Die richtige Rechnungsstellung bei wechselnden Umsatzsteuersätzen

Die letzte Umsatzsteuerumstellung ist eine Weile her. Das war am 1.1.2007. Die älteren Unternehmer erinnern sich mit schlechten Gefühlen, die Jüngeren wissen nicht, was bei der Rechnungsstellung alles auf sie zukommt.

Zunächst mal zur Wirkung der Steuersenkung vom 1.7. bis 31.12.2020: Es werden einige Kunden Käufe von höherwertigen langlebigen Konsumgütern in dieses Zeitfenster verlagern, also ggf vorziehen. Damit wird bewirkt, daß im ersten Halbjahr entstandene Umsatzverluste der Firmen etwas ausgeglichen werden. Ein Teil der Steuersenkung wird an die Kunden weitergegeben werden, ein Teil sicher auch nicht. Vorgezogene Käufe haben immer die Auswirkung, daß in der Folgeperiode weniger gekauft wird. Das war insbesondere bei der Abwrackprämie so. Man schmeißt ein Loch zu, entnimmt die Erde jedoch vom eigenen Acker und erntet in den Folgejahren entsprechend weniger.

Grundsätzlich gilt: Wird die Leistung (der Begriff Leistung umfasst zum einen Lieferungen von Gegenständen, z.B. Verkauf eines Kfz, und zum anderen sonstige Leistungen, z.B. Dienstleistungen aller Art) nach dem 31.12.2020 ausgeführt, beträgt die Umsatzsteuer wieder 19%. Dabei spielt der Zeitpunkt der Rechnungserteilung ebenso wenig eine Rolle wie der Zeitpunkt des Zahlungseingangs beim Unternehmer oder der Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung. Entscheidend ist nur der Zeitpunkt der Leistungsausführung.

Eine Lieferung ist ausgeführt, wenn ein Gegenstand vom Unternehmer auf den Abnehmer/Kunden wechselt und der Abnehmer/Kunde den Gegenstand zu seiner freien Verfügung verwenden kann (Fachbegriff: Verschaffung der Verfügungsmacht).

Insbesondere im Bauwesen, wo die Herstellung sich oft über ein Jahr erstreckt, kann das kuriose Auswirkungen haben. Ein Vorhaben, das noch im Dezember fertig wird, wird insgesamt (also auch vor dem 1,7.2020) mit 16 % besteuert, wird es erst im Januar übergeben, insgesamt mit 19 %. Das wird auf den Baustellen zu einer Hasenjagd führen, zu Qualitätsmängeln und dergleichen. Ich erinnere mich noch, was los war, als die Sonderabscheibungen in den 90ern auch jeweils zum Jahresende ausliefen, zum Beispiel 1996. Alles stand am Jahresende Kopf, um noch in den Genuß der Vergünstigung zu kommen.

Werden vor dem 1.1.2021 Voraus- oder Abschlagsrechnungen mit 16%igem USt-Ausweis erteilt und die Anzahlung vereinnahmt, während die entsprechenden Leistungen aber erst nach dem 31.12.2020 erbracht werden, ist die Differenz zwischen altem und neuem Steuersatz bei Leistungsausführung nachzuentrichten. Das führt zu relativ komplizierten Rechnungen. Umgekehrt: Werden vor dem 1.7.2020 Voraus- oder Abschlagsrechnungen mit 19%igem USt-Ausweis erteilt und die Anzahlung vereinnahmt, während die entsprechenden Leistungen aber erst nach dem 1.7.2020 und vor dem 1.1.2021 erbracht werden, ist die Differenz zwischen altem und neuem Steuersatz bei Leistungsausführung rückzufordern. Man muß also darauf achten, daß die Schlußrechnung hoch genug ist, um diesen Abzug zu ermöglichen.

Werden statt einer Gesamtleistung Teilleistungen erbracht, kommt es für die Frage der Höhe des Steuersatzes (16% oder 19%) nicht auf den Zeitpunkt der Gesamtleistung an, sondern darauf, wann die einzelnen Teilleistungen ausgeführt werden. Teilleistungen sind wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Leistungen, für die das Entgelt gesondert vereinbart wird. (Entsprechende Vertragsgestaltung!) Sie werden anstelle der Gesamtleistung geschuldet und gelten daher mit ihrer Erfüllung als ausgeführt. Ein typisches Beispiel: Außenanlagen von Bauten, Garagen usw.

Ausführungen zu Besonderheiten, wie nachträglichen Entgeltsminderungen/-erhöhungen, Einlösen von Gutscheinen, Erstattung von Pfandbeträgen, Gewährung von Jahresboni u.ä. Sonderregelungen für Telekommunikationsleistungen, Strom-, Gas- und Wärmelieferungen, Personenbeförderungen, Durchschnittssätze in der Landwirtschaft, Umsätze von Handelsvertretern, Handelsmaklern und im Gastgewerbe (in der Silvesternacht) sowie beim Umtausch von Gegenständen werden sicher in umfangreichen Begeitschreiben des BMF geregelt.

Ob der Unternehmer die Umsatzsteuersenkung bzw. -erhöhung selbst vereinnahmen/tragen muss oder ob er sie auf den Kunden weitergeben/abwälzen kann, ergibt sich aus der zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Kunden (z.B. Kaufvertrag, AGBs).

Noch ein Hinweis: Gewerbemietverträge rechtzeitig umfummeln!

Ja, da denkt sich Klein-Fritzchen, daß alles ganz einfach ist. Wer mit dem Finanzamt vor 2008 schon mal zu tun hatte, weiß was kommt. Die Umsatzsteuer ist vom Vollzug her seit ehedem die komplizierteste und steitbeladenste. Nach meiner Einschätzung wäre eine dauernde Senkung oder Abschaffung der Armensteuern EEG, GEZ, Stromsteuer, Tabaksteuer, Mittelstandsbauch vom Vollzug her viel einfacher gewesen.

Ich weise noch darauf hin, daß ich kein Steuerberater bin und daß das keine Rechtsberatung ist. Das ist nur eine politische Bewertung der beschlossenen Steuersenkung/Steuererhöhung.

Hinweis: Der Steuerberater wird beim Vertragsmanagement nicht helfen. Die Vereinbarung von Teilleistungen und von Brutto- oder Nettovergütungen, das ist eben das Werk des guten Hirten. Der ist man selbst oder auch nicht. Man muß sich insbesondere am Jahreswechsel davor schützen auf 3 % Differenz-Umsatzsteuer sitzenzubleiben.

 

Grüße an den V-Schutz. Bitte sofort Eilmeldung an den Genossen Minister.

Das Beitragsbild zeigt die Steuerentrichtung in einer Amtsstube um 1800. Da gab es kein Steuergeheimnis, keine Abstandsregeln, keine Buchführungspflicht, die Steuern wurden nach Grundstücksgröße, Herkommen und Nase festgesetzt. Ging auch.