Die Jagd auf Merkel ist eröffnet

Die Unterdrückten und Beleidigten dieser Republik müssen laut schreien, um gehört zu werden. Die Mächtigen reden sehr leise. Sie können es sich leisten. Zu diesem who is who der Macht in Deutschland gehört Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE. Ein Mann, der hinter den Kulissen tätig ist und öffentlich gewöhnlich schweigt. Wenige Tage vor der Bundestagswahl hat er angesichts sinkender Leserzahlen und eingedenk immer hilfloser werdender PC-Propaganda ein vorsichtiges Umsteuern signalisiert.

„Die Demokratien der Mitte und des Maßes sind weltweit geschwächt. Radikale Minderheiten diktieren den Diskurs.“

So der Beginn seiner Rede vor den deutschen Medienzaren, deren Vorsitzender er ist. Man vermutet, daß es die radikale Minderheit der „Rechtspopulisten“ ist, auf die er zuerst einprügeln wird. Mitnichten!

„Kämpfen Sie für die Zukunft freier Gesellschaften durch kritischen Journalismus! Drei Wochen aus diesem Sommer: Ende Juli ersticht Ahmad A., ein Palästinenser, in einem Edeka-Supermarkt in Hamburg einen 50-jährigen Mann. Sieben weitere verletzt er schwer. Am 9. August, überfährt Hamou Benlatrèche, ein 36-jähriger Algerier, sechs Soldaten in der Stadt Levallois-Perret bei Paris. Drei Tage zuvor versucht ein Islamist vor dem Eiffelturm mit einem Messer Menschen zu erstechen. Am 18. August tötet ein junger Mann namens Abderrahman Mechkah zwei Menschen in der finnischen Stadt Turku. Einen Tag zuvor ermorden zwölf Terroristen 13 Menschen in Barcelona. Und am Freitag explodierte eine Bombe in der U-Bahn in London. Und in Paris attackierte ein weiterer Attentäter mit einem Messer Soldaten, die durch die französische Hauptstadt patrouillieren.

Vor 20 Jahren veröffentlichte Samuel Huntington seine Thesen vom Clash of Civilizations, vom Kampf der Kulturen. Der Harvard-Professor behauptete, dass sich neue Konflikte nach dem Ende des Kalten Kriegs zwischen unterschiedlichen Kulturen und Religionen entzünden würden. Damals wurde viel über Huntingtons Thesen gestritten. Heute sind sie Realität. Der Terror ist in Europa alltäglich. Und zwar schon seit 16 Jahren. 2001 war Nineeleven, Terroristen ermordeten circa 3000 Menschen. Die Frequenz der Anschläge nimmt seither zu.

Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht bald in der Welt wiederfinden, die Michel Houellebecq in seinem Buch „Unterwerfung“ beschreibt. Eine Welt, in der Anschläge in Europa Alltag sind. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen. In Houellebeqs Unterwerfung geschieht das. Die Franzosen passen sich an: Es beginnt schleichend, Frauen tragen keine Miniröcke mehr, immer mehr treten zum Islam über. Soweit ist es bei uns nicht, aber wir sehen die ersten Vorboten.

Lidl bedruckt traditionell mehrere Produkte mit einem Bild aus Griechenland. Darauf sind auch Kirchen zu sehen. Um keine Kunden zu beleidigen, hat Lidl die Kreuze der Kirchen entfernt. Erst vor ein paar Wochen berichtete der „Stadt-Kurier“ aus Neuss, die traditionelle Bockwurst im Freibad sei abgeschafft worden. Grund: Schweinefleisch. Halal sind längst nicht mehr nur türkische oder arabische Restaurants. Mir würde keine einzige Ergänzung einer Speisekarte Sorgen machen. Mögen die Leute Insekten, Vegetarisches, Veganes, Schnecken, Innereien, halal oder koscher essen. Sorgen macht mir das Gegenteil: das Ende der Vielfalt. Am schlimmsten ist die Streichung aus Angst. Der Beginn der Unterwerfung.

