Ein Schlachtfeld kann man nicht exportieren

Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel will ihre notdürftig ausgerüsteten Truppen nach Syrien senden, um Berlin vor der moslemischen Gefahr zu retten. Warum sieht man ihre ordnende Hand nicht schnell mal in Kreuzberg? Im Görlitzer Park zum Beispiel? Franzosenpräsident Hollande hat eine ähnliche Schwäche für das Ausland. Statt in den Vorstädten von Paris läßt er in Mali und Syrien Ordnung herstellen, oder das was er darunter versteht.  Barack Obama verheizt seine Truppen lieber in Afghanistan, als in San Bernardino, wo gerade eine „Schießerei“ stattgefunden hat. Schießerei ist das obligate Neusprech unserer Lügenmedien für eine Erschießung durch fromme Moslems.

Es scheint die Illusion zu herrschen, daß man fern in heißen  Wüsten oder bitterkalten Hochgebirgen, wo keine BILD- und SPIEGEL-Journalisten häßliche Fotos von Kriegsopfern machen, die selbst geschaffenen Probleme verartzten könnte. Man möchte das Problem des Kämpfenmüssens wegschieben. Vom Bomber aus fällt das Töten leichter, als von Angesicht zu Angesicht. Der Häuserkampf zu Hause läßt sich jedoch auf Dauer nicht vermeiden. Daß Deutschland nicht am Hindukusch verteidigt werden kann, müßte den Politikern der Altparteien allerdings klar geworden sein, seitdem nach dem Abzug deutscher Soldaten der ehemalige Standort Kundus von Taliban regelrecht überrannt wurde. Auslandseinsätze riechen nach Symbolpolitik und nach des Kaisers neuen Kleidern.

Glaubt die außenpolitisch naive Kanzlerin wirklich, daß der weltweite Heilige Krieg von Rakka aus gesteuert wird? Und daß es reicht, diese Glaubenshochburg zu pulverisieren? Daß die todesmutigen Krieger von Brüssel und aus San Bernardino aus dem Zweistromland ferngesteuerte Puppen sind? Was wäre mit Norddeutschland passiert, wenn die Amerikaner nach der Zerstörung der New Yorker Twintower die Hansestadt Hamburg als Zentrale des Bösen ausgemacht hätten? Wäre an der Alster dann noch ein Stein auf dem anderen geblieben?

Es gibt einen fatalen Hang zum polternden Aktionismus. Zur medialen Inszenierung eines kraftmeiernden militärischen Donnerwetters der Rache. Im Blitzlichtgewitter der Fotografen der Lügenpresse wurde der jeweilige Aufmarsch als Event inszeniert. Luftbilder zeigten die Bombardierung irgendwelcher frommen Festungen, zehntausende Gotteskrieger kamen vermeintlich ins Paradies aber Mullah Omar und Bin Laden fing man trotz kilotonnenschwerer Luftschläge nicht.  Bin Laden entkam angeblich auf einem weißen Schimmel und der einäugige Mullah starb unerkannt und unentdeckt in einem staubigen Kaff an Altersschwäche oder einer simplen Krankheit.

Der fernsehende Spießbürger lehnt sich im Sessel zurück und erschaudert ehrfürchtig vor der demonstrierten Entschlußkraft  der Staatenlenker und sieht zu wie dank moderner multimedialer Berichterstattung fern in der Türkei und noch dahinter die modernen Lenkwaffen auf die Völker schlagen.  Freilich nach der ersten Begeisterung wo sich die Nackenhaare sträuben, kommt regelmäßig der Kater und die Frage, was der ganze militärische Theaterdonner denn gebracht hat. Nur die 80jährigen denken bis zum bitteren Ende, daß alles so sein müßte weil sie vom Aufstehen bis zum Insbettgehen per zwangsfinanziertem Staatsfernsehen von kriegsgeilen Journalisten fulltime gehirngewaschen werden.

Ein Modewort für diese abwegigen militärischen Ersatzhandlungen im Ausland, für den Hang zur Flucht aus der naheliegenden Wirklichkeit und die neurotische Abwehr von unerwünschten Anforderungen der unmittelbaren Realität ist Eskapismus. Die Eskapade war in der Fachsprache der Reiterei der übermütige Fehltritt oder Fehlsprung eines temperamentvollen Pferdes. Die Politik neigt zum Eskapismus immer, wenn sie von selbst verursachten Fehlentwicklungen ablenken will. Wenn sie die Aufmerksamkeit und Phantasie des Publikums im Auslande eine Weile beschäftigen will, um ihre im wahrsten Sinne des Wortes Hausaufgaben zu vermeiden.

