Der Unterschied zwischen Weimar und Berlin

Kaum ein Mensch wäre auf die Idee gekommen die Bonner Republik mit der Weimarer Republik zu vergleichen. Mit der Berliner Republik führt diesen Vergleich fast jeder. Denn insbesondere das Gewaltpotential entspricht seit den Morddrohungen der Merkeljugend, dem Angriff auf Magnitz und den Jagden auf Deutsche in zahlreichen Innenstädten – Regensburg und Amberg sind da nur die jüngsten Beispiele – dem der Weimarer Zeit.

Bereits im Dezember 1929 beklagte Reichsinnenminister Severing (SPD) sich über den fortgeschrittenen moralischen Verfall, wobei er sich auf Vorfälle aus dem Sommer 1929 bezog, die also noch vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise datierten. KPD, NSDAP und Stahlhelm benahmen sich damals wie heutzutage die Merkeljugend und die Fachkräfte. Der Minister erwähnte den Einsatz von Knüppeln, Messern, Schlagringen, Stöcken, Gummischläuchen, Totschlägern, Spaten und Seltersflaschen. Aus dieser Klage von Severing ergibt sich die Frage, ob es neben den Gemeinsamkeiten auch Unterschiede zwischen der Weimarer Zeit und der Berliner Republik gibt.

Die Untersuchung könnte folgendermaßen strukturiert werden, das heißt in überschaubare Einzelanalysen zerlegt werden, die die Kultur, die Politik, die Wirtschaft, die Besteuerung und die Medien betreffen.

Tingeltangel, Bubikopf, Neue Sachlichkeit, Spätjugendstil, Bauhaus, episches Theater, Metropolis, Kultursklaverei, Freikultur, Psychoanalyse, Landkommunen. Notverordnungen, Ermächtigungsgesetze, Putschversuche, Landbünde, Kartelle, Inflation, Innungen, Sozialisierungkommissionen, Devisenbewