Bürgerkrieg wegen nichts?

Leipzig im Belagerungszustand. Tausende Polizisten paßten heute auf, daß sich etwa 40.000 Demonstranten nicht an die Gurgel gehen. Im Wesentlichen ist das gelungen. Abgesehen von ein paar Brandanschlägen, einem demolierten Bahnhof, Prügelorgien und Flaschenwürfen der Antifanten. Dank an die bewaffneten Organe!

Inhaltlich gibt es zwischen LEGIDA und den Gegendemonstranten kaum einen Unterschied. Der LEGIDA-Redner Jürgen Elsässer rief alle Ausländer auf, bei LEGIDA mitzumarschieren und lobte sie für ihre Leistungen. Ähnliches wird man auch hinter der dreifachen Polizeikette gedacht haben. Es sind feine Nuancen, die den Unterschied machen. LEGIDa will, daß die Ausländer mal angesehen werden, bevor sie reinkommen, die Antifa will das nicht. Oder nach Charlie doch? Die Elsässer-Rede war ziemlich links. Sind die Antifanten doch auch!

Leipzig ist nicht so „gemiedlich“ wie Dresden. Dresden ist eine Beamtenstadt mit einem Facharbeiteradel, vielen Ingenieuren und Freiberuflern. Die Technische Uni spuckt nicht so viele Gewalttäter aus. Das spiegelt sich in den Teilnehmern der Demos in Dresden. Alles ist ein bißchen Kindergeburtstag. Man kann vor und nach der Kundgebung ganz normal durch die Stadt zum Auto gehen und wünscht sich gegenseitig eine gute Nacht.

Leipzig hat das Copyright Foto Wolfgang Prabel
Leipzig hat das Copyright Foto Wolfgang Prabel

Leipzig dagegen hat geisteswissenschaftliche Fakultäten. Und die LEGIDA wird mehr von der Baustelle beschickt. In Dresden sind die Demonstranten etwas älter und wohlhabender als der Durchschnitt, in Leipzig sind sie jünger und deshalb wirtschaftlich eher im Aufbau. Alles ist viel krasser und zugespitzter in der Pleißestadt. Da stehen sich hinter den Polizeiketten das verbliebende Proletariat und Studenten bzw. Gymnasiasten gegenüber.  Da läuft Klassenkampf mit kulturellem Hintergrund. Oder Kulturkampf mit Klassenhintergrund. Studentenverbindungen waren schon vor hundert Jahren elitär und Arbeiter klebten auch damals schon stärker an der deutschen Sprache und Kultur.

Die Ausländer sind in diesem Kulturkampf inzwischen Nebensache und Vehikel. Sie sind sowohl bei der LEGIDA wie auch bei den Gegendemos spärlich vertreten. Die Islamkritiker schauen beim Spaziergang an den Häuserfronten hoch, wo Autonome und Studenten in den Fenstern hocken. Die LEGIDAS rufen: „Nazis raus!“ oder „Geht lieber mal arbeiten!“.  Die Antifa hat leistungsstarke Musikanlagen, spielt „Freude schöner Götterfunken“ und hält dagegen: „Nazis raus!“ Auf Plakaten der Antifa werden die Spaziergänger in der Regel als blöde abgetan.

Beide Gruppen sind gewöhnlich unter Gleichgesinnten und überschreiten nur gelegentlich die Grenze in die jeweils andere Kultur. Kulturell befinden wir uns im Bürgerkrieg, seitdem sich die Schaffenden nicht mehr alles bieten lassen und Teilhabe einfordern. Medial und politisch. Der gewerblich-technische Bereich ist in der L-Presse, im L-Funk und in den L-Parlamenten seit mittlerweile zwei Jahrzehnten abgemeldet.  Der Kulturbetrieb und der politische Überbau im Marxschen Sinne ist im Gegensatz medial und politisch stark übergewichtet.

Deutschland muß Demokratie wieder lernen. Daß die Anderen auch zu Deutschland gehören und sich mal melden dürfen. Das wird für die Eliten arg gewöhnungsbedürftig, weil sie bisher alles diskussionslos diktieren konnten bis zur Anrede „Frau Professorin“ an der Leipziger Uni. Die Unterdrückten müssen die politische Sprache erst wieder erlernen. Nein, sie dürfen keine politisch korrekten Floskeln nachbeten, sondern sie müssen knallharte Forderungen an das System stellen.

Auf den ersten Blick wird in Deutschland Bürgerkrieg wegen fast nichts geführt. Auf den zweiten Blick sieht jeder hinter den Polizeikordons sein Gegenbild und seinen Feind. Wir bräuchten eine Bundeskanzlerin, die in dieser Situation nicht Partei ergreift, sondern moderiert. Dasselbe gilt für ihren Justiz-Heiko.

Kritik an der Kanzlern Foto: Wolfgang Prabel
Kritik an der Kanzlern
Foto: Wolfgang Prabel