940 KRIVITKY named MINK as a Russian agent].

Olberg, Valentin (1907 Lettland-26.8.1936, hingerichtet), Politemigrant, sowjetischer Agent. 1927 zum Studium nach Berlin; schließt sich der KPD an. Ende der 1920er Jahre in Deutschland von der INO der OGPU angeworben, soll in linke russische Exilkreise eindringen. Unternimmt 1930 als Agent den Versuch, einen Posten als Sekretär von Leo Trotzki zu erhalten, was jedoch scheitert, da Freunde von Trotzki in Berlin ihn als GPU-Agenten enttarnen. Deshalb 1935 in der Sowjetunion eingesetzt, um in Gorki Trotzkisten ausfindig zu machen; im Januar 1936 als Provokateur zusammen mit seinen Opfern festgenommen. Im Schauprozess gegen Sinowjew, Kamenew und andere Spitzenfunktionäre als Mitangeklagter präsentiert, am 25.8.1936 zum Tode verurteilt und erschossen. Seine Frau Betty wird in ein Arbeitslager deportiert und 1940 an die Gestapo ausgeliefert.
Rogowin: Die Partei der Hingerichteten, Bd. 5, S. 541.

Rakow, Werner Waldemar Richard, russ. Namenszusatz: Gottwaldowitsch (30.8.1893 Kreuzburg [Adsel-Koikjul]/Livland-14.9.1937, hingerichtet), deutscher Kommunist, sowjetischer Geheimdienstfunktionär (Decknamen: Wladimir Inkow, Felix Wolf). 1900 Ausreise aus Lettland nach Deutschland. 1906 Abitur in Hannover. 1914 Rückkehr nach Russland, nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs bei Perm interniert. Nach der Oktoberrevolution Eintritt in die Rote Armee, zunächst als Redakteur tätig. Im Dezember 1918 reist er zusammen mit der Gruppe von Karl Radek und Ernst Reuter unter dem Tarnnamen Felix Wolf nach Deutschland. Nimmt an der Gründung der KPD teil und wird zunächst Parteiarbeiter in Königsberg, später in Hamburg; gründet hier die Keimzelle des späteren M-Apparats. Aus Gründen der Geldbeschaffung im Frühjahr 1919 auch im Dienst der West-Mächte tätig. Ab 1920 Mitarbeiter des westeuropäischen Sekretariats der Komintern in Berlin. 1922 unter dem Decknamen Wladimir Inkow Resident der sowjetischen Militäraufklärung (GRU) in Wien. Oktober 1923-März 1924 Leiter der Informationsabteilung des M(ilitär)-Apparates der KPD, danach nach Moskau zurückbeordert und kaltgestellt. 1925-27 illegale Arbeit für die Komintern in den USA. 1928 in Moskau wegen angeblicher trotzkistischer Opposition aus der KPR(B) ausgeschlossen; nach anderen Quellen erst 1933. Später Strafversetzung nach Sibirien. 1936 Rückkehr nach Moskau als Redakteur der deutschen Zeitung DDZ in der Sowjetunion. Am 27.7.1936 wegen der angeblichen Wollenberg-Verschwörung verhaftet und am 14.9.1937 zum Tode verurteilt und erschossen. Seine beiden Brüder Paul und Nikolai Rakow trifft 1937/38 dasselbe Schicksal. Wird im Frühjahr 1941 durch das RSHA auf der Sonderfahndungsliste SU ausgeschrieben als: R33, Bankbeamter, RSHA IVA2. Rakow wird 1991 rehabilitiert.
Kolpakidi u.a.: Enziklopedija, S. 204 f.; A. Kolpakidi/D. Prochorow: Imperija GRU, Bd. 2, Biografii, S. 146-282; Weber u.a.: Deutsche Kommunisten, S. 586 f.

Rosenblitt, Filipp Samojlowitsch (Розенблитт Филипп Самойлович; auch: Rosenbliett) (1888 Mogiljow-Podolskij-), sowjetischer Geheimdienstfunktionär, zuletzt Militärarzt zweiten Ranges (1936). Lebt als Zahnarzt in New York; zugleich ab 1925 Offizier der GRU. Triff 1935 zusammen mit seiner Frau in der Sowjetunion ein. Dort im Januar 1938 aus der Roten Armee entfernt und festgenommen, am 17.9.1939 zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt. 2.4.1949 durch das MGB als Trotzkist zu Verbannung verurteilt. Danach verlieren sich seine Spuren.
Lurje u.a.: GRU, S. 460; Tschurakow: Repress.

Sakowskij, Leonid Michajlowitsch (eigentlich: Genrich Ernestowitsch Schtubis) (1894-29.8.1938, hingerichtet), sowjetischer Geheimdienstfunktionär, zuletzt Kommissar der Staatssicherheit 1. Ranges (1935). Seit 1918 Angehöriger der Tscheka. 1923-25 Bevollmächtigter der GPU in Moldawien. 1926-30 Chef der Spionageabwehr im Militärbezirk Sibirien, 1930-32 Bevollmächtigter der OGPU in Weißrussland. 1932-34 Volkskommissar für Inneres in Belorussland. 1934 NKWD-Chef von Leningrad, 1935-38 Leiter der Spionageabwehr im Militärbezirk Leningrad, gleichzeitig bis 1935 NKWD-Chef des Moskauer Gebietes. Im Januar 1938 Ernennung zum stellvertretenden Chef des NKWD, im April des gleichen Jahres zum Leiter einer NKWD-Baustelle degradiert. Wenig später verhaftet und im August 1938 hingerichtet.
Leonid Sakowski: Über einige Methoden und Kniffe der ausländischen Spionage-Organe und ihrer trotzkistischen und bucharinschen Agenten. 1937.

Sarubina, Elisaweta Julewna, geb. Gorskaja (1.1.1901-4.5.1987), sowjetische Geheimdienstfunktionärin (Spitzname: Lissa = Füchsin; Decknamen: Subilin; Sarah Herbert; Liza Rosenberg; Codenamen: Helen; Vardo; Vixen; Mrs. Green), zuletzt Oberstleutnant. Zweite Ehefrau von Wasilij Sarubin. Jüdin, geboren in der Bukowina, trägt während ihrer Kindheit den Namen Lisa Rosenzweig. Nach der Oktoberrevolution wandert die Familie nach Frankreich aus. Dort 1921-22 Studium in Paris, dann in Wien. Seit 1922 Mitglied der KP Österreichs, arbeitet nach Ende des Studiums ab 1924 als Übersetzerin in der sowjetischen Botschaft. Wird dort unter dem Decknamen Erna von der INO angeworben, ab 1928 gehört sie zum Bestand der illegalen Mitarbeiter der sowjetischen Auslandsaufklärung. Es folgt die Versetzung nach Moskau; dann Spezialeinsatz (hinter dem Begriff verbirgt sich das auftragsgemäße Anknüpfen einer Liebesbeziehung), bei dem sie den INO-Residenten für den Nahen Osten Jakow Bljumkin wegen persönlichen Kontakten zu Leo Trotzki angeblich überführt, woraufhin Bljumkin erschossen wird. 1930 zusammen mit ihren Mann nach Paris, wo sie u.a. eine Sekretärin der deutschen Botschaft mit dem Decknamen Chanum anwirbt. Ab 1933 als Mitarbeiterin der INO in Deutschland. Dort hält sie weiter Kontakt zu Chanum, die mittlerweile im Auswärtigen Amt arbeitet, gleichzeitig führt sie auch den dort tätigen Agenten mit dem Decknamen Winterfeld. In dieser Zeit ebenfalls Verbindungsoffizierin zu Willi Lehmann (Breitenbach). 1937 Rückkehr nach Moskau, Versetzung in die Reserve der INO, jedoch mehrmals als Kurierin eingesetzt. 1939 auf Anweisung Berijas aus dem NKWD entlassen, wird sie 1940 jedoch für einen weiteren Deutschlandeinsatz reaktiviert. In Berlin wird sie der neue Führungsoffizier der Agentin Auguste, der Frau eines hochrangigen deutschen Diplomaten. Im Februar 1941 Rückkehr nach Moskau, ab April erneut in Deutschland zur Wiederherstellung des Kontakts zu Winterfeld. 1941-44 zusammen mit ihrem Mann in den USA, wo sie mehr als 20 Quellen führt, die u.a. auch für das amerikanische Atombombenprojekt arbeiten. Nach Abberufung in die Sowjetunion Abteilungsleiterin der INO, jedoch 1946 wegen „keiner Möglichkeit der Weiterverwendung“ verabschiedet. Wie ihr Mann 1953 kurzzeitig reaktiviert, doch bald danach wieder aus den „Organen“ entlassen. Kommt 1987 bei einem Verkehrsunfall ums Leben.
Inez Cope Jeffery: Inside Russia. Life and Times of Zoya Zarubina. Austin/Texas 1999; Costello: Mask, S. 692; Whaley: Biographical Index, C 126.

