Der Staat macht keine Fehler: Die Zone

Märchenrobert hat behauptet, daß der Staat keine Fehler macht. Es ist müßig, in der Zeit zwischen 1945 und 1986 Fehler zu suchen, weil die skurrile Karikatur eines Staates keinen eigenen Handlungsspielraum hatte. Das zeigte sich beispielsweise 1968 beim Prager Frühling oder 1971 bei Ulbrichts Sturz.

Etwa seit 1986 hätte die Partei etwas politische Beinfreiheit gehabt, die zum Beispiel in Polen, Bulgarien oder in Ungarn genutzt wurde. Statt dessen wurden die Zügel von den Ostberlinern angezogen. Das kann man gut am Verbot des russischen Digest „Sputnik“ illustrieren:

Im Zuge von Glasnost und Perestroika nahm die aufklärerische Berichterstattung in der Zeitschrift Sputnik zu. Ich las das Digest zum Beispiel in einer Hochschule, wo es per Umlauf durch den Fachbereich gegeben wurde. Am Ende der 80er Jahre wurde der Sputnik immer begehrter, weil zum Beispiel über den Stalin-Hitler-Pakt, aber auch über Lockerungen in der SU berichtet wurde.

Die SED ärgerten besonders einige Artikel über Stalin, der aus ihrer Märchenperspektive immer ein strikter Gegner des Nationalsozialismus gewesen war. Als der Sputnik im Herbst 1988 über den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom 24. August 1939 berichtete, platzte diese Propaganda wie ein Luftballlon.

Daher unterband die DDR-Regierung am 18. November 1988 die Auslieferung der Zeitschrift durch den Postzeitungsvertrieb, was praktisch auf ein Verbot hinauslief. Das Neue Deutschland schrieb am 19. November: „Berlin (ADN). Wie die Pressestelle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen mitteilt, ist die Zeitschrift ‚Sputnik‘ von der Postzeitungsliste gestrichen worden. Sie bringt keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, stattdessen verzerrende Beiträge zur Geschichte.“

Bereits am 10. April 1987 hatte der Ostberliner Chefideologe Hager in einer westdeutschen SPD-Zeitung klargemacht, daß die Lockerungen in der SU nicht nachgeturnt würden:

Wir haben uns die Lehren Lenins, insbesondere die Theorie der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus sowie die Lehre von der Partei, angeeignet und aus dem reichen Erfahrungsschatz der KPdSU Nutzen gezogen.

Dies bedeutete jedoch auch in der Vergangenheit nicht, daß wir alles, was in der Sowjetunion geschah, kopierten.

Frage: Ein hartes Wort. . . .

Antwort: Schon im Aufruf des ZK der KPD vom 15. Juni 1945 heißt es: »Wir sind der Auffassung, daß der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht den Entwicklungsbedingungen in Deutschland.« Übrigens kopiert die Sowjetunion auch nicht die DDR. Es scheint, daß westliche Medien an diesem Thema vom »Kopieren« interessiert sind, weil es in ihr Trugbild von der »Hand Moskaus« oder von der angeblichen Einförmigkeit und Eintönigkeit des Sozialismus paßt. Würden Sie, nebenbei gesagt, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?“

Das war natürlich gelogen, was den Freiraum der SED betraf. Wer sich den Moskauer Befehlen widersetzte landete in den 40er und 50er Jahren in den Genickschußanlagen. Später waren die meisten Oppositionellen so schlau die Klappe zu halten.

Tatsächlich hätte die Partei seit 1987 Lockerungen zulassen können. Ob sie das Leben der sog. „DDR“ verlängert hätten, kann angezweifelt werden, denn das Mißtrauen des Volks war jahrzehntelang gemästet worden. Bei einer Lockerung des Grenzregimes wären vermutlich Millionen Leute im Westen arbeiten gegangen, hätten aber andererseits heiß begehrte Devisen ins Land gebracht. Ob die Schulstunden in der BRD eher Zustimmung oder Ablehnung zu einer eigenständigen Zone bewirkt hätten, lasse ich mal dahingestellt. Es gab nämlich schon 1989 dekadente Erscheinungen in der BRD, wo sich die Fingernägel kräuselten, zum Beispiel die faschistoiden Hochschulen und die Grünen. Es gab in Hochschulstädten kaum ein Wand, die nicht mit RAF-Parolen zugeschmiert war. Andererseits gab es natürlich einen verlockenden Wohlstand und eine damals noch beeindruckende Infrastruktur. Man ahnte den Sonnenuntergang der Bonner Republik, aber er war schön.

Insofern ist klar, daß die Ostberliner Führung seit 1986 „Fehler“ gemacht hatte. Vielleicht hätte eine Demokratisierung und Dezentralisierung auch das Endergebnis der Deutschen Einheit gebracht. Das lange Zögern der Partei führte allerdings zu einer Sturzgeburt des vereinigten Deutschlands, viele Aspekte der Neuzeit kamen völlig überraschend auf einen zu, weil die meisten Leute nie die Gelegenheit gehabt hatten, rechtzeitig hinter die westdeutschen Kulissen zu schauen, Die alte BRD war für die Ossis ein riesengroßes Überraschungsei.

Ich erinnere mich, daß ich bereits im November 1989 einen Antrag auf die Zulassung eines Ingenieurbetriebs gestellt hatte. Dem wurde im Juni 1990 stattgegeben. In der Zwischenzeit hatten die Genossen alle schon ihre Lizenz bekommen. Ich war nie dazu da um zu beweisen was nicht geht. In der verkorksten Zwischenzeit war ich im Westen, hatte dort wertvolle Studien in einem Großbetrieb gemacht und fleißig das Einkommenssteuergestz gelesen. Da weiß man was die Welt im Innersten zusammenhält.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „“Wer nicht neugierig ist, erfährt nichts.“ (Geh. Rath v. Goethe)