Am Rande eines saudreckigen Kriegs

Syrien ist ein nachkoloniales französisches Konstrukt aus verschiedenen Kulturkreisen: Schiiten, Sunniten, Aleviten, Christen, Kurden und Drusen sind die sechs Hauptakteure im Machtpoker.

Bis 1918 war die Türkei für den inneren Frieden zuständig. Nach der kurzen Episode eines arabischen Königreichs unter König Feisal übernahm Frankreich 1920 die Verantwortung für die Verwaltung, nachdem es den König gestürzt hatte. Schon von Anfang an gab es Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Religionen. Die Drusen bekamen zunächst ihren eigenen Staat, ebenso die Aleviten. Frankreich bombardierte Damaskus und das Drusengebiet, um den Widerstand gegen seine Herrschaft zu brechen. 1937 wurden alle Gebiete vereinigt und  Syrien wurde im Zweiten Weltkrieg in die Unabhängigkeit entlassen. Syrien war ein instabiles wackeliges Konstrukt, bis es in die Hände des Assad-Clans fiel. Der Kern der Assad-Herrschaft ist die Installation einer säkularen Ordnung gegen den Widerstand der religiösen Schiiten. Wenn man Assad beseitigt, brechen alle blutigen Konflikte wieder auf, die jahrzehntelang zugekleistert, wegkorrumpiert, weggefoltert, weggetötet und weggesperrt wurden. Die aktuelle multikulturelle Situation in Syrien sieht nach Wikipedia etwa so aus:

Bevölkerungsanteil %

Rolle

Arab. Sunniten

Etwa 60 %

Kern der Aufständischen

Aleviten

12 %

Kern der Herrscherkaste Assads

Kurden

10 bis 15 %

Unterstützung für Assad

Drusen

4 %

Unterstützung für Assad

Schiiten

2 %

Unterstützung für Assad

Christen

10 %

Unterstützung für Assad

Mit dem aktuellen Bürgerkrieg wurde die Büchse der Pandora geöffnet und im Machtkampf zwischen den Religionen wurde der Reset-Knopf gedrückt. Das Beste, was Syrien in diesem Konflikt passieren kann, ist daß es in seine Stammes- und Religionsgebiete zerfällt. Wenn Europa eingreift sinken die Chancen dafür auf Null, weil in Europa ein heiles Multikultiweltbild gepflegt wird: Alle Menschen sind Freunde. Dieses Weltbild kann man im Nahen Osten vergessen. Da gilt eher: Auge um Auge und Zahn um Zahn.

In Tunesien, Afghanistan, Libyen, im Irak, im Iran und in Ägypten hat die Demokratisierung versagt. Auch der Mali-Feldzug war ein Schuss in den Ofen, genauso wie das amerikanische Engagement in Somalia. Die Demokratisierung wird auch in Syrien nicht funktionieren. Die Assad-Diktatur wird, wenn sie denn scheitert, durch ein blutiges Chaos und am Ende durch eine neue Diktatur ersetzt werden.

Die Europäer, allen voran die kriegslüsternden Franzosen, die auf ein Eingreifen in den Syrienkonflikt besonders scharf sind, haben schon den ganzen Mittelmeerraum und den Nahen Osten destabilisiert. Sie werden sich an die säkularen  Diktaturen von Assad, Ben Ali, Gaddafi, Reza Pahlewi und Mubarak eines Tages noch mit Wehmut zurücksehnen.

Für Kriege in Arabien sollte Europa keinen Mann und keinen Groschen investieren. Es ist nichts zu gewinnen, weil die Sieger des Kriegs sich bei Europa nicht bedanken werden. Sie werden ihre eigenen machtpolitischen Ziele verfolgen. Das ist völlig normal, denn Undank war schon immer der Welt Lohn. Die Europäer sollten aus ihren Friedensmissionen auf dem Balkan und in Afghanistan lernen: Da kann auch nach der Militäraktion keiner keinen leiden.