Schüsse in den Ofen

Der Aschehängerraum ist als Raumkategorie aus dem Architektenvokabular mittlerweile entschwunden. Seine Existenz war der Braunkohleverbrennung zu verdanken. Meine erste Aufgabe als Jungingenieur war 1982 die Planung solch eines Aschehängerraums für das Betonwerk Themar. Das ist ein mäßig beheizter Raum, in den Aschehänger eingestellt werden, damit die Asche im Winter nicht anfriert. Die Errichtung des Raums war erforderlich, weil das Betonwerk von Erdöl auf Braunkohle umgestellt wurde. Im Rahmen der Energieträgerumstellung.

Und das kam so: zufällig war mein erstes Schulgebäude die ehemalige russische Botschaft in Weimar. Als ich in die erste Klasse ging hing an der linken Wand zwischen zwei Fenstern eine große Wandzeitung. Sie hieß „Der Siebenjahrplan“.  Dieser betraf den Zeitraum von 1959 bis 1965. Das wichtigste Projekt war die Erdölleitung der Freundschaft von Tartarien nach Schwedt an der Oder. Die sowjetischen Freunde  würden Erdöl zum Freundschaftspreis liefern wurde den Schülern von der Lehrerschaft eingetrichtert. Die Leitung wurde tatsächlich im Juli 1963 fertig und die Dampflokomotiven verschwanden. Viele Betriebe wurden auf Erdöl umgestellt. Das mit dem Freundschaftspreis klappte auch eine ganze Weile.

Ende 1973 kam es in Westeuropa zu einem Ölembargo durch die OPEC. Der Ölpreis stieg. Es wurden autofreie Sonntage verordnet. Die SED-Parteileitung der Deutschen Reichsbahn triumphierte in einem extra herausgegebenen Propagandablatt: Der Westen leide unter steigenden Ölpreisen, während der DDR weiterhin das Sowjetöl zum Freundschaftspreis geliefert würde.  Das währte aber nur bis 1976. Die Sowjetunion erhöhte den Preis drastisch und reduzierte gleichzeitig die Liefermenge. Das war das definitive Todesurteil für die DDR auf wirtschaftlichem Gebiet.

Die Ostberliner Statthalter reagierten mit der Energieträgerumstellung (Abkürzung: ETU). Viele Betriebe wurden wieder auf Braunkohle zurückumgestellt. Eigentlich auf Rohbraunkohle, im Volksmund Blumenerde genannt.  Als ich mit dem Aschehängerraum fertig war plante ich die Erweiterung des Kesselhauses für die Ziegelproduktion in Themar.  Danach die Umstellung des Mälzerei- und Speicherbaus in Erfurt auf Braunkohlefeuerung. Und so ging es laufend weiter. Billig waren die ganzen Baumaßnahmen nicht. 1989 war mein letztes Projekt für die ETU ein Braunkohleheizhaus für die LPG in Kromsdorf. Dort sollte Exportobst für eine Marmeladenfabrik in Ostholstein produziert werden. Das Objekt ging nach der Fertigstellung nicht mehr in Betrieb. Es folgte 1990 nämlich die Energieumstellung auf Erdöl und Erdgas. Und Erdbeerlieferungen nach Westen hatten sich erledigt.

Die Umstellung von Braunkohle auf Erdöl nach 1963 war eine Fehlinvestition, da das sowjetische Lieferversprechen gebrochen wurde. Die Energieträgerumstellung auf Braunkohle in den 80er Jahren war der nächste Schuß in den Ofen. Die nächste Umstellung der 90er Jahre auf Gas und Öl erweist sich heute aus theologischen Gründen (Klimareligion) ebenfalls als Flop.

Energiepolitisch ist die deutsche Geschichte seit 1960 eine einzige Katastrophe. Es wurde nur  Achterbahn gefahren. Nie hat es wirklich eine geostrategische Ausrichtung der  deutschen Energiepolitik gegeben. Immer hat man in Ost und West auf Freundschaften vertraut. Die Sowjetunion war kein barmherziger Samariter und Rußland ist es auch nicht.  Und genauso verhält es ich mit allen anderen Freunden. Energielieferungen sind ein hartes Geschäft.

Die überhastete Umstellung auf Wind und Sonne als neuerliche Energieträgerumstellung wird wieder in der Rumpelkammer der Geschichte landen, weil die notwendige Absicherung der Grundlast unterbelichtet und ungeklärt ist sowie verdrängt wird. Und weil man überflüssige Energie der Windmühlen und PV-Anlagen nicht wirtschaftlich speichern kann.

Von der gescheiterten DDR kann man viel lernen: Energieträgerumstellungen sind Warnsignale. In ihrem Umfeld riecht es nach wirtschaftlicher Verwesung. Fehler in der energiepolitischen Ausrichtung sind für einen Staat tödlich. Es sei denn er hat eine breite Palette an eigenen Energierohstoffen. Deutschland sollte einen soliden Sockel an Braunkohleförderung behalten und ansonsten einen möglichst breiten Mix an Energieträgern sowohl für Wärme als auch für Strom und Verkehr anstreben.  Und eine möglichst große Zahl an „Freunden“ haben, die Energierohstoffe liefern…