Siemens Energy: Wohin der neue Besen kehrt

Im vergangenen Jahr wurde bei der Problemsparte Siemens Gamesa des Konzerns Siemens Energy ein neuer Chef eingeführt, der wegen seiner Ungeduld den Spitznamen „Zwei-Wochen-Jochen“ führt: Jochen Eickholt. Die jüngsten Quartalszahlen offenbaren, daß das Aufräumen länger als zwei Wochen dauert.

Siemens Energy wurde 2020 von Siemens abgespalten, wobei Siemens immer noch ein größeres Aktienpaket von 35 % hält. Die Sparten der Unternehmung sind:

Gas Services: Geschäft mit Gas- und großen Dampfturbinen samt zugehörigem Service. Hier boomt das Geschäft in Amerika. Es wurde ein Gewinn von 318 Mio € erwirtschaftet, bei einer Marge von über 12 %.

Grid Technlogies: Stromübertragung und Energiespeicherung. Auch hier ist Amerika der wichtige Markt. Jüngst wurde ein Großauftrag zur Anbindung von Offshore-Windmühlen in Deutschland erlangt. Es wurde ein Ergebnis von 110 Mio. € erzielt (6,9 % Marge).

Transformation of Industries: Reduzierung von Energieverbrauch und CO2-Emissionen in industriellen Prozessen, Wasserstoff, Automation, Kompressoren. Der Gewinn betrug 57 Mio. € bei einer Marge von knapp 6 %.

Siemens Gamesa Renevable Energy: Es ist die kranke Sparte, die alles runterzieht. Es handelt sich um Bau und Betrieb von Windmühlen weltweit. Laut jüngstem Geschäftsbericht kam es durch die festgestellte negative Entwicklung der Ausfallraten bei bestimmten Komponenten zu höheren Garantie- und Wartungskosten. Dies führte zu gigantischen Verlusten. Dazu kommen Inflationsdruck und Beschaffungsprobleme. Ein blumig „Mistral-Programm“ genannter Rauswurf von 2.900 Mitarbeitern kostete im vergangenen Quartal geschätzt 50 bis 60 Mio. €. Es wurde einschließlich Mistral ein Verlust von 822 Mio. € gebaut, bei einem Umsatz von 2,008 Mrd. €. Ein komplettes Desaster!

Der Quartalsbericht sagt es nicht explizit aus, aber es ist so: Die drei erstgennnten Bereiche weisen derzeit einen schön wachsenden Auftragseingang auf, die Siemens-Gamesa-Sparte einen um 35 % verringerten. Es könnte sein, daß die Chefetage die konventionellen Sparten ausbaut und das Windgeschäft verhungern läßt. So deute ich die Zahlen. Mit Gas- und Dampfturbinen verdient man auch nach der sog. Zeitenwende Geld, Windmühlen sind offenbar zeitgeistiger Komfort. Darauf deuten übrigens auch die Berichte der übrigen europäischen Windmühlenbauer hin.

Vielleicht liege ich mit diesem Bonmot richtig: Die europäische Windmühlenindustrie krankt (im Unterschied zum Chinesen) an hohen Energiepreisen, die sie selbst herbeigezaubert hat. Ein Teufelskreis.

Es könnte also sein, daß Siemens Energy in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts noch profitabel wird, wenn die Gewichte zwischen den Sparten sich weiter verschieben und das Amerikageschäft wächst.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst:

Don Quijote: „Das Abenteuer lenkt unsere Schritte besser als wir uns wünschen könnten, denn sieh‘ nur da, mein Freund Sancho Panza, dort warten 30 oder mehr ungeheure Riesen, die ich zur Schlacht herauszufordern gedenke, bis sie alle ihr Leben ausgehaucht haben werden…“
„Welche Riesen?!“, entgegnet Sancho, „diese Erscheinungen sind keine Riesen, sondern Windmühlen!”