Serebrjanskij, Jakow Isaakowitsch Серебрянский Яков Исаакович (ursprünglich: Bergman) (26.11.1892 Minsk-30.3.1956 Moskau, in U-Haft), sowjetischer Geheimdienstfunktionär (Deckname: Maxim), zuletzt Oberst. Seit 1907 Mitglied revolutionärer russischer Gruppen, Mitglied der Sozialrevolutionäre bis 1917. Seit Mai 1920 Mitarbeiter der Tscheka. Ab 1923 Angehöriger der INO, im gleichen Jahr Kandidat der KPR(B). Ende 1923-25 erster Auslandseinsatz, der ihn nach Palästina führt. Baut dort eine größere Agentengruppe auf, die aus russischen Emigranten besteht. 1925-28 illegaler Resident der INO in Belgien und Frankreich. 1927 als Mitglied in die KPR(B) aufgenommen. 1929 Rückkehr nach Moskau, dort Leiter der INO-Abteilung illegale Aufklärung. Gleichzeitig bei der OGPU Chef der Sondergruppe Jaschi, auch: Kontor S, die Agenten und Diversanten für einen eventuellen Kriegseinsatz ausbildet. 1930 entführt er zusammen mit dem stellvertretenden Chef der sowjetischen Spionageabwehr in Paris den russischen General und Chef der ROWS Alexander Kutjepow nach Moskau. Kutjepow verstirbt jedoch beim Transport in die Sowjetunion. 1931-34 Agenteneinsätze in Rumänien, den USA und Frankreich. 1935 baut er auf Anweisung von Genrich Jagoda das Toxikologische Labor des NKWD auf. Gleichzeitig ist er ab 1934 Leiter der Sondergruppe für Spezialeinsätze des NKWD. Mit ihr führt er zwischen 1935 und 1938 Sondereinsätze, d.h. in erster Linie Mordaufträge, in China, Spanien und Frankreich durch. Hierbei gelingt es ihm u.a., das Archiv der Trotzkisten nach Moskau zu schaffen, gleichzeitig versucht er vergeblich, Leo Trotzkis Sohn, L.L. Sedow, in die Sowjetunion zu entführen. Auch ein Mordanschlag auf Hermann Göring in Paris misslingt. Ende 1938 wird Serebrjanski in der Sowjetunion verhaftet und bis 1941 inhaftiert. Im Krieg in leitender Funktion in der 4. Verwaltung des NKWD tätig. 1945 gewinnt er nach russischen Informationen den gefangen genommenen deutschen Großadmiral Erich Raeder als Informanten, bis dieser auf Drängen der Briten gegen Pjotr Krasnow ausgetauscht wird. Ab 1946 im vorläufigen Ruhestand, wird er 1953 im Rahmen des Vorgehens gegen Pawel Sudoplatow erneut verhaftet. Am 30.3.1956 verstirbt er während eines Verhörs.
Nr. 6143 in: Rossijskaja Jewrejskaja Enziklopedija. Moskwa 1995; Wadim Abramow: Jewrei w KGB. Palatschi i shertwij. [Juden im KGB. Exekutoren und Opfer. Moskwa 2005, S. 292-297; Borgersrud: Wollweber-Organisation, S. 55-57.

