CDU will Ampel auseinanderhebeln

Als ich vierzehn war habe ich in den Ferien im Kraftverkehrsbetrieb gearbeitet, im Volksmund die Bushütte genannt. Die Reifen wurden damals mit Montierstangen gewechselt. Drei Leutchen standen um den Reifen rum und haben ihr Bestes gegeben. Ich habe ein Video mit der Prinziplösung gefunden, beim größeren Busreifen ist aber mehr Spannung drauf. Und vor 50 Jahren hatten die Reifen noch Schläuche, man mußte beim Aufziehen der Mäntel aufpassen, daß man die nicht zerfetzt. Ich habe damals gelernt, daß einem lange Hebel schon mal um die Ohren fliegen können.

Friedrich Merz müßte dem Karren der CDU neue Reifen aufziehen, aber was macht er? Und ist er überhaupt Herr der Lage?

Die CDU versucht statt Eigenreparaturen gerade die Ampel auseinanderzuhebeln. Mit permanenten Forderungen nach Verschärfungen der sogenannten Maßnahmen versucht man Grüne, SPD und FDP als Kampfhähne aufeinanderzuhetzen. Die FDP und der Kanzler hatten sich ja früher gegen die Impfpflicht aus dem Fenster gelehnt. Aber das ist angesichts von exorbitanten Altersversorgungen, E-Limousinen und Ministersesseln erst mal vom Tisch. Ich gehe mal davon aus, daß die Spaltung der Koalition nicht funktionieren wird, jedenfalls noch nicht. Zu süß sind die Belohnungen für Prinzipienlosigkeit und das Umfallen. Früher nannten die Genossen das, weil es Gier im Sozialismus per Definition nicht gab, schamhaft die „materielle Interessiertheit“.

Auch beim Säen von politischem Zwist kann der Schuß nach hinten losgehen. Nicht alle an der CDU-Basis sind kóronagläubig. Es gibt gekniffene Geschäftsleute, Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen, Ärzte, die genau wissen, daß übertrieben wird, Arbeitnehmer, die sich nicht aus Überzeugung, sondern aus Opportunismus spritzen ließen. Die CDU-B-Promis Kristina Schröder, Vera Lengsfeld, Birgit Kelle, Albert Weiler und Hans-Georg Maaßen sind eher für einen sachlichen Umgang mit Kórona, während die vor Landtagswahlen stehenden CDU-Ministerpräsidenten wie wild die Kriegstrommel rühren. Es herrscht im Saarland, in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und NRW Panik und in solch einer Aufregung werden selten richtige Entscheidungen getroffen.

Wir erinnern uns an das Hochwasser von Fukushima, welches bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg die CDU wegspülte. Merkels hektischer Entschluß die Kernkraftwerke abzuschalten hat außer Schadenersatzzahlungen nichts gebracht. Genauso vergeblich wird der Versuch enden, den Aktionisten Lauterbach noch zu toppen.

Am 27. März könnte das Kórona-Schreckgespenst im Saarland noch mal eine Rolle spielen. Aber bei den weiteren Wahlen ist Omikron längst durch. Am 8. Mai Schleswig-Holstein, 15. Mai NRW und 9. Oktober Niedersachsen.

Kórona ist für eine mittelfristige Reformierung der CDU kein geeignetes Thema, weil jeden Tag neue mediale Säue mit wechselnden Mutanten durch Berlin getrieben werden. Es ist kein imagebildendes Leitmotiv für die Zukunft, sondern kurzlebiges Panikorchester. Ein Leitmotiv ist aber nach dem Lichten aller inhaltlichen Anker durch Dr. M. dringend erforderlich. Ein politisches Tauwetter in der CDU nach dem Abgang von Dr. M. ist bisher nicht zu erkennen. Die Führung bleibt in den alten Gleisen, in denen man schon die Bundestagswahl vergeigt hat. Bisher sieht es danach aus, als wenn nach dem AKK- und dem Laschet- auch der Merzzug entgleisen wird.

Wenn es Merz nicht schafft nach seiner Wahl die Fraktionsführung im Reichstag zu übernehmen, verspielt er seinen Kredit und sein Ansehen. Mit Verlaub: Einen anderen publikumswirksamen Job hat die Union nicht mehr zu vergeben. Gelingt ihm die Verdrängung von Brinkhaus, hat er es mit einer merkeltreuen Fraktion zu tun, aus der im Herbst die letzten Anhänger des liberalkonservativen Flügels ausgeschieden sind.

Merz fehlt die Härte, um das Ruder rumzureißen. Oft weicht er vor entschlossenen Gegnern zurück, macht Kompromisse, die sein Ansehen aufzehren. Frau Prien kann weiter gegen Maaßen stänkern, ohne zur Ordnung gerufen zu werden. Der Autist Söder tobt sich nach Belieben aus.  Es könnte nicht nur taktisches Rumgeeier und fehlender Mut von Merz sein, sondern es könnte sich auch um eine verschrobene Wahrnehmung mancher Sachverhalte handeln. Er gibt sich als Wirtschaftsfachmann. Aber wo war sein Statement, als Sylvester drei Kernkraftwerke abgeschaltet wurden? Wie reagiert er auf die planwirtschaftlichen Exzesse im Wirtschaftsminsterium? Mit Forderungen nach der Impfpflicht.

Er gibt solche und solche Charaktere. Die Bundeskanzler Schmidt und Schröder haben zu ihren Projekten gestanden und haben politisch dafür bezahlt, das heißt sie sind von den eigenen Genossen zu Fall gebracht worden. Aber sie sind nicht als Lappen in die Geschichtsbücher eingegangen. Wenn Merz oder seinem Nachfolger die Stabilisierung der CDU nicht gelingt, wird in absehbarer Zeit das ganze deutsche Parteiensystem implodieren, wie 1992 in Italien.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Es ist kein schönrer Anblick in der Welt, als einen Fürsten sehn der klug regiert.“ (Geh. Rath v. Goethe, 1807)