Die neue Armut kotzt mich an

Meine Großmutter bekam genau 50 Mark Rente. Eine Tüte Äpfel kostete damals eine Mark, ein Dreipfundbrot 78 Pfennige und ein Stück Butter 2,50 Mark. Ihr Überleben funktionierte, weil sie in unsere Familie eingebunden war. 1961 bekamen wir einen Garten mit ein paar Obstbäumen und Beeten. Die Lage verbesserte sich dadurch spürbar. In diesem Jahr starb die Oma allerdings.

Ihre Freundin mußte sich von derselben Rente alleine durchschlagen. Auch noch Miete zahlen und Kohlen. Ohne einen Garten und einen Acker. Sie wohnte in einer Wohnküche in einem dünnwandigen Hinterhaus. Einmal waren wir bei ihr eingeladen und sie hatte winzige Pfannkuchen gebacken. Die waren so klein, um Fett zu sparen. Ich beschwerte mich, weil keine Marmelade drin war. Da bekam ich von meiner Oma eine Standpauke über Armut. Die hat gesessen.

Ich erinnere mich, wie einmal Bratheringe gebacken und eingelegt wurden. In der Küche konnte man wegen dem Rauch vom Herd kaum noch etwas sehen. Als die Heringe fertig waren – Leute haltet euch fest – wurden in dem Fischbratfett noch Pfannkuchen hergestellt. Die haben damals allen geschmeckt. Ein bißchen Fischgeschmack – geschenkt! Der Tag mit Heringen und Pfannkuchen gleichzeitig war damals ein Luxustag.

Die neue Armut mit einem flachen Funktelefon, einer vom Amt bezahlten geheizten Wohnung  und Markenklamotten kotzt mich an. Ein erstes Telefon hatte ich mit 38 Jahren, noch mit 28 habe ich wie nach dem Krieg ohne Wasseranschluß, mit Trockenklo im Hinterhaus gewohnt und Markenkleidung war für mich nie unbedingt erforderlich. Daß irgendein Label mit einem Krokodil dran ist, das brauch ich nicht. Die ganze ältere Generation mußte sich mehr oder weniger durchkämpfen und deshalb fehlt das Verständnis für die neue Armut völlig.

Für „Teilhabe“ braucht man kein Geld. Die „Sozialwissenschaftler“, die das behaupten, haben wahrscheinlich immer in Saus und Braus gelebt. Wikipedia referiert: „Relative Armut macht sich auch durch eine sozio-kulturelle Verarmung bemerkbar, womit eine fehlende Teilhabe an bestimmten sozialen Aktivitäten als Folge des finanziellen Mangels gemeint ist (wie z. B. Theater- oder Kinobesuch, Klassenfahrten).“

Letztere Beispiele sind wirklich schlecht ausgewählt. Warum soll ich ins Kino gehen, um beispielsweise einen Schauspieler Johnny Depp reich zu machen, der mit 48 Millionen Dollar im Jahr nicht auskommt? Warum soll ich das Theater besuchen, um dem Intendanten des Hauses ein Monatsgehalt von 30.000 € zu ermöglichen? Warum soll ich zu einem Bundesligaspiel gehen, um mir Millionäre beim Schwitzen und Verlieren anzuschaun? Das ist nicht Teilhabe, sondern derbe Dummheit. Die zweite Kreisklasse ist umsonst und tuts auch.

Müssen Klassenfahrten immer ein Wettbewerb von Eltern und Lehrern sein, was finanziell gerade noch geht? Fast überall gibt es leerstehende Landschulheime. Die sind billig, nicht weit entfernt und werden von den Lehrern gemieden wie der Aussatz. Die wollen auf dem Rücken der Eltern Auslandsreisen machen.