Sierra, Maria de la (-1988), sowjetische Agentin (Deckname: Afrika). Ende der 1930er Jahre als Sekretärin bei Leo Trotzki eingeschleust. Nach dem Überlaufen von Lew Feldbin (Alexander Orlow) von dort abgezogen. Im Zweiten Weltkrieg als Partisanin hinter den deutschen Linien tätig. Nach dem Krieg über 20 Jahre als Agentin des KGB in Lateinamerika.
Pawel Sudoplatow: Handlanger der Macht.

Silva, Arnaldo (auch: Сильва Арнальдо) (9.10.1887 Rom-3.6.1938 Moskau, hingerichtet), Italiener, sowjetischer Geheimdienstfunktionär (sowjetischer Aliasname: Iwan Romanowitsch Monotow, Монотов Иван Романович). Mitglied sozialistischer und kommunistischer Gruppierungen in Italien. 1922 in die Sowjetunion geflohen. 1922-26 Hörer an der Höheren Militärschule der Komintern und der Militärakademie der Roten Armee. September 1926-Februar 1932 zur Verfügung der GRU; Agenteneinsätze in Österreich und Rumänien unter der Legende eines italienischen Bildhauers. 1933 Verleihung der sowjetischen Staatsbürgerschaft. Gleichzeitig vom NKWD als möglicher Trotzkist überwacht. 1937 aus Moskau ausgewiesen, in die Refgion Krasnojarsk verbannt. 23.1.1938 festgenommen, am 10.3.1938 in Moskau zum Tode o. zu 10 Jahren Haft verurteilt. Drei Monate spätger hingerichtet.
A. Kolpakidi/D. Prochorow: Imperija GRU, Bd. 2, Biografii, S. 146-282.

Singer, Kurt, urspr. Kurt Deutsch (10.8.1911 Wien-9.12.2005 Santa Barbara/USA), österreichisch-amerikanischer Journalist, Doppelagent. Zunächst in Wien aufgewachsen, 1919-34 in Berlin. Bis 1934 Mitglied im Lenin-Bund. 1934 als Flüchtling in Reichenberg/Tschechoslowakei, dort Tätigkeit in einer als Buchhandlung tätigen Scheinfirma der Komintern. 1935 weitere Flucht nach Schweden; legt sich das Schriftstellerpseudonym Singer (nach dem Familiennamen seiner Mutter) zu; ändert später seinen Namen ebenfalls in Singer. Ist in dieser Zeit als Journalist tätig und tut sich durch erfundene Kriegsberichterstattung über den Abessinienkrieg sowie durch ein Interview mit Leo Trotzki hervor. Wird Ende der 1930er Jahre als Sabotageagent vom Residenten der Sektion D des SIS, Alfred Rickman, angeworben; betätigt sich aber in Wirklichkeit als Agent der Schwedischen Staatspolizei und sorgt dafür dass seine Gruppe im April 1940 auffliegt. Lässt sich in derselben Zeit von der NKWD-Sabotageorganisation des Ernst Wollweber im Auftrag der Reichspolizei anwerben. 1940 Emigration in die USA, 3.7.1940 Ankunft in New York. Mitglied der Bewegung Freies Deutschland. Tätigkeit für das OSS, später auch für die CIA. 1945-50 Lektor an verschiedenen Universitäten. 1951 PhD und US-Staatsbürgerschaft. Tätigkeit als Journalist und für die UNO. Lebt bis zu seinem Tod in Kalifornien.
P. Carbone [i.e. Kurt Singer]: Det kommande Luftkriget [Der kommende Luftkrieg]. 1935; Kurt Singer: Göring. Tysklands farligaste man [Göring. Deutschlands gefährlichster Mann]. 1939; ders.: Duel for the Northland. The War of Enemy Agents in Scandinavia. 1943; ders.: Spies and Traitors of World War II. 1945; ders.: The Men in the Trojan Horse. 1953 [biografische Abhandlung über Wilhelm Canaris]; ders.: Spy Omnibus. 1959; ders.: Three Thousand Years of Espionage. 1871; ders.: I spied, I survived. 1980; Herbert Lehnert: Kurt Singer; Borgersrud: Wollweber-Organisation, S. 181.

Siqueiros, David Alfaro (29.12.1896-6.1.1974), Mexikaner, Maler, Attentäter. Muralist und Kommunist, seit 1924 leitender Funktionär der kommunistischen Partei in Mexiko. 1936-38 im Spanischen Bürgerkrieg aktiv, dort Agent (Deckname: Kone) des NKWD. Verübt im Auftrag von Naum Ejtingon für das NKWD am 23.5.1940 einen Mordanschlag auf Leo Trotzki, den er bereits im Spanischen Bürgerkrieg zusammen mit Vittorio Vidali geplant hat. Das Attentat gelingt nicht; Siqueiros wird im September 1940 festgenommen, aber gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt; er entflieht auf Einladung des Dichters Pablo Neruda nach Chile.
D.A. Siqueiros: Man nannte mich den „Großen Oberst“. [Ost-]Berlin 1988.

Sobolevicius, Abromas (russ.: Abrascha Sobolewitsch, auch: Abaham) (1903-), litauischer Jude, sowjetischer Agent (Decknamen: Abram; Jack Soble; Adolf Senin; Adolphe Senne). 1921 Mitglied der KP Litauen. Zusammen mit seinem Bruder Ruvelius (Robert) in den 1920er Jahren von der INO der OGPU angeworben. 1924 Mitglied der KPD; dort 1929 als Trotzkist ausgeschlossen. In derselben Zeit Tätigkeit als Infiltrationsagent der OGPU gegen die Trotzkistenszene in Europa, Tätigkeit u.a. in Deutschland und Frankreich. 1927 in der Sowjetunion, 1928 in Litauen. Besucht Trotzki auf Principo/Türkei, 1931/2 in Kopenhagen als Berater von Leo Trotzki tätig. 1932 in der Sowjetunion, Mitglied der VKP(B), Mitarbeiter der Profitern. 1934 Herausgeber von Das neue Dorf in Charkow; Februar 1936 Ausschuss aus der VKP(B) als militanter Trotzkist. 1936-40 unklar. 1940 Aufbruch mit etlichen Familienmitgliedern (Deckname: Tarrass) zu einer weiteren Mission. Hierzu Reise durch die Sowjetunion, die Mandschurei, China nach Japan. Weiterreise über die USA nach Montreal/Kanada. Ausreise nach New York, dort Einbügerung als Jack Soble. 1944 Chef eines sowjetischen Spionageringes in den USA, führt u.a. den Ageten Mark Zborowski. 1957 (vermutlich aufgrund der Angaben des Doppelagenten Boris M. Morros) als sowjetischer Agent (Venona Codename: Abram; Czech) in New York verhaftet. Trägt nach seiner Verhaftung zur Aufklärung des Trotzki-Mordes bei, im Oktober 1957 in New York wegen Spionage zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt. Vermutl. ders.: Wird im Frühjahr 1941 vom RSHA auf der Sonderfahndungsliste SU ausgeschrieben als: Sobolevich, Abraham, Kowno, Arzt, sowjetrussischer Agent, RSHA IVE5.
Robert Conquest: Der große Terror, S. 471 f. (die Vermutung, dass S. durch den Überläufer Hayhanen enttarnt wird, ist unzutreffend); Rogowin: Die Partei der Hingerichteten, Bd. 5, S. 557; Auskunftsbericht der Komintern über Trotzkisten in der KPD vom 4.9.1936.

Sobolevicius, Ruvelis Leiba (7.11.1900-11.9.1962 London, Selbstmord), litauischer Jude, sowjetischer Agent (Decknamen: Ruvin Sobelewski; W. Schmidt; Sobolev, Robert Wellmann; Roman Well; Erwe). 1921 Mitglied der KPLitauen. 1922 Mitglied der KPD. Mitte der 1920er Jahre-Mitte der 1930er Jahre Infiltrationsagent gegen Trotzkisten. Tätigkeit in Leipzig, später in Berlin. ?1936 enttarnt, vermutlich in Deutschland festgenommen und in die Tschechoslowakei abgeschoben. Über Schweden zurück nach Litauen. Tätigkeit dort unklar. 1940 Aufbruch mit etlichen Familienmitgliedern zu einer weiteren Mission. Hierzu Reise durch die Sowjetunion, die Mandschurei, China nach Japan. Weiterreise über die USA nach Montreal/Kanada. Ausreise nach New York, dort Einbügerung als Robert A. Soblen. Psychiatriestudium und Tätigkeit am Rockland State Hospital; zugleich weitere Tätigkeit als sowjetischer Agent, zunächst im Grigorij Rabinovich-, dann im Sarubin-Ring (Venona-Codenamen: Roman, UCN 25). 7.8.1961 zu lebenslanger Haft wg. Spionage verurteilt. Wg. Erkrankung an Leukämie gegen Kaution von 100.000 Dollar auf freiem Fuß. Flieht im Juni 1962 mit dem Pass seines in Kanada verstorbenen Bruders als Beras Goble nach Israel. Von dort in die USA zurück ausgewiesen; auf dem Rückweg bei einem Zwischenhalt in England Selbsttötung.
Rogowin: Die Partei der Hingerichteten, Bd. 5, S. 557; Der Spiegel 34/1962, S. 44 f.

Sudoplatow, Pawel Anatolewitsch (7.7.1907-24.9.1996), sowjetischer Geheimdienstfunktionär, zuletzt: Generalleutnant. Ukrainer. 1919 schließt er sich einem Regiment der Roten Armee an. Ab 1921 Angehöriger der GPU, zunächst bei der Militärabwehr eingesetzt. 1927 Versetzung zur Statistikabteilung der OGPU, mehrere Auslandseinsätze in Deutschland, Griechenland und Bulgarien. 1932 Wechsel zur Zentralverwaltung der OGPU, dort zunächst Leiter der 1. Abteilung der Kaderverwaltung, überprüft Anwärter für die INO. 1933 von der Auslandsaufklärung übernommen, wird Mitarbeiter der Abteilung für wissenschaftlich-technische Spionage. 1935 als angeblicher ukrainischer Nationalist mit dem Decknamen Andrej in Berlin eingesetzt. Gewinnt dort das Vertrauen des Chefs der OUN Eugen Konowaletz. Studiert gleichzeitig 3 Monate an der Parteischule der NSDAP in Leipzig. 1937-38 als Agentenkurier auf einem sowjetischen Handelsschiff eingesetzt. Am 23.8.1938 ermordet er im persönlichen Auftrag Stalins in Rotterdam Konowaletz mit Hilfe einer als Konfektschachtel getarnten Sprengfalle. Wenig später Leiter der Spanienabteilung der INO. November-Dezember 1938 kommissarischer Leiter der INO. Ab Ende 1939 stellvertretender Chef der Auslandsaufklärung, leitet die Operation Ente, welche die Ermordung von Leo Trotzki zum Ziel hat. Auch verantwortlich für die Beseitigung des INO-Überläufers Ignaz Reiss und von Trotzkis Privatsekretär Rudolf Klement. Am 5.7.1941 Ernennung zum Leiter der Sondergruppe des NKWD, aus der 1942 die 4. Verwaltung des NKWD (Einsatz im Hinterland der Front) hervorgeht, dabei enge Zusammenarbeit mit Georgi Dimitroff beim Partisanenkampf. Ab Februar 1944 Chef der Abteilung S der INO, die Informationen über das amerikanische Atombombenprogramm beschafft ( Atomspionage). Ab November 1945 als Leiter der Abteilung K auch für die Spionageabwehr innerhalb des Atombombenprogramms der Sowjetunion zuständig. Im Februar 1947 Ernennung zum Leiter der Abteilung DR, die Spezialoperationen für den Kriegsfall gegen Militärbasen der USA vorbereitet. Ab 1950 Leiter des Büros Nr.1 der PGU, zuständig für Diversionseinsätze im Ausland. Nach dem Tod Stalins Ernennung zum Chef der Spionageabwehr; unternimmt in dieser Funktion im Auftrag von Lawrentij Berija geheimdienstliche Sondierungen für eine mögliche Wiedervereinigung Deutschlands. Dem Sturz Berijas im Sommer 1953 folgt seine Verhaftung; bis 1958 in Untersuchungshaft, dann zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. 1968 Freilassung, zusammen mit seinem Sohn gibt er nach dem Ende der Sowjetunion seine Erinnerungen heraus, die u.a. in den USA und in Deutschland erscheinen.
P.A. Sudoplatow: Der Handlanger der Macht. Enthüllungen eines KGB-Generals, Düsseldorf/Wien/New York 1994; russ.: Lubjanka i Kreml. Moskwa 1999; Lew Besymenski, in: Wolfgang Krieger/Jürgen Weber: Spionage für den Frieden?

Tommasi, Joseph (26.7.1886 Paris-28.5.1926 Moskau), französischer Gewerkschafter und kommunistischer Funktionär, sowjetischer Agent (Decknamen: Alexandre; Tom; Toto). Nach dem Ersten Weltkrieg Chef einer Gewerkschaft und Mitglied des Zentralkomitees der KPF; zugleich seit ?1921 Agent der GRU. Lebt in Paris mit Jelena Bronstein, einem Mitglied der Familie Leo Trotzkis, zusammen. Nach Moskau gereist und dort unter mysteriösen Umständen verstorben.
Kolpakidi u.a.: Enziklopedija, S. 426 f.

Trotzki, Leo, urspr. Lew Dawidowitsch Bronstejn (auch: Lew Trozkij, Trocky, Trotsky) (26.10/7.11.1879 Janowka/Russland [heute: Ukraine]–21. 8. 1940 Coyoacán/Mexiko, ermordet), russischer Revolutionär, sowjetischer Politiker, Dissident und Unperson. Führende Beteiligung an der russischen Revolution von 1905/6 in St. Petersburg. Haft und Exil. Im Herbst 1917 Organisator der Oktoberrevolution. Sodann Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten. 1918-25 Volkskommissar für Heer und Marine. 1927 Ausschluss aus dem Zentralkomitee der KPR(B) und Ende des Jahres aus der Partei. 1928 Verbannung nach Kasachstan; Februar 1929 Deportation aus der Sowjetunion in die Türkei. Ab diesem Zeitpunkt etliche Versuche der OGPU, bzw. des NKWD, Trotzki zu ermorden (Operation Ente). Trotzki wird schließlich 1940 vom sowjetischen Agenten Ramon Mercader in Mexico-City mit einem Eispickel getötet. – Daneben dient sein Name jahrzehntelang, um Abweichler und andere zu liquidierende Kommunisten sozusagen religionsintern (als Trotzkisten) zu diffamieren und (je nach den Zeitumständen) zu liquidieren, zu inhaftieren oder aus der Partei auszuschließen.
Leo Trotzki: Literatur und Revolution. Wien 1924; ders.: Mein Leben. Versuch einer Autobiografie. Berlin 1930; ders.: Stalins Verbrechen. Berlin 1990; Boris Ponomarev: Die Trotzki-Sinowjew-Bande. Eine direkte Agentur des Faschismus. Moskau 1937; Isaak Deutscher: Trotzki. Bd. 2 und 3. Stuttgart 1962, 1963; Dimitri Wolkogonow: Trotzki. Das Janusgesicht der Revolution. Düsseldorf//Wien/New York/Moskau 1992.

Vidali, Vittorio (27.9.1900-1983), italienischer Kommunist, sowjetischer Agent. In den 1920er Jahren als Komintern-Agent in den USA, Ende der 1920er Jahre in Mexiko, dort 1930 ausgewiesen. Zurück nach Moskau; von dort aus Spionageaufträge auf dem Balkan und in Mitteleuropa. Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg 1936-39 (Deckname: Carlos Contreras). Dort Arbeit für den NKWD. Ende Juni 1937 Mörder von Andres Nin, dem Führer der trotzkistischen POUM im spanischen Bürgerkrieg, den er im Garten des Prado auf Anweisung des NKWD-Residenten Alexander Orlow (Lew Feldbin) erschießt. 1939 Emigration nach Mexiko. Dort mit Naum Ejtingon Leiter des (fehlgeschlagenen) Mordanschlags auf Leo Trotzki in Coyoacán bei Mexiko City am 24.5.1940. Vermutlich 1942 an der Ermordung seiner Lebensgefährtin, der Malerin und Kominternagentin Tina Modotti (1896-5.1.1942), beteiligt. 1947 Rückkehr nach Italien; Politiker unter seinem wirklichen Namen; u.a. 1954-63 kommunistischer Parlamentsabgeordneter, 1963-68 Senator.
Christiane Barckhausen: Auf den Spuren der Tina Modotti. Köln 1988; neu aufgelegt als: Tina Modotti: Leben, Werk, Schriften. Neue Dokumente aus den Moskauer Komintern-Archiven. Kiel 1996; Pino Cacucci: Ein brüchiges Leben in Zeiten absoluter Gewissheiten. Frankfurt 1989; Tina. Das abenteuerliche Leben der Tina Modotti. Zürich 1993; Elena Poniatowska: Tinissima. Frankfurt 1996; Markus Patka: Zu nahe der Sonne. Berlin 1999; Rogowin: Die Partei der Hingerichteten, Bd. 5, S. 564.

Zborowski, Mark (urspr. Mordka Grigorjewitsch Z.) (27.1.1908 Uman-30.4.1990 San Franzisko), sowjetischer Agent. Lebt ab 1921 in Polen, tritt dort in die kommunistische Partei ein; emigriert 1928 nach Frankreich. Dort 1933 von der INO der OGPU angeworben. Als deren Agent mit den Decknamen Max und Tulpe dringt er Anfang der 1930er Jahre in den engeren Kreis von Leo Trotzki vor. Initiiert den Diebstahl des Trotzki-Archivs in Paris im November 1936, verursacht beinahe die Ermordung des Überläufers Walter Kriwizki 1937, liefert 1938 die Trotzki-Sekretäre Rudolf Klement und Erwin Wolf und am 14.2.1938 den Sohn Trotzkis, Lew Sedow, an die Mordkommandos des NKWD aus. 1941 Übersiedlung in die USA, spioniert dort weiter für die Sowjetunion. Nach dem Krieg durch den NKWD-Überläufer Lew Feldbin (Alexander Orlow) als einer der Führer des sowjetischen Agentennetzes in den USA enttarnt. Macht sich in den 1950er Jahren als Anthropologe in den USA einen Namen; wird dort im Dezember 1958 wegen Meineides zu 5 Jahren Haft verurteilt.
Mark Zborowski: Das Schtetl. Die untergegangene Welt der osteuropäischen Juden. 2. Aufl. München 1991; Rogowin: Die Partei der Hingerichteten, Bd. 5, S. 566.

©Helmut Roewer, Mai 2020