Der Familienverband als Machtinstrument

Griechenland ist kein Staat, sondern ein undurchsichtiges Konglomerat von schmarotzenden Familienclans. Das wird oft auf die Türkenherrschaft zurückgeführt. Während dieser Fremdherrschaft hätten sich mafiöse Strukturen gebildet, die bis heute intakt sind, wird uns von den medialen Erklärbären verklickert. Der Staat würde von den heutigen Griechen immer noch als Feind angesehen, obwohl die Türken schon vor 100 Jahren weitgehend ausgeschaltet und ausgebürgert wurden.

Kommissar Zufall hat den Fall von einer anderen Seite, als der türkischen Herrschaft her aufgerollt. Gestern las ich in Theodor Mommsens „Römische Geschichte“, die Mitte des 19. Jahrhunderts geschrieben wurde und in den ersten Kapiteln eine Zeitepoche behandelt, welche deutlich vor Christi Geburt liegt. Nämlich über die römische Königszeit. Der bereits in der Urgeschichte entstandene Unterschied zwischen Griechenland und Rom wurde von Mommsen klar benannt und kenntlich herausgestellt:

„Aber wenn in der schwächeren politischen Entwicklung Griechenlands der Geschlechtsverband als korporative Macht dem Staate gegenüber sich noch weit in die historische Zeit hinein behauptet hat, erscheint der italienische Staat sofort insofern fertig, als ihm gegenüber die Geschlechter vollständig neutralisiert sind und er nicht die Gemeinschaft der Geschlechter, sondern die Gemeinschaft der Bürger darstellt.“

Die Modernität und Rationalität verdankt Westeuropa dieser römischen Tradition. Unabhängig von der Zugehörigkeit zu starken Familienclans konnte in Rom selbst der Freigelassene und der Zugereiste etwas werden, wenn er die erforderliche Leistung brachte.

Diese Rationalität des Staats, der direkte unvermittelte Kontakt zwischen Staat und Individuum hat sich im Westen im Wesentlichen bis heute erhalten. Wenn man die deutschen Regierungschefs  seit 1945 betrachtet, so hatte keiner Verwandte, die vor 1945 eine wesentliche Rolle in der Politik gespielt haben. Auch hat keiner eine Familiendynastie begründen können oder wollen. Die Kinder und Verwandten von Adenauer, Brandt, Schmidt und Kohl spielen in der deutschen Politik keine Rolle und führen eine bürgerliche Existenz. Merkel hat keine Kinder. Die Tochter von Franz-Joseph Strauss ist in der Politik gescheitert.

Ganz anders liegen die Verhältnisse in Griechenland. Mächtige Clans beherrschen die nationale Politik teilweise über Generationen. Bereits der erste Ministerpräsident wurde 1832 in einer archaischen Clanfehde auf offener Straße ermordet. Viele einflußreiche Familien prägten die Politik über Jahrzehnte: Eleftherios Venizelos regierte von 1910 bis 1932 mit zahlreichen Unterbrechungen. Sein Sohn Sophoklis war von 1944 bis 1950 mehrmals Ministerpräsident. Georgios Papandreou regierte von 1944 bis 1965 insgesamt dreimal, sein Verwandter Damaskinos Papandreou kurzzeitig 1945. Andreas Papandreou herrschte von 1981 bis 1996 zweimal, Georgos Papandreou von 2009 bis 2011. Genauso schwer aus der Bahn zu werfen war der konservative Konkurrenzclan der Karamanlis. Kostas Karamanlis führte die Regierung 2004 bis 2009, vorher beherrschte sein Vater Konstantinos die griechische Politik von 1955 bis 1980 insgesamt viermal.

Wenn man die Liste der griechischen Ministerpräsidenten in Wikipedia studiert, bemerkt man, daß bereits das 19. Jahrhundert durch eine ausufernde Familienwirtschaft geprägt war.

Der neue Regierungschef Tsipras hatte versprochen, den Reichen an den Kragen zu gehen. Bisher ist nicht ein einziger Schritt in diese Richtung erfolgt. Und es würde griechischer Tradition nicht im mindesten entsprechen. Für die griechische Operettenrevolution der Wahl von 2015 gilt auch der Satz von Tommaso di Lampedusa aus dem Roman „Il Gattopardo“: „Damit alles so bleibt wie es ist, muß sich alles ändern.“

Unsere Wahrheitsmedien betrachten Griechenland in den letzten Tagen und Wochen fast nur unter monetären Gesichtspunkten. 78 deutsche Milliarden sind im griechischen Oligarchenstrudel versoffen und futsch. Es ist für Werktätige, Rentner und Sozialempfänger bitter, wenn solche Summen zum Fenster herausgeworfen werden, jeder Deutsche hat in Griechenland 1.000 € verloren. Andererseits muß man sich vor Augen halten, warum das alles geschah.

Seit der Unabhängigkeit von der Türkei im Jahr 1830 wird Griechenland von den europäischen Mächten alimentiert, nur um zu verhindern, daß Rußland den Zugang zum Mittelmeer über griechische Häfen herstellt. Insbesondere Großbritannien hat zwischen 1840 und 1950 immer wieder gezahlt, und wenn mit Geld nichts mehr ging, militärisch interveniert. Zuletzt massiv nach dem Zweiten Weltkrieg. Später wurde Griechenland in die NATO eingebunden. Die Hellenen haben sich den Verzicht auf ein Bündnis mit Rußland zu allen Zeiten fürstlich bezahlen lassen. Vor dem Ersten Weltkrieg, zwischen den Weltkriegen und nach dem Zweiten Weltkrieg. Es hat sich eine Subventions- und Erpressungsmentalität herausgebildet, die mehr als ein Jahrhundert alt ist.

Insgesamt hat Griechenland seit der Euro-Einführung etwa 300 Milliarden Euro aus der EU herausgeleiert. Mit dem Ergebnis, daß es jetzt mit einem russischen Bündnis droht, just im Augenblick, wo der Eurostrom etwas dünner zu werden droht. Das verlorene Geld der Europäer wäre in der italienischen Marine und Luftwaffe und in der weiterer zuverlässiger Mittelmeeranrainer besser angelegt worden, als ausgerechnet bei den erpresserischen und treulosen Hellenen.

Rußland ist sowieso im Mittelmeer zu Gast. Auch ohne die Beihilfe der Griechen. Wenn es Stützpunkte in Griechenland und Zypern errichtet, zwingt es insbesondere die Türkei zu größten Rüstungsanstrengungen, was Deutschland keinen Pfennig kostet. Und Rußland wird wieder einmal seine Kräfte überdehnen, um zweifelhafte Verbündete am Leben zu erhalten.

Es hat bei einer kommunistischen und prorussischen Regierung keinen Zweck mehr, Griechenland im westlichen Bündnis zu halten. Hellas paßt zur russischen und ukrainischen Oligarchenwirtschaft viel besser, als in eine westliche Wertegemeinschaft mit individuellen Rechten und Pflichten. Letztere sind in Griechenland völlig unbekannt, wie beispielsweise das Finanzwesen zeigt, welches lediglich in der Lage ist, den Ärmsten der Armen über Verbrauchssteuern Geld abzuknöpfen. Barbarische Clangesellschaften gehören zur orthodoxen Welt des Ostens, nicht zu Europa.

Tauchen wir das komplexe Desaster, welches so viel Geld gekostet hat, in etwas Humor: Anfrage an das Orakel von Delphi: „Stimmt es, daß Gierigis Kakerlakis 100 € in der Syriza-Tombola gewonnen hat?“ „Es stimmt, aber es war nicht Kakerlakis, sondern Varoufakis, es waren keine 100 €, sondern 300 Milliarden und er hat sie nicht gewonnen, sondern gestohlen.“