Das Bildungsbürgertum will die Freiheit zurück

Am 10. Dezember 2015 hatte ich unter der Überschrift „Außerhalb des regierten Stalls“ auf ein Defizit der bleiernen und humorlosen Merkelzeit hingewiesen: Die grassierende Ausgrenzeritis. Angesichts von AfD, Querdenken, Nuhr, Eckardt und Steimle ein heißes Thema, nicht einmal Hofnarren werden heute noch geduldet:

„Verständige Herrscher haben sich immer bemüht so viele Querdenker, Freiheitsfreunde und Kreative wie irgend noch möglich innerhalb der Weidezäune der herrschenden Klasse grasen zu lassen. Erstens weil es Nutzen für das naturwüchsig zur Verkrustung neigende Herrschaftssystem bringt und zweitens weil man die Zahl der hungrigen Wölfe reduziert, die um die regierten Schafe herumkreisen.

Dumme Machthaber haben die Zahl ihrer Feinde mit aller Gewalt vermehrt. Da gab es beispielsweise den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, der die Juden mit eiferndem Fanatismus und steriler Prinzipienreiterei auf Grund der mehr als fragwürdigen Theorie verdorbenen Blutes ausgrenzte. Auch im arischen Bereich konnte er viele Leute nicht leiden. Dr. Konrad Adenauer hatte zum Beispiel Gelegenheit von 1933 bis 1945 in seinem Garten Rosen zu züchten und eine spezielle Gießkanne dafür zu erfinden. Andere fanden sich in Lagern wieder und verloren dort ihre Gesundheit wie der Sozialdemokrat Kurt Schumacher.

Ähnlich verhielten sich die ostdeutschen Machthaber Stalin, Chrustschow und Breschnew. Alle die bis drei zählen konnten, verschwanden nach und nach von der Bildfläche oder im Westen. Wolf Biermann, Rudolf Bahro, Matthias Domaschk, Jürgen Fuchs, Erich Loest, Lutz Rathenow, Vera Lengsfeld, Wolfgang Templin. (…)

Niemals haben Machthaber mit ihrer Strategie der Ausgrenzung von querdenkenden Multiplikatoren nachhaltigen Erfolg gehabt. (…) Und nun arbeitet Frau Dr. Merkel an ihrem unfreiwilligen Abgang. Sie hat in den letzten Jahren genügend Outlaws produziert, die nun anfangen ihr zu schaden. (…)

Die Auflösungserscheinungen der bundesrepublikanischen Gesellschaft sind unübersehbar. Es gibt viele Parallelen zur untergehenden DDR. Gerade im medialen und kulturellen Bereich. Der geistige Untergang der DDR erfolgte spätestens am Tag als Wolf Biermann ausgebürgert wurde. Das war 14 Jahre vorm politischen Zusammenbruch. Frau Merkel merkte das alles nicht. Sie war ja auch eine der ganz wenigen Personen, die die Grenzöffnung verratzt haben. Offensichtlich eine extreme Autistin.“

Warum wärme ich diesen Eintrag heute am Vorabend der Freiheitsdemo in Berlin auf? Weil die Zahl der Ausgegrenzten plötzlich stark gestiegen ist. Es sind die durch den Shutdown wirtschaftlich Ruinierten dazugekommen, und das sind viele. Man kann Leute durch politischen Fanatismus in die Opposition treiben, aber auch mit wirtschaftlicher Vernichtung. Wenn ich mir die Organisation von Querdenken ansehe, ziehe ich den Hut vor einer ausgeprägten Professionalität. Da sind Leute am Werk, die wissen, wie man Großveranstaltungen managt, was eine Bühne ist, wie man trommelt und wie man Sitzblockaden macht.

Vom beschäftigungslosen Eventmanager über den verärgerten Kleinkünstler, den Globalisierungsgegner bis zu den Wutbürgern vom Stuttgarter Bahnhof hat zusammengefunden, was von der alternativlosen Rechthaberin Dr. Merkel nazifiziert, ruiniert, nicht beachtet, ausgelistet und verhöhnt wurde.

Ich erinnere mich sehr gut an die Stimmung nach dem Biermann-Liederabend in Köln. Die Jugend – auch viele, die von Wolf Biermann noch nie gehört hatten – war weitgehend auf der Seite des Abtrünnigen, bis in die unteren Ränge der Partei hinein. Zahlreiche gut versorgte Staatskünstler, aber auch solche, die mit dem Argument des Papiermangels abgespeist wurden, protestierten und verschwanden einer nach dem anderen im Westen. Was aber blieb war die Delegitimierung der Machthaber in breiten Kreisen der Bevölkerung.

Das Bildungsbürgertum ist das entscheidende Element bei jeder gesellschaftlichen Umwälzung, behauptete Will Ferguson, und er hat damit den Finger auf einen ganz wunden Punkt gelegt. Ab 1780 machte es auf Sturm und Drang, nach 1890 desertierte es unter der Fahne des Jugendstils vor der Monarchie, ab 1925 lief es den Weimarer Verfassungsparteien weg, seit 1935 erfolgten viele Absetzbewegungen zunächst Begeisterter von Hitler, ab 1974 verschwanden die kritischen Künstler aus der DDR, als Vorboten der Fluchtbewegung des Herbstes 1989. Und nun lösen sich die Alternativen und Querdenker von Dr. Merkels Nationaler Front 2.0.

Die deutschen Pseudoeliten zitierten nach dem Abgang von Reichskanzler v. Bismarck recht häufig den fragwürdigen Spruch des Södnerführers Frundsberg: Viel Feind, viel Ehr. Und sie dachten öfter mal daß sie mehr sind. Aber sie sind damit nie durchgekommen. Viele Hunde waren immer schon des Bären Tod. Dr. Merkel arbeitet derzeit Tag und Nacht an der Vermehrung und Aufrüstung ihrer Gegner.

 

Grüße an den V-Schutz. Eine Staatsveränderung soll mir Luft machen, hoff‘ ich. (Friedrich v. Schiller, Fiesco)