Kiesewetters Roderich ist nicht der erste und der einzige Kriegstreiber

Periodisch kommt das Kriegsfieber über Deutschland. Wir sahen vor dem Ersten Weltkrieg eine Welle des Überdrusses am langen Frieden. Fast die ganze Jugendbewegung rührte seit etwa 1900 die Kriegstrommel. Das hatte auch Einfluß auf die politische und militärische Führung. Diplomatische Kanäle wurden nicht mehr wie im frühen Kaiserreich gepflegt, ein Hochgefühl der Missionierung übertönte rationale Kalkulationen. Der Pennäler Georg Heym träumte 1910 von Barrikaden und Kriegen. Auskunft gab sein Tagebuch:

„Geschähe doch einmal etwas. Würden einmal wieder Barrikaden gebaut. Ich  wäre der erste, der sich darauf stellte, ich wollte mit der Kugel im Herzen den Rausch der Begeisterung spüren. Oder sei es auch nur, dass man einen Krieg begänne, er kann ungerecht sein. Dieser Frieden ist so faul ölig und schmierig, wie Leimpolitur auf alten Möbeln.“

Ein Jahr später reimte er schon wieder vom Krieg:

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief, aufgestanden unten aus Gewölben tief. Eine große Stadt versank in hellem Rauch, warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch. Aber riesig über glühnden Trümmern steht, der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht über sturmzerfetzter Wolken Widerschein in des toten Dunkels kalten Wüstenein, dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr, Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

Von 1910 bis 1914 entstanden Hunderte von Gedichten, Romanen und Bildern, in denen der bevorstehende Krieg thematisiert und verherrlicht worden ist. Gustav Sack schrieb in seinem Roman „Der verbummelte Student“, enstanden 1909 bis 1913::

„Käme der Krieg!…Volk gegen Volk, Land gegen Land, ein Stern nichts denn ein tobendes Gewitterfeld, eine Menschendämmerung, ein jauchzendes Vernichten-! o, ob dann nicht ein Höheres -.“

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, am 27. Juli 1914, verkündigte der linke Sozialdemokrat Kurt Eisner: „Russland ist für den Westen die Kriegsgefahr“, Die Autokratie des Zaren müsse „gebändigt werden durch die Einmütigkeit der Kulturvölker Europas, dann ist der Friede Europas für immer gesichert“.

Die Autokratie des Zaren zu bändigen ging wie wir wissen vollkommen in die Hose, die Einmütigkeit der Kulturvölker war ein Hirngespinst, Der ganze Osten hat die Rechnung für den geistigen Dünnschiß teuer bezahlen müssen.

Kriegs- und Katastrophenszenarien beherrschten das Denken auch der Maler bereits vor dem Krieg. Ludwig Meidner 1913: Apokalyptische Landschaft

Ich könnte seitenlang weitere Beispiele bis zum Überdruß anführen, beschränke mich aber auf den Besuch von Kaiser Wilhelm in England.

1908 erschienen delikate Äußerungen Wilhelms über die Rolle der Presse, die politischen Meinungen der Mittel- und Unterschichten sowie die europäische Haltung zum Burenkrieg im Daily Telegraph, was europäische Empörung und den Rücktritt des Reichskanzlers Bülow auslöste. Kaiser Wilhelm hatte den Wahrheits- und Weltmachtanspruch Deutschlands bekräftigt, mit den bekannten Folgen für die europäischen Bündnissysteme vor dem ersten Weltkrieg.       

Zudem sandte Wilhelm das Kanonenboot „Panther“ zur Unzeit vor die marokkanische Küste, um koloniale Ansprüche zu untermauern, wodurch Europa 1911 an den Rand des Krieges gebracht wurde.

Auch in anderen europäischen Staaten wurde man des Friedens überdrüssig. Deutschland war kein Einzelfall. Besonders kraß: Der italienische Futurismus. Aber auch in Frankreich kochte das Blut.

Nach dieser Rückschau wenden wir uns der Gegenwart zu. Eine Reihe von deutschen Politikern zündeln, um den Dritten Weltkrieg endlich zu provozieren, ohne eine einsatzbereite Bundeswehr und ohne Kernwaffen zu haben. Frankreich, das halbwegs bewaffnet, und weiter weg ist, engagiert sich weitaus vorsichtiger, Amerikas Eifer scheint abzukühlen.

Was macht es für einen Sinn, die Ukraine mit weitreichenden Raketen auszustatten, wennn man erwarten muß, daß Rußland solche auch verstärkt einsetzen könnte? Den Krieg ins Territorium einer Atommacht hereinzutragen – egal welche es ist, Rußland, China oder Amerika – ist totaler Irrsinn.

Was sind das insbesondere in der CDU, in der FDP und bei den Grünen für spintisierende Laienpolitiker? Wie kann es sein, daß der Verteidigungsausschuß des Bundestags von einer Weibsperson geleitet wird, die im Aufsichtsrat von Rheinmetall sitzt? Ich habe nichts gegen Rheinmetall, diese Kombination von Geschäft und Politik ist allerdings bananenrepublikswürdig. Wie kann es sein, daß die grüne Außenpolitik ideologisch überfrachtet ist? Will Annalena die Autokratie des Zaren wieder bändigen, mit allen damit verbundenen Risiken? Gerade in Rußland gilt: Es ist nie so schlimm, daß es nicht noch schlimmer kommen könnte. Gegen Iwan den Schrecklichen, Katarzyna II,. Lenin, Stalin und Breschnjew ist Putin ein aufgeklärter Monarch. Alles ist nun mal relativ. Punkt.

Wir brauchen Realpolitik. Bismarck war Gesandter am Petersburger Hofe gewesen, bevor er Kanzler wurde. Er konnte Stärken und Schwächen der russischen Seite einschätzen, was auch heute ein Vorteil wäre. Solche erforderliche Kompetenz fehlt heute.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Der Despotismus fördert die Autokratie eines jeden, indem er von oben bis unten die Verantwortlichkeit dem Individuum zumutet und so den höchsten Grad der Tätigkeit hervorbringt.“ (Geh. Rath v. Goethe, 1826, er war selbst ein kleiner Diktator)