Teilhabe ist, wenn ich was für die Gesellschaft tue, was nicht oder schlecht bezahlt ist. Der Verfasser dieser Zeilen war 17 Jahre lang ehrenamtlicher Bürgermeister, da steht man immer mitten in kleineren Turbulenzen und finanziellen Engpässen. Andere sind Trainer in Sportvereinen oder arbeiten in der Feuerwehr. Einige Leute gehen für Lau zur Tafel und helfen. Das ist alles Teilhabe. Da muß man überhaupt keinen Eintritt bezahlen und kein Geld mitbringen. Und ist mitten drin.

Arm macht einen der Staat. Mit den zahlreichen Kopfsteuern, die einkommensunabhängig sind.  Mit GEZ, EEG und ständig steigenden Hausbaustandards, die sich in steigenden Mieten niederschlagen, werden viele Leute zur Verzweiflung getrieben. Dagegen hilft auch kein Mindestlohn. Der ist nämlich exakt gerade so hoch, daß das Amt nicht aufstocken muß.

Mit den heutigen Gesetzen, Steuern und Gebührenordnungen wäre die Nachkriegsgesellschaft binnen Stunden vor die Hunde gegangen. Das Überleben funktionierte nach 45 nur, weil alles verbilligt wurde und gesetzliche Anforderungen abgesenkt wurden. Man brannte Licht aus billiger Braunkohle und nicht aus Photovoltaik. Da kostete der Strom ein Zehntel. Es gab in Großküchen keine veganen Mätzchen. Für Medienkonsum gab es keine Zwangsbeiträge. Wasser, Abwasser, Strom, Stadtgas, Kohle: alles war erschwinglich, weil es noch keine Umweltgesetze mit übertriebenen Auflagen gab.

Derzeit holt die Bundesregierung Millionen Afrikaner und Asiaten ins Land, die so arm sind, wie die Vertriebenen nach dem Weltkrieg. Zusätzlich sind es zu einem Drittel noch Analphabeten, die nicht fehlerfrei Deutsch sprechen. Die sind mit den derzeitigen Mietkosten, Mietnebenkosten, Energiekosten und Lohnnebenkosten definitiv nicht integrierbar. Davor verschließt die Regierung die Augen. Nur die Sozialwissenschaftler, die Kirchen und die Nichtregierungsorganisationen freuen sich schon: Dank der Einwanderung kann man statistisch wieder einen Anstieg der Armut berechnen.

Der Wohlfahrtsstaat kann die finanziellen Leistungen für Einwanderer steigern, die Unzufriedenheit kann man damit nicht abkaufen. Leute, die nicht leistungsfähig sind, werden nie dasselbe Selbstwertgefühl haben, wie die Leistungsträger der Gesellschaft. Derzeit werden Unfähigkeit und Frust massenhaft importiert. Wenn völlig ungebildete Leute oberhalb des Schulalters einwandern, dann wandern verfestigte Armut und Kriminalität ein.

In den 80ern war ich einige Mal auf dem Balkan. Auf Bahnhöfen und Straßen gab es in Tschechien, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien überall dieselben Probleme mit Parallelgesellschaften, Gewalt und Armut, an denen die Kommunisten trotz ständiger Versuche der Gesellschaftsklempnerei damals auch scheiterten. 1982 war ich mit einer Betriebsexkursion in Plzeň bei Prag. Eine junge Frau wurde auf offener Straße von der achtköpfigen Leibwache eines Königs eine Stunde lang nach allen Regeln der Kunst vermöbelt. Eine schlecht bewaffnete Fußstreife der Polizei stand in 200 m Entfernung herum und griff nicht ein. Die hätten bei der Zahl und Aggressivität der Gewalttäter Luftunterstützung gebraucht. Der König saß mit seinem übrigen Volk derweilen in einer Gaststätte und ließ es sich gut gehen. Der Beitrag der deutschen Sozialwissenschaft zu dieser Problematik ist die Behauptung: Es gibt gar keine Könige.

Ich habe noch einen ganzen Sack solcher Histörchen vom Balkan. Heute ist das täglich Brot der Polizei auch in Deutschland. Fahrkarten kontrollieren und Knöllchen verteilen wird immer gefährlicher.