Die Politisierung der Wirtschaft und der Umgang damit

Am 1. Juli 1914 war Schluß mit Lustig. Schritt für Schritt wurde die Kriegswirtschaft eingeführt. Und ein Stückchen davon ist immer geblieben, zum Beispiel das ungedeckte Papiergeld, verantwortungslose Schuldenmacherei, faschistoider Zentralismus, die unzureichende Finanzausstattung der Städte und Gemeinden und ihre Gängelung mit Fördertöpfen.

In seiner Schrift „Von kommenden Dingen“, die 1916 verfaßt wurde, schrieb der schillernde Kriegswirtschaftskommissar Rathenau: „Das Ziel aber ist der materiell unbeschränkte Staat. Er muß mit seinen Mitteln dem Bedürfnis vorauseilen, nicht nachhinken…Er soll eingreifen können in jeder Not, zu jeder Sicherung des Landes…“ in dem Heftchen „Deutschlands Rohstoffversorgung“ ergänzte er; „Die Rohstoffabteilung wird auch im Frieden nicht zu bestehen aufhören, sie wird den Kern eines wirtschaftlichen Generalstabs bilden.“ Wie wahr, sowohl Stalin, Mussolini, die deutschen Sozialdemokraten, Hitler, Chrustschoff, Breschnjeff sowie ihre Statthalter Ulbricht und Honecker setzten das um. Und was das Gas betrifft, standen auch Schröder und Dr. M. in dieser Tradition.

Es gab sogar ein Treffen zwischen Rathenau und Sowjetkommissar Radek zum Meinungsaustausch über die zweckmäßige Herangehensweise an die zentrale Planwirtschaft. Kurz vor dem militärischen Zusammenbruch an der Westfront, nach dem deutschen Sieg im Osten veröffentlichte Rathenau im März 1918 seinen Aufruf „An Deutschlands Jugend“: „Neu wird unsere Lebensweise, unsere Wirtschaft, unser Gesellschaftsbau und unsere Staatsform. Neu wird das Verhältnis der Staaten, der Weltverkehr und die Politik. Neu wird unsere Wissenschaft, ja selbst unsere Sprache.“ Das erinnert in seiner Horizontlosigkeit stark an den Ampel-Koalitionsvertrag.

Im Westen wurde die staatliche Gängelung von 1950 bis etwa 2000 zurückgedrängt, im Osten erst 1990. Seit 2000 haben wir es mit einer Form der Planwirtschaft zu tun, die nichts mehr mit äußeren Feinden, sondern mit eingebildeten Gegnern wie Spurengasen und Omikron zu tun hat. Märchenrobert kämpft nicht gegen, sondern mit Windmühlenflügeln. Und nun kam wieder ein äußerer hinzu: Rußland.

In den 60ern und 70ern kann ich mich an den damals oft zitierten Spruch erinnern: Politische Börsen haben kurze Beine. Damals wurde diese Durchhalteparole auf den Machtwechsel in Bonn bezogen, und tatsächlich ruinierte der von CDU/CSU zur SPD und wieder zurück nicht die deutsche Wirtschaft und schon garnicht die Börse.

Auf außenpolitische Großereignisse bezogen sieht das letztlich ähnlich aus: Es gab zwar größere Ausschläge, aber die wurden mit Ausnahme von Pearl Harbour und dem ersten Irakkrieg relativ schnell glattgestellt.

Quelle: LPL Research, S&P Dow Jones Indices, CFRA, in den USA kommt erst der Monat, dann der Tag, zuletzt das Jahr.

Der Ukrainekrieg hat an den Börsen etwa 5 % Kursverlust verursacht (von Gazprom & Co. einmal abgesehen), die Zinserhöhung in den Vereinigten Staaten hatte vorher im Technologiesektor ganz anders eingeschlagen.

Die chinesischen Eingriffe in die dortige Wirtschaft und der Ukrainekrieg haben uns gezeigt, daß man politische Stabilität stärker berücksichtigen muß, als einige von uns das bisher getan hatten. Auch Südamerika und Deutschland, im weiteren Umkreis die ganze Eurozone sind in dieser Hinsicht relativ fragil, zum Beispiel was Preisregulierungen, die geplante Taxometrie und die enge Verflechtung mit Krisenregionen betrifft. Ich hatte Deutschland, Rußland und China nur mit 13 % in meinem Portfolio gewichtet und bin damit bisher ganz gut weggekommen. Konzerne, die mit Rußland relativ eng verflochten sind, sehen im Moment nicht ganz so gut aus, wie der niedersächsische Staatsautobauer VW, die österreichische Raiffeisen oder BASF.

