Die Wasserstoff-Wunderwaffe

In der Systempresse und im zwangsfinanzierten Staatsfernsehen wurde in den letzten Wochen die „Nationale Wasserstoffstrategie“ wohlwollend begleitet.

„Wasserstoff ist das Wundermittel der Energiewende. Das brennbare Gas, hergestellt aus Elektrizität und Wasser, kann theoretisch alle Krankheiten der Ökostrom-Revolution heilen. Es dient als Speichermedium für grüne Kilowattstunden. Es macht als Transportmittel im Erdgasnetz den Bau von Monstertrassen überflüssig. Es kann, zu Kraftstoff veredelt, den Verkehr klimaneutral machen.“ So las sich es vom euphorischen Daniel Wetzel in der Welt: Der „Champagner der Energiewende“ wurde angepriesen.

Im Herbst 1994 mußte ich auf Wunsch eines staatlichen Auftraggebers mal zu einer Wahlkampfveranstaltung des thüringischen Wirtschaftsministers Jürgen Bohn nach Erfurt fahren. Wo heute Lidl und Rewe ihre Verkaufstempel errichtet haben, stand damals ein gesellschaftliches Zentrum und der Minister marschierte mit einem gelbblauen Regenschirm an, um dort einen Vortrag über die Zukunft der Brennstoffzelle zu halten. Es waren etwa dreißig Leute da, davon die Hälfte so wie ich von Hintermännern abgeordnet, und die FDP verschwand bei der Landtagswahl für Jahre von der politischen Bildfläche. Mit ihr die Brennstoffzelle. Das ist jetzt 26 Jahre her. Und nun ist sie in leicht veränderter Aufmachung wieder mal da. Sie taucht immer auf, wenn irgendwas gerettet werden soll: Damals die FDP, heute die Energiewende der CDU. Nur als Nebenbemerkung: Bohn hat seine bürgerliche Existenz gerettet und ist heute Honorarkonsul des Ungarlands.

Nun lassen wir mal den Korken vom neuen Champagner knallen. Die deutschen Ökonomen sind immer zu gesellschaftlicher Relevanz aufgeblüht, wenn die Regierung irgendeine Sch…. gemacht hat:  Bei der Einführung des Euro 2002, bei der Eurorettung 2009 und jetzt bei der Wirtschaftskrise. Der Ökonomenblog ist aus einem jahrelangen Dornröschenschlaf erwacht und wieder lesenswert.  Prof. Manuel Frondel hat mal in die Champagnerwerkstatt reingeleuchtet und vier Problemkreise identifiziert:

„Eine ganz entscheidende technologische Voraussetzung ist, dass das als Katalysator in Brennstoffzellen verwendete teure Platin durch einen wesentlich günstigeren und weitaus verbreiteteren Katalysator ersetzt werden kann. Bei einer sprunghaft steigenden Verbreitung des Wasserstoffantriebs würde es zu einem erheblichen Mehrbedarf an Platin kommen, dessen Preis infolgedessen noch weiter steigen würde. Dabei ist das Edelmetall bereits heute seltener und teurer als Gold.“

„Ohne eine ausreichend hohe Zahl an Wasserstofftankstellen wird es nicht zu einer massenhaften Verbreitung von Wasserstofffahrzeugen kommen, aber ohne eine Verbreitung dieser Fahrzeuge wird sich die Zahl an Tankstellen nicht ausreichend erhöhen. Ebenso wie bei den Elektroautos kann das Henne-Ei-Problem kaum anders gelöst werden als durch eine zeitlich sowie in ihrer Höhe begrenzte Subventionierung sowohl von Tanksäulen als auch von Wasserstofffahrzeugen.“

„Gerade aber bei den Herstellungskosten ist die entscheidende Frage, ob Wasserstofffahrzeuge irgendwann einen Vorteil gegenüber Elektrofahrzeugen erlangen werden. Dies hängt sehr davon ab, wie sich die Kosten für Batterien für Elektrofahrzeuge entwickeln werden und ob die Herstellungskosten für Brennstoffzellen samt Katalysator plus den für die Speicherung des Wasserstoffs nötigen Tanks auf Dauer niedriger liegen werden als die Kosten für Batterien für Elektrofahrzeuge. Hier sind Zweifel angebracht…“

„Viertens bilden auch die Kosten für die Herstellung von Wasserstoff eine wichtige Variable, die über die Zukunft von Wasserstofffahrzeugen entscheiden kann. Wenn Wasserstoff im großen Maßstab vor allem im Elektrolyseverfahren aus Strom gewonnen würde, wäre Wasserstoff notwendigerweise teurer als Strom und es wäre kostengünstiger, den Strom direkt in Elektrofahrzeugen zu verwenden. Nur wenn Strom im Überfluss vorhanden wäre, kann es sinnvoll sein, diesen in Form von Wasserstoff zu speichern.“

Der Professor zieht den Schluß: „Die Verbreitung des Wasserstoffantriebs braucht, wenn sie sich im großen Maßstab überhaupt vollziehen wird, definitiv noch Zeit. Experten aus der Autobranche, wie etwa der Entwicklungschef von Toyota, gehen davon aus, dass noch bis zu 20 Jahre vergehen werden, bis die Brennstoffzelle ihren Durchbruch feiern könnte. Haupthindernis sind die hohen Kosten von Brennstoffzellsystemen.“

Sicher, wenn für die Verklappung des Müllstroms ins Ausland hohe Beträge bezahlt werden müssen, ist es wirtschaftlicher, Wasserstoff draus herzustellen. Aber ob ersparte Entsorgungskosten ausreichen werden, um eine neue Technologie in den Massenverkehr einzuführen darf bezweifelt werden. Man wird den Verdacht nicht los, daß die Medien eine nicht ganz neue Sau durchs deutsche Dorf treiben, um von der aus dem Gleise geratenden Energiewende abzulenken. Die Stromkosten gehen entgegen den Versprechungen von der Kugel Eis, was das alles angeblich kosten würde, durch die Decke. Wasserstoff könnte die Armee Wenck des dicken Altmaiers sein, die Berlin vor dem finalen energiepolitischen Angriff der AfD retten soll. 1945 herrschte in einer verzweifelten Situation in bestimmten Berliner Kreisen naiver Wunderglaube, immer wenn Wunder angekündigt werden, sollte man jedoch skeptisch sein.

 

Grüße an den V-Schutz. Es sieht schon etwas fragwürdig aus, wenn der wohlbeleibte Minister das Projekt mit Maulschutz promotet. Wie einer von den Panzerknackern.

 

Beitragsbild: Screenshot aus WELT.

Update: Grade ist eine Email vom thüringischen Landtagsabgeordneten Thomas Rudy eingetroffen. Er beklagt, daß Fördermittel nicht für Gurte, sondern für Wasserstoffbusse fließen:

Bei einem Unfall mit einem Schulbus in Gefell im Saale-Orla-Kreis sind laut Polizeiangaben acht Kinder verletzt worden. Sie erlitten Prellungen, Schürfungen und Knochenbrüche. Den Angaben zufolge musste die Busfahrerin am Freitag in der Schleizer Straße in Gefell eine Vollbremsung einleiten, als sie von einem Kleintransporter überholt wurde. Aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag geht derweil hervor, dass die Landesregierung keinerlei Fördermaßnahmen zur Ausstattung von Omnibussen mit Sicherheitsgurten vorsieht. Stattdessen sei es zielführender, »dass Busunternehmen mit Hilfe von Landesförderungen ihre Fahrzeugflotten durch die Beschaffung neuer, emissionsarmer bzw. emissionsfreier und mit einer Vielzahl von Sicherheitsmerkmalen ausgestatteten ÖPNV-Fahrzeuge modernisieren«.

Rudy:

„Elektro- und Wasserstoff-Busse sind in Anschaffung und Unterhalt signifikant teurer als konventionelle Diesel-Busse. Eine flächendeckende Anschaffung ist für Busunternehmer oft unwirtschaftlich und es ist auch nicht zu erwarten, dass diese in absehbarer Zeit Diesel-Fahrzeuge ersetzen können. Wenn man die Ausführungen der Landesregierung zu Ende denkt, bedeutet dies eine lückenhafte Ausstattung der Busse mit Sicherheitsgurten, alles im Dienste des Klimas. Das ist absurd und untragbar. Ich fordere die Landesregierung daher auf, schnellstmöglich Fördermittel für die Nachrüstung von Sicherheitsgurten bereit zu stellen und eine Ausrüstung sämtlicher Omnibusse zu veranlassen.“

Es war dieses Jahr übrigens nicht der einzige Schulbus in Thüringen, der verunglückt ist. In Berka v.d. H. wurden zwei Kinder getötet, die aus einem Bus geschleudert worden waren, weitere wurden schwer verletzt.