Petry macht den Lucke

Frauke Petry hat in der AfD eine Diskussion angestoßen: Realpolitik oder Fundamentalopposition? Und sie hat daraus gleich einen Parteitagsantrag gemacht. Matthias Kamann von der WELT konstruiert daraus eine Analogie:

„Aber jetzt überträgt ausgerechnet AfD-Chefin Frauke Petry ein Wesensmerkmal der Grünen auf die AfD: den Gegensatz zwischen Realos und Fundis. Diese Lagerbildung gebe es auch in der AfD, behauptet Petry.“

Vergleiche hinken immer. Die Grünen hatten als Realos, teilweise sogar als Fundis immer die Medien auf ihrer Seite. Das verschaffte ihnen in Koalitionen mit der SPD sowie im gesamtgesellschaftlichen Diskurs Rückenwind. Sie konnten verlangen, was sie wollten: Es wurde im Fernsehen und in einem Teil der Presse unterstützt. Sie rannten deshalb politisch immer offene Tore ein und bekamen alles, was sie wollten.

Eine wirkliche Nur-Realo-Partei ist die FDP. Außer Ulf Poschardt kann sie im Medienbetrieb kaum jemand leiden. Der Partei blies der Wind aus dem Blätterwald und dem Fernsehen immer ins Gesicht. Nie konnte die FDP etwas Wichtiges durchsetzen, weil ihr Parteiprogramm nicht den planwirtschaftlichen und freiheitsfeindlichen Vorstellungen von Redakteuren und Reportern entsprach. Auch die CDU ist von den Medien ständig nach links getrieben worden. Mal hat sie etwas mehr Widerstand dagegen geleistet, mal weniger. Politiker wie Philipp Jenninger (Rede am 10.11.1988) und Martin Hohmann (Rede am 3. 10.2003) sind weggekniepst und dem Zeitgeist diskussionslos geopfert worden. Am wenigsten Widerstand gegen das Diktat der linken Medien gab es unter Angela Merkel. Das muß man grundsätzlich bedenken. Wer Realpolitik als Gegensatz zu Fundamentalopposition begreift, driftet im Mainstream nach links ab.

Die AfD nur noch als realpolitische Partei? Wird Frauke Petry als Vorsitzende einer geläuterten AfD der Presse- und Fernsehliebling werden? Sie unterliegt einer perfekten Illusion, wenn sie das glaubt. Aber sie hat da so einen perversen Drang ins Blitzlichtgewitter zu streben. Ihr Auftritt auf dem Bundespresseball 2015 ließ vielen Anhängern der AfD das Blut in den Adern gefrieren: SPON untertitelte ein Foto von Petry und Pretzel: „Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry und ihr Partner, der nordrhein-westfälische AfD-Chef Marcus Pretzel, schienen ihre Abneigung gegen die vermeintliche Lügenpresse vergessen zu haben: Aus Anlass des Bundespresseballs gab sich das Paar im Berliner Hotel Adlon die Ehre.“ Auf einem elitären, versnobten und verschnöselten Jahrmarkt der Eitelkeiten hat die AfD eigentlich nichts zu suchen.

Aber Petry ist zu eitel, um den Verlockungen der Macht und des Glamours zu widerstehen. Ein Auszug aus ihrem Parteitagsantrag verrät sie:

„Sie (die fundamentaloppositionelle Strategie) führt bei ehemals konservativen Parteien im Besonderen, aber insgesamt bei allen Wettbewerbern zu einem Heranrücken an die Positionen der AfD. Die Veränderung in unserem Land wird somit mittelbar über veränderte Standpunkte der Wettbewerber im Parteienspektrum angestrebt und nicht über die Stärkung der eigenen Machtbasis.“

Was spricht denn dagegen? Wenn alles nach der Pfeife der AfD tanzt, ist das Ziel doch erreicht? Da fehlt dann allerdings der Dienstwagen und das Ministerbüro. Hallo, Frau Petry: Eine Machtbasis ist die feste Mauer aus treuen Anhängern und nicht der Troß aus Fraktionsmitarbeitern und die Parteifinanzierung durch Mandatsträgerabgaben.

Ich habe jetzt im Eifer des Gefechts stark zugespitzt. Eigentlich will ich nicht in den Fehler des Antrags der Petry-Gruppe verfallen, die Fundamentalopposition und die Realpolitik als sich ausschließende Gegensätze zu begreifen. Beides sind sich ergänzende Strategien. Man muß gleichzeitig durch einige „Stänker“ die Diskursräume öffnen (das machen viele Partei mit ihren Generalsekretären oder denken wir mal an das SPD-„Stinktier“ Ralf Stegner) und durch realpolitisch denkende Politiker die die Mitte ansprechen.

Franz-Josef Strauß hätte angesichts des Parteitagsantrags der Petry-Gruppe die Stirn gerunzelt. Seine Debattenbeiträge im Deutschen Bundestag und im Bayerischen Landtag, aber auch seine Aschermittwochsreden waren stets angriffslustig und dafür berühmt-berüchtigt.

Strauß war Fundamentaloppositioneller und Realpolitiker in einer Person. Das hatte den Vorteil, daß er die Erweiterung seines Diskursraumes selbst dosieren konnte.

Petry schreibt dagegen völlig naiv wie eine Neugeborene über Fundamentalopposition und Realpolitik:

„Kommen beide Strategien nebeneinander zum Einsatz, zerstört die fundamentaloppositionelle Strategie die realpolitische Strategie. Die Öffnung von abseitigen Diskursräumen muss nicht als Parteistrategie getragen werden, um von einzelnen Funktionären und Parlamentariern angewandt zu werden.“

Wo ist die Grenze zwischen „abseitigen“ und nicht abseitigen Diskursräumen? Diese Frage ist sicher interessant. Warum intrigierte die Petry-Gruppe gegen die baden-württembergische AfD, als es darum ging, Gedeon aus der Fraktion auszuschließen?  Was war das für ein Ritt, als Petry den Begriff „völkisch“ positiv besetzen wollte? War das mit dem ganzen Vorstand abgestimmt? Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.

Sicher ist etwas mehr Disziplin von einigen Mitgliedern und Funktionsträgern erforderlich. Auch Selbstdisziplin. Und es sollte auch kritisiert werden, wenn die Schritte ins ideologische Niemandsland zu groß und zu ungestüm werden. Aber der Antrag der Petry-Gruppe geht zu weit und ist zu wenig durchdacht. Fundamentalopposition und Realpolitik gibt es letztlich in jeder Partei. Wenn sie halbwegs was taugt.