Intuition in der Zwangsjacke

Um es gleich vorwegzunehmen: Diskriminierung ist Mist. Ich habe in meinen Betrieben immer mehr Frauen als Männer beschäftigt und unter den Männern waren auch ein paar Schwule. Das wurde aber nicht gemacht um Quoten zu erfüllen, sondern weil es sich so ergab. Was das für Vor- und Nachteile hat ist heute und hier nicht das Thema.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, im Volksmund pikanterweise Diskriminierungsgesetz genannt, wurde im August 2006 beschlossen. Es soll unter anderen Frauen, Transvestiten, Schwule, Behinderte, Ausländer und Moslems vor Benachteiligung schützen.

Öffentliche Vergabeverfahren sind in Deutschland und in ganz Europa kompliziert. Egal ob eine öffentliche Baumaßnahme vergeben wird oder eine Stelle im öffentlichen Dienst vakant ist, immer muß die Maßnahme oder Stelle ausgeschrieben werden und bei der Auswertung der eingegangenen Bewerbungen oder Angebote beginnt ein formalisiertes Verfahren, das lang dauert, juristische Spezialkenntnisse erfordert und deshalb teuer ist. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Beschwerden der Unterlegenen, die richtig Geld kosten können. Die Privatwirtschaft war bis 2006 davon ausgenommen, wenn nicht gerade mit staatlichen Fördergeldern gewirtschaftet wurde.

Nach dem Gesetz von 2006 muß auch die Privatwirtschaft bei Personaleinstellungen Diskriminierung vermeiden und schuldet dafür den Nachweis. Es gibt seltsame Auswüchse. Da soll der Name in der Bewerbungsunterlage nicht mehr angegeben werden, auf das Lichtbild ist zu verzichten oder es sollen in der Bewerbung Hinweise auf das Geschlecht fehlen. Diese Extrempositionen, die aus der Angst geboren werden, irgendetwas falsch zu machen, zeigen die Fragilität der politischen und betriebswirtschaftlichen Vernunft.

Man sollte sich als Unternehmer auf politische Spielchen garnicht erst einlassen. Das wesentliche der Geschäftstätigkeit ist das Produkt oder die Dienstleistung. Im kurzen Abstand kommen die Kunden und das Betriebsklima. Auf diese drei Themen muß man sich als Unternehmer konzentrieren. Nebenkriegsschauplätze wie die juristische Absicherung von Personaleinstellungen bringen keine Punkte. Sie haben im Gegenteil finanzielle Risiken.

Bereits lange vor dem Inkrafttreten des Gesetzes hatte ich es aufgegeben, freie Stellen beim Arbeitsamt zu melden. Meine Beobachtung war nämlich, daß die qualifizierten Bewerber in Wirklichkeit nur selten zur Verfügung standen und daß gute Bewerber von den Vermittlern an alte Bekannte verschoben werden. Nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes  habe ich zusätzlich auf Zeitungsannoncen verzichtet.

Wenn eine Stelle zu besetzen war, habe ich mich auf persönliche Kontakte verlassen. Wo der eigene Horizont manchmal endet, kennen die Mitarbeiter einen geeigneten Bewerber. Alle Stellen konnten nach diskreter Suche qualifiziert besetzt werden und es wurde noch Geld für Zeitungsanzeigen und viel Zeit gespart. Der Vorteil liegt darin, daß bei der persönlichen Suche nicht anonymisierte Bewerber bewertet werden, sondern richtige Menschen, wie sie in der Natur vorkommen.

Die Erfahrung sagt, daß die berufliche Qualifikation nur den halben Wert eines Mitarbeiters ausmacht, die andere Hälfte bringt der Charakter. Wenn nur die Ausbildung wichtig wäre, könnte man ja Roboter einsetzen. In einem formalisierten Auswertungsverfahren geht die Persönlichkeit nicht in die Wertung ein. Wie viele Bewerber habe ich früher weggelassen, weil sie zum Beispiel arrogante Puten waren, die beim Kunden nicht gefragt sind? Muß ich in einer ländlichen Region wirklich einen 10mal gepiercten Mohikaner auf die Auftraggeber loslassen? Schadet das vielleicht den anderen Mitarbeitern und mir selbst?

Wie viele Mitarbeiter habe ich eingestellt, die für die Aufgabe keine Ausbildung hatten, sich aber hervorragend in das Arbeitsgebiet hereingefunden haben? Es waren in 20 Jahren wirklich viele. Die hätten bei einer Auswertung ihrer Bewerbung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz keine Chance gehabt. In Deutschland hat sich leider ein Kult um Berufsabschlüsse gebildet. Viele dieser Abschlüsse sind keinen Schuß Pulver wert. Aus verschiedenen Gründen, welche auseinanderzulegen den Rahmen diese Eintrags sprengen würde.

Der Betriebsfrieden kann nicht nur durch Mobbing und Diskriminierung, sondern auch durch schützenswerte Minderheiten gefährdet werden. Am Ende der 80er Jahren habe ich ein halbes Jahr in Darmstadt gearbeitet, wo es auch Ausländer gibt. Im Büro waren ein netter Türke und ein netter Grieche beschäftigt. Jedesmal wenn in der Ägäis Kriegsgefahr aufkam mußten die beiden getrennt werden. Sie wurden auf verschiedenen Etagen beschäftigt.  Muß man aber erst mal haben, mehrere Stockwerke.

Betriebe gehen mit schlechtem Personal unter. Bereits Professor C. Northcote Parkinson von der Raffles University of Malaya hatte 1957 im Kapitel VIII seines Hauptwerks „Parkinsons Gesetz und andere Untersuchungen über die Verwaltung“ die schleichende Büroparalyse beschrieben.  In der letzten Phase dieser Personalfehlentwicklung gäbe es für ein Unternehmen keine Rettung mehr. Aus dem Keller würde zum Schluß das Jammergeschrei einer hungrigen Katze tönen.

Deshalb sollten Unternehmer sich bei der Personaleinstellung nicht in eine juristische Zwangsjacke stecken lassen. Persönlichkeiten nisten nicht zwischen Aktendeckeln. Menschenkenntnis kann man nicht durch den Extrakt der Auswertungstabellen von Bewerbungsunterlagen ersetzen. Sie entzieht sich formalisierbaren und juristisch nachprüfbaren Prozeduren. Wirkliches Leben und der Erfolg haben immer auch etwas mit Intuition und Subjektivität zu tun. Darum muß man sich den staatlichen Zwängen entziehen, zumindest bei der Personalsuche.