Wurst, Taschenmesser, Brot

Der Urgroßvater setzte sich unter den Mittagsbaum – so hießen Einzelbäume in der Feldflur – holte das Taschenmesser raus und begann in den Pausen – damals auch Brotzeit genannt – die Knackwurst und das Brot abzuschnippeln. Ähnlich habe ich es 1989/90 im Westen gehalten. Die Freundin buk mir für das Frühstück einen Kastenkuchen, der die Woche reichen mußte, für die Mittagspausen bekam ich Knackwürste und Brot mit.  Die Kollegen aus dem Kreis Darmstadt-Dieburg guckten ein bißchen skeptisch, sagten aber nichts. Sie hatten Stil.

Wenn die Merkelfaschisten die Benutzung von Kaufhallen im Winter noch weiter einschränken sollten, habe ich mich schon abgesichert. Die Verkäuferin aus dem Bäckerladen hat angeboten, Backwerk, Mehl, Honig und Eier nach Hause mitzubringen. Kartoffeln, Bohnen, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Tomaten, Zwiebeln, Fleisch und Knoblauch gibt es aus eigener Produktion. Nudeln, Reis und ähnliche haltbare Sachen kann man sich aus dem Ausland besorgen. Die Alte wird mit ihren sog. „Maßnahmen“ voll auflaufen.

Vor ein paar Tagen war ich im Tiefbau beschäftigt. Einer der Arbeiter – er war deutlich jünger als ich – hatte eine sehr leckere Dauerwurst mit, ein paar Brötchen und ein Taschenmesser. Alte Schule halt.

Bei VW und auch andernorts soll es in Kantinen keine Currywurst mehr geben. Ex-Bundeskanzler Schröder hat diesbezüglich bereits seine Skepsis geäußert, er hatte sich von seiner vegetarischen Hillu wegen ehelicher Wurstknappheit scheiden lassen. In Weimar hatte er sich am 14.07.1999 auf dem Marktplatz beim eiligen Konsum einer noch nicht abgekühlten Bratwurst den Schlips mit Senf bekleckert. Das verlieh ihm den Ruch der Volkstümlichkeit. In jenem Bundestagswahlkreis, der auch Weimar umfaßte, gewann die SPD 2002 immerhin 44,4 % der Erststimmen. Die derzeitigen sozialistischen Hungerkünstler Saskia und NWB erreichen gerade noch ein Viertel davon. Die anderen drei Viertel bekommt die AfD. Der Stand, an dem Schröder seine Seidenkrawatte einsaute, wirbt noch heute mit dieser Denkwürdigkeit aus dem Leben von Gasgerd.

Die Veganerszene hat natürlich reichlich Vorlauf. Die Jugendbewegung vor 1900 lebte bereits überwiegend von Gemüse, welches beispielsweise in der Verrücktenkolonie Monte Veritá im Adamskostüm angebaut wurde. Der Vorkämpfer der Bewegung – der Kohlrabiapostel Diefenbach – starb auf Capri an Darmverschluß. Der Hitler war auch Vegetarier, wobei er bei Lebernknödeln immer mal schwach und prinzipienlos geworden sein soll. Er verlangte von seinen zahlreichen Anhängern jedoch keinen Fleisch- und Wurstverzicht, so wie er als Antinikotiner das Rauchen an der Front auch nicht verbot. Gegen die heutigen Eiferer bei VW war er was die Volksernährung betraf, etwas liberaler eingestellt.

Gegenüber der VW-Kantine in Wolfsburg soll sich die Bude eines Wurstbraters befinden. Das könnte Lügenpresse sein. Im Luftbild habe ich keine Hütte gefunden. VW hat mehrere Werkstore, die kilometerweise auseinanderliegen. Statt sich einen Wolf zu laufen, können sich die Werktätigen eine Knackwurst und ein Brot mitnehmen.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Ich bin der Auffassung, dass man keinem Erwachsenen vorschreiben darf, wer wo was essen soll. Currywurst verstehe ich im Übrigen als Teil der deutschen Esskultur, an der ich gerne teilhaben möchte. Daher habe ich es mit meinem Mann probiert.“ (Schrödis vierte Frau Kim)

 

Beitragsbild von Fidus. Als die Russen kamen, nahmen sie die Helme vor dem Gemälde ab, weil sie dachten, es handele sich um eine Kolchosfeier.