Das schwarze Hemd – linksrum und rechtsrum

Die FAZ-Redakteure Justus Bender und Reinhard Bingener waren kürzlich nach Schnellroda gepilgert, um Götz Kubitschek und Ellen Kositza auf ihrem Rittergut zu besuchen. Ihr Artikel beginnt mit einer Einlassung des Exchefs der AfD:

„Bernd Lucke war entsetzt. Als Götz Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza im Januar 2015 der AfD beitreten wollten, schrieb der damalige AfD-Vorsitzende eine E-Mail an seine Vorstandskollegen. „Bei Pegida und bei Legida ist Kubitschek im schwarzen Hemd und offener brauner Uniformjacke aufgetreten. Ein Narr, wer darin nicht eine bewusste Anspielung auf die faschistischen Bewegungen im Europa der zwanziger und dreißiger Jahre sieht“, schrieb Lucke.“

Nun muß man wissen, daß Lucke gerne den Medien mit ihren bereits früh vorgetragenen Nazivorwürfen gegen die AfD die Schuld gibt, daß damals dann immer mehr „Rechte“ in die Partei eingetreten seien, sozusagen als sich selbst bestätigende Prophezeiung. Der Antrag von Kubitschek Anfang 2015 paßt in diese Darstellung Luckes.

Die Wirklichkeit sah natürlich wie bei jeder anderen Parteineugründung auch, ganz anders aus. Die schillerndsten Glücksritter gehörten zu den ersten Mitgliedern. Darunter befanden sich politikunfähige Phantasten, Leute die nach Posten schielten, aber auch viele Leute, die von der Statt-Partei, der Schill-Partei, der SPD und von der Linkspartei kamen und in oder mit diesen Parteien gescheitert waren. Auch ein paar Aufnahmen waren dabei, die ihre frühere Mitgliedschaft bei den Republikanern, den Freien Bürgern oder der DSU nicht korrekt angegeben hatten. Ein ehemaliger SPD-Landrat hatte Mist mit einem Regionalflughafen gebaut. Viele dieser Erstmitglieder haben die AfD bereits enttäuscht wieder verlassen oder sind im Begriff das zu tun. Daß die AfD 2013 ein ideales Sammelbecken der Mitte war, ist ein Märchen.

Eine Normalisierung der Mitgliedschaft erfolgt gerade derzeit. In den ersten Monaten des Jahres 2016 sind viele Leute eingetreten, die nicht gleich einen Posten wollen und einen vernünftigen beruflichen Hintergrund haben, also eher in der Mitte der Gesellschaft verankert sind. Die Politik nicht zum Broterwerb brauchen. Die sich die Parteiführung schon 2013 gewünscht hätte.

Nun zum schwarzen Hemd und zur braunen Uniformjacke. In meinem Buch „Der Bausatz des Dritten Reiches“ habe ich bereits vor Jahren den Drang zu Schwarzhemden und immer mehr braunen Socken diagnostiziert. Daran ist nicht nur der Bekleidungshandel schuld. Es sind eher die derzeitigen selbsternannten staatsnahen Eliten, die sich als schwarztragende Konsumpioniere betätigten. Im Gleichschritt mit den Modezaren, die diesenTrend begleiteten und förderten.

Die italienischen Faschisten trugen schwarze Hemden. Pfarrer sind oft schwarz gekleidet und Witwen trugen früher schwarz. Außerdem gab es schwarze Anzüge für Beerdigungen und feierliche Anlässe. Aber dazu wurden weiße Hemden getragen. So um das Jahr 2000 begann die Mode der schwarzen Hemden.

Zuerst trugen künstlerische Berufe wieder schwarz. In Italien fingen die Intellektuellen, dann auch die Handwerker an, sich ergänzend zum schwarzen Gewand einen Mussolini-Kahlkopf scheren zu lassen, insbesondere um schüttere Stellen des Haupthaars zu verbergen. Das verbreitete sich in ganz Europa wie eine Seuche.

Insbesondere deutsche Architekten marschierten schon vor der Jahrtausendwende nur noch in schwarzen, grauen und dunkelgrauen Hemden und schwarzen Überkleidern auf. Im Radio wurde La camisa negra besungen, das schwarze Hemd. Einmal fiel mir selbst im ländlichen Kreistag Weimarer Land auf, daß fast alle Volksvertreter in schwarz und grau kostümiert waren. Egal welche Partei. Ich kam mir als einer der wenigen Leute, die ihre Sachen am liebsten etwas auftragen, vor wie auf einem Faschistentreffen.

Da ich beruflich bei der Gebäudeplanung engagiert war, blieb mir nichts anderes übrig, zumindest bei der Vertragsanbahnung auch graue und schwarze Hemden anzuziehen. Man gehörte sonst einfach nicht dazu und bekam keinen Auftrag. Gerade bei Staatsbauämtern hatten sich die elitären Schwarzhemden wie Unkraut eingenistet.

Das schwarze oder graue Hemd war im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ein Erkennungszeichen sowohl der linken wie der rechten Elitaristen. Daß die Wiedergänger der Bauhaus-Jünger da vorne dran standen – kein Wunder. Wenn Lucke das schwarze Hemd benutzte, um zu „beweisen“, daß Kubitschek rechts ist, hat er sich gewiß vertan. Luckes e-mail gewährt allerdings einen interessanten Einblick in den Tiefgang politischer Auseinandersetzung. Also in die Seichtheit seiner damaligen Argumente.

Elitarismus und Faschismus hatten immer einen linken und einen rechten Nährboden gleichermaßen. Schon daß Mussolini bis 1914 Sozialistenführer gewesen war und dann zur Rechten wechselte zeigt die Ambivalenz. Genauso ging es manchen Bauhäuslern und den Bulettenstürmen (außen braun, innen rot), die 1933 fix die Hemdfarbe wechselten.
In Deutschland wird es gerade in linken Kreisen wieder hoffähig, die Demokratie zu verabscheuen. Diese a-prioro-Besserwisser stehen in der Tradition der zwanziger und dreißiger Jahre, wo insbesondere der linke Weltbühne-Autor Kurt Hiller 1921 mit seinem Konzept der Logokratie, dem theoretischen Fundament der Herrschaft der Berliner Intelligentsia über den Rest der Welt, auftrumpfte. Woher Hiller kam, daraus machte er keinen Hehl:

„Die Jugendbewegung, mit ihrer Entdeckung von Führertum und Gefolgschaft, mit ihrem Eros zum Helden – nicht zum Körperhelden allein -, mit ihrem starken Sinn für den Rang und für edle Haltung, mit ihrer Ehrfurcht vor dem Schöpferischen in Natur und Menschenwelt, mit ihrer Abscheu vor mechanisch-parlamentarischer, nivellierender Betriebsamkeit, vor der Kompromisswirtschaft und allem Sichdrücken um das Wesentliche, aller platten Verständigkeit, mit ihrer Liebe zum Unbedingten, mit ihrer Geradheit und Herbheit, ihrer Innerlichkeit, die nicht ohne Schönheit ist, mit ihrer Opferbereitschaft, mit ihrem unverkennbar heroischen Zug – diese Jugendbewegung quer durch die sozialen Klassen, wohl eine spezielle deutsche Erscheinung, ist typische Abkehr von der Demokratie, …ohne noch freilich noch eine klare Hinkehr zu anderem zu sein. Ihr steckt der neue Aristokratismus als Rythmus im Blut, kaum schon als System im Bewusstsein.“

In diesem Sinne bildet man auch noch heute Netzwerke und Gesinnungsgenossenschaften um die parlamentarische Demokratie gezielt zu unterlaufen. Gender und CO2-Phobie sind nicht im parlamentarischen Raum, sondern in finstersten elitären Hinterzimmern entstanden. Der politische Diskurs findet insbesondere seit der Kanzlerschaft Merkel nicht mehr im Parlament statt, sondern sonstwo. Merkels Markenzeichen ist die Entmachtung des Bundestags. Er erinnert in seiner Alternativ- und Oppositionslosigkeit an den Reichstag der dreißiger Jahre. Gerade in den letzten Tagen häuften sich auch noch die Statements von Linkspolitikern gegen die parlamentarische und die direkte Demokratie.

In der neuesten Herrenmode ist das schwarze bzw. graue Hemd nicht mehr obligat, dafür mehren sich braune Jacken. Lieber Leser, gib mal „Herrenmode 2016“ in Google ein und schau dir die Bilder an. Wird jetzt alles noch radikaler? Alarm, Herr Lucke!