Neben Regierungswechseln und Kriegen gibt es wesentlich einschneidendere Ereignisse. Das sind wirtschaftspolitische Entscheidungen von NGOs, die nach und nach in Regierungshandeln umgesetzt wurden. Es begann in Deutschland im neuen Jahrtausend mit dem EEG und Pressuregroups, die den Versicherungen und Kapitalsammelstellen ökologische, soziale und bürokratische Kriterien (ESG) bei der Anlage ihrer Vermögenswerte aufnötigten. Das ist mittlerweile in Gesetze gegossen. Das Kapital wird in politisch gewollte Kanäle geleitet. Das wäre kein Problem, wenn es dort auch fruchtbringend wirken würde.

Der Staat hat es jedoch noch nie geschafft, so eine sinnvolle Verwendung zu schaffen. Einige krasse Beispiele dazu:

1914 bis 1918 Kriegsanleihen, ein Totalflop

1934 bis 1944 Anleihestockgesetz, Vierjahrplan und WK II: dasselbe

1958 bis 1965 der Siebenjahrplan, sein Leitprojekt die Druschba: seit neuestem ein möglicher Flop

1958 bis 1961 Offenställe für Rinder, ein sofortiges Fiasko

1976 bis 1989 Energieträgerumstellung, ein langgestreckter Albtraum

2000 bis 2022 das EEG, gemessen an den Kosten einer Kugel Eis ein Totalflop

2005 bis 2022 Nordstream 1 und 2, zumindest Nordstream 2 ein Desaster

Wenn es gelänge, mit mehr Anlegergeld mehr von Kunden tatsächlich nachgefragte Güter zu produzieren, oder notwendige Infrastruktur zu erstellen, wäre ja alles gut. Es wurde aber immer an den Bedürfnissen der Kundschaft vorbeigelenkt, zu irgendwelchen unrealistischen Zielen wie Lebensraum im Osten oder Wasserstoff aus Windmühlen. Wenn man nicht hätte spintisieren wollen, wäre Planwirtschaft nicht erforderlich gewesen.  Der Kunde, welcher zuvor König war, wurde von Adolf zum „Volksgenossen“ und von Frau Künast zum „Verbraucher“ herabgestuft, einer Art Schädling. Es besteht seither die Tendenz, daß Nachfrage nicht befriedigt wird, daß Knappheiten entstehen, wie derzeit bei fast allen Energie- und Rohstoffen. Und daß andererseits Investitionsruinen die Landschaft zieren: Kraftwerk Moorburg, Kraftwerk Datteln 4 mit begrenzter Laufzeit, Nordstream 2, zahlreiche Kernkraftwerke, die ersten Betriebe mit hohem Energieverbrauch machen gerade dicht oder reduzieren die Produktion. Fehlverwendung von Ressourcen wie bei jeglicher zentralen Entscheidung.

Ich habe meine Aktienkäufe so ausgerichtet, daß ich Regionen bevorzuge, die noch etwas wirtschaftsfreundlicher sind, als Kerneuropa. Das sind in meinen Augen das Vereinigte Königreich, Osteuropa, Schweden, die Vereinigten Staaten, Japan, Südafrika und Australien. Das gilt natürlich nur graduell, viele planwirtschaftliche und bürokratische Unsitten sind verbreitet. Wir erleben gerade eine weltweite faschistoide Welle. Aber unter Blinden sind die Einäugigen Könige. Meine derzeitigen Aktien in %:

D 6
sonst Eurozone 7
EU ohne Euro 25
UK 14
EFTA 4
Rußland 4
US 20
sonst Amerika 2
China 3
Japan 5
Australien 4
Afrika 6

EU ohne Euro: Das sind schwedische, polnische, tschechische, ungarische und dänische Aktien. Man findet in diesen Nischen immer noch Unterbewertetes und Solides. Der DAX und der S&P 500 stehen unter intensiver Beobachtung vieler Fonds, da ist wenig Raum für Schnäppchen. Es ist eben so, daß in den meisten ETFs die US-Aktien breiten Raum einnehmen, ein regelrechtes Ferkelrennen war insbesondere im Technologiebereich im Gange. Das hat sich seit dem Herbst gerächt.

Es ist sinnvoll geografisch in Regionen mit einem regen Interesse an meßbaren wirtschaftlichen Erfolgen auszuweichen. Über die attraktiven „Sündenaktien“ aus dem Tabaks-, Waffen-, Energie- und Rohstoffbereich hatte ich kürzlich schon berichtet. Die gibt es im DAX, wenn man mal von Monsanto-Bayer absieht, nicht. Die Abkömmlinge des Tabaksriesen Reemtsma sind zu den Gesundheitsaposteln, Pharisäern und Ablaßpredigern übergelaufen, RWE versucht sein Glück mit dem launischen Wind. Es dauert nicht mehr lang, und das BIP wird mit dem Schreiben von Traktätchen verdient werden.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Aber wie sollte die Welt sich verbessern? Es läßt sich ein jeder Alles zu und will mit Gewalt die andern bezwingen.“ (Geh. Rath v. Goethe 1794)