Jeder Beobachter, der den Nahen Osten nicht nur vom Schnorcheln im Roten Meer oder dem Besuch der Grabkammern von Gizeh kennt, weiß daß im Schnitt der Nahostländer 10 bis 15 % der Einwohner sehr religiös sind. Das ist bei allen dortigen Regierungen ein offenes Geheimnis. Nun käme aber kein Präsident, Emir oder König der Wüstensöhne auf die blendende Idee, die eigenen Gotteskrieger im Ausland zu bekämpfen. Die syrischen Expeditionen in den Libanon und das Eingreifen der Saudis im Yemen sind eher Ausnahmen gewesen. Im Nahen Osten löst man die Probleme innerhalb der Landesgrenzen. Prediger werden lizensiert und müssen das von der Kanzel verkündigen, was der Herrscher will. Abweichler verschwinden spurlos, werden öffentlich hingerichtet oder landen im Kerker. Rechtsgelehrte suchen nach gangbaren Wegen mit der neunten Sure im praktischen Leben zurechtzukommen und finden diese auch. Alles war einigermaßen im Butter, solange sich Obama und Sarkozy nicht einmischten.

2011 erreichte mit dem arabischen Frühling der Eskapismus westlicher Führer einen Höhepunkt. Deutschland hat sich an der Dekonstruktion Arabiens nicht in vorderster Front beteiligt. Außenminister Westerwelle verhinderte das Schlimmste und bekam von den kriegsbegeisterten Berliner Falken ordentlich Feuer:

„Das Verhalten der Bundesregierung im Libyen-Konflikt mit der Enthaltung im Uno-Sicherheitsrat ist ein einziges Debakel“, sagte der ehemalige grüne Außenminister Joschka Fischer im Interwiev mit dem Hetzblatt DER SPIEGEL am 27. August 2011. „Vielleicht das größte außenpolitische Debakel seit Gründung der Bundesrepublik.“ Deutschlands Position in der Welt sei durch die Nichtteilnahme der Bundesrepublik am Libyenfeldzug „wesentlich beschädigt“ worden, erklärte Fischer. Westerwelle habe die westlichen Partner vor den Kopf gestoßen. Er verfolge eine „eigenständige Weltpolitik“ und suche neue strategische Partnerschaften. „Wir sind zu groß, um uns auf eine Rolle wie die der Schweiz zurückzuziehen; wir sind zu klein, um Weltmacht zu spielen“, sagte Fischer. „An unserer Verankerung als Teil des Westens festzuhalten, sollte unser höchstes Interesse sein – und vorrangig, ja unverzichtbar ist dabei die Vollendung des europäischen Einigungsprozesses. (…) Wir brauchen mehr Integration. Am Ende müssen die Vereinigten Staaten von Europa stehen“ Diese Einstellung sollte man als das bezeichnen was sie ist: fanatischer und kriegerischer Eurofaschismus.

In das Kriegshorn stießen noch weitere deutsche Politiker: „Unser Boykott hat den Gaddafi nicht mal irgendwo erreicht, es waren die Waffen unserer Nato-Partner, es war nicht die deutsche Zurückhaltung. (…) Da können die in Berlin reden, was sie wollen, bis hin zur Peinlichkeit.“, so EU-Energiekommissar Günther Oettinger von der CDU. „Ich empfinde Hochachtung vor dem libyschen Volk, das sich aus den Ketten Gaddafis befreit hat. Und ich empfinde auch Respekt vor unseren Verbündeten, die Gaddafis Kriegsmaschinerie zerschlagen haben.“, so Westerwelles „Parteifreund“, der FDP-Generalsekretär Christian Lindner am 27. August 2011 in der Leib- und Magenpostille der deutschen Manchester-Liberalen, der „Frankfurter Rundschau“. „Es ist schlicht würdelos, dass Westerwelle jetzt so tut, als ob seine damaligen Entscheidungen zum Sturz von Gaddafi geführt haben. (…) Daß Gaddafi vertrieben werden konnte, haben wir dem Mut der vielen Menschen zu verdanken, die unter Einsatz ihres Lebens gegen das Gaddafi-Regime kämpfen.“, so SPD-Chef Sigmar Gabriel in der „Rheinischen Post“.

Frau Dr. Merkel muß die deutschen Grenzen schließen und mal nachsehen lassen, wer alles gekommen ist. Und den Görlitzer Park aufräumen. Aber dalli. Die deutsche Politik wäre gut beraten am Syrien-Abenteuer nicht teilzunehmen und die Franzosen alleine hasardieren zu lassen. Nicht weil man die Franzosen grundsätzlich im Stich lassen sollte. Sondern weil Hollande erkennbar eine Strategie zur Befriedung Syriens fehlt. Syrien müßte in seine historischen Landschaften zerlegt werden, um den Frieden zwischen Schiiten und Sunniten, Kurden, Christen und Drusen zu gewinnen. Aber davor fürchtet sich Frankreich wie der Teufel vor dem Weihwasser. Denn eine Zerlegung Syriens wäre ein Freiheitssignal für Basken, Katalanen, Korsen, Bretonen, die Araber in den Pariser Vorstädten und die Kanaken in Neukaledonien.

Hollande hat nach zwei Pariser Anschlägen ein nachvollziehbares Rachebedürfnis. Aber eine  Ritterregel aus Hannes Hegens „Mosaik“ lautet: In der Wut tut niemand gut.