Nicht nur beim Essen laufen wir Gefahr, Rechtsstaat und Kultur den Vorstellungen einer kleinen, radikalen Minderheit zu opfern. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, warnte vergangenes Jahr vor einem generellen Verbot von Kinderehen. Ernsthaft. Um den iranischen Präsidenten Hassan Ruhani nicht zu brüskieren, sind auf dem Kapitol in Rom nackte Statuen in sargähnlichen Holzkisten versteckt worden. Temporär begraben wurde damit auch abendländisches Kulturverständnis.

Es gibt zig andere Fälle. Anders, als viele glauben, ist die Anpassung der Mehrheit an eine intolerante Minderheit keineswegs die Ausnahme. Das zeigt der Philosoph und Mathematiker Nassim Nicholas Taleb in seinem brillanten Aufsatz: „The most Intolerant wins: The Dictatorship of the Small Minority“, der Intoleranteste gewinnt. Und derzeit versuchen weltweit immer mehr Menschen, durch Intoleranz zu gewinnen.“

Die Hauptgefahr hat Döpfner erkannt und benannt. Die anmaßende Forderungskultur der Islamiker. Im weiteren Verlauf seiner Rede bekommt Frau Weidel auch noch was ab, was die Lesefreude etwas schmälert. Aber darüber sollte man einfach mal hinweglesen. Döpfner äußerte leise Töne der Kritik, auch der Selbstkritik. Das erinnert mich an den Sommer und Herbst 1989, als erste Tröpfchen Gift in einen Ozean der Selbstgerechtigkeit fielen.

Vor dem Finale der DDR ertönten im Spätsommer 1989 auch kritische Töne aus dem Establishment. Zum Beispiel revoltierte der Vorsitzende der liberalbolschewistischen LDPD und Träger des Karl-Marx-Ordens Manfred Gerlach, immerhin von 1960 bis 1989 einer der Stellvertreter des Staatsratsvorsitzenden, stellvertretender Vorsitzender des Volkskammerausschusses für Nationale Verteidigung und seit 1967 Mitglied des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front am 20. September 1989 als erster führender Politiker der DDR gegen die Vormachtstellung der SED. Seine relativ leise vorgetragenen Forderungen wurden in den Parteizeitungen der LDPD veröffentlicht. Immerhin noch vor dem 40. Jahrestag der DDR-Gründung. Sie lösten neben der laufenden Fluchtbewegung über Ungarn ein mittleres Erdbeben aus. Bereits am 7. Oktober gingen die Gründungsfeierlichkeiten des Ostberliner Protektorats im Chaos unter. Am Vorabend hatten die sieben südlichen „dunkeldeutschen“ sächsischen, thüringischen und fränkischen Bezirksverbände der FDJ bei einem Vorbeimarsch an der Festtribüne mit den versammelten Führern des Kommunismus die falsche Parole skandiert. Wie die Ertrinkenden riefen sie „Gorbi, Gorbi“. Vor der Tribüne war das Wachregiment „Feliks Dsierzynski“ aufgezogen, das dagegenbrüllte: „Erich, Erich!“ Am Jubelgeburtstag selber demonstrierten Tausende, während Erich sein Toasts im Palast der Republik ausbrachte.

Auf leisen Sohlen wurde das Ende der DDR eingeleitet, und mit leisen Tönen geht es jetzt auch dem verlogenen Merkelregime an den Kragen. Mit „Merkelregime“ meine ich die Verklumpung von Medien, Regierung und Großstrukturen einschließlich des großen Geldes einiger selbsternannter Philantrophen zu einer alternativlosen faschistoiden Gesinnungsdiktatur.

Döpfner fordert nicht weniger als eine Wende:

„Wir springen manchmal zu schnell, wenn uns ein Politiker ein Stöckchen hinhält. Wir veröffentlichen zu viele Interviews, in denen solange autorisiert und redigiert worden ist, bis mit vielen Worten nichts gesagt wird. Und wenn einer doch mal etwas Kantiges sagt, fallen wir Sprachpolizisten gerne hysterisch über ihn her. Wir lassen zu viele Leserinnen und Leser mit ihren wahren Problemen alleine, weil wir uns auf den Lebensstil urbaner Eliten konzentrieren. Wir sollten bei Berichterstattung über Kriminalität deutlicher auf die Herkunft der Täter hinweisen, weil es wahr ist, aber auch, um rechten Hetzern die Verschwörungstheorie von der Political Correctness-Mafia zu zerstören. Wir müssen, um mit Rudolf Augstein zu sprechen, schreiben, was ist und nicht schreiben, was sein sollte. Manche von uns haben die Wahl von Donald Trump zu kategorisch für unmöglich gehalten und dann im Eifer gegen die schlechte Sache einseitig und unfair über ihn berichtet. Und manche von uns lagen beim Brexit komplett daneben, weil das, was nicht sein darf, nicht sein kann.“

Und Seitenhiebe auf die Medienkrake des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens und Google sowie Facebook teilte er aus:

„Wir erwarten, dass die Politik für Rahmenbedingungen sorgt, die es uns ermöglichen, Journalismus als Geschäftsmodell zu betreiben. Das bedeutet einerseits, dass solche Konkurrenz, die von einer Art Steuer lebt, Grenzen gesetzt bekommen muss. Und andererseits, dass Plattformen Plattformen bleiben müssen. Und eben nicht die Rolle von Verlagen mit inhaltlicher Verantwortung, redaktioneller Auswahl und eines Tages sogar eigenen Redaktionen spielen dürfen. Auf die ethischen Probleme, die von Technologie-Plattformen als Verlagen ausgehen würden, will ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Nur so viel: Wenn eine Plattform mit zwei Milliarden Kunden entscheidet, wer welche Informationen bekommt, dann ist das ein Zustand, den man aus Diktaturen kennt.“

Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstanden habe, aber es ist wohl unter anderem auch verhaltene Kritik am Netzwerksdurchsetzungsgesetz der Maasi und der Listungspraxis von Google, zum Beispiel bei Google News. Theoretisch ist Döpfner schon auf dem richtigen Weg:

„Geben Sie durch Ihren Mut zur Freiheit der kritischen Recherche ein Beispiel, das Ihre Redaktionen ermutigt. Stützen Sie den, der in der Stadtverwaltung aneckt, weil er immer kritische Fragen stellt. Stützen Sie die Geschichte, die Ihnen ein führender Politiker ausreden will. Und stützen Sie die Veröffentlichung eines Beitrags, den ein großer Anzeigenkunde mit Anzeigenboykott bestrafen könnte oder wird.“

Hoffen wir, daß das keine Sonntagsreden waren. Daß dem freien Wort mutige Taten folgen werden. Ehrlich gesagt, ich habe noch meine Zweifel an der Läuterung. Und viele meiner Leser sicher auch. Aber dieselben Zweifel hatte ich auch 1989. Und das System der Nationalen Front ist trotzdem zusammengebrochen.

Merkel scheint auf dem Höhepunkt ihrer Macht zu sein und triumphiert am Wahltag das vierte Mal. Aber gerade jetzt beginnt ihr alternativloses System, welches nur darauf beruhte das zu tun, was Kleber und Slomka von ihr forderten, zu erodieren. Nicht nur, daß sie plötzlich eine Oppositionspartei im Parlament hat. Was zu verschmerzen ist.

Aber wenn die Medien zum Halali blasen wird es für medienabhängige Politsternchen sehr ernst. Journalisten haben eine großen Spaß daran, zu zeigen wer der Herr Im Hause ist. Einen Politiker nach der Wahl zu erledigen ist wesentlich reizvoller, als ihn am Wahlerfolg zu hindern. Man kann dem Wähler als Journalist mal richtig demonstrieren, wie machtlos er eigentlich ist.

Die letzte große Medienhatz war die auf Edmund Stoiber. Jetzt hat die Treibjagd auf Dr. Merkel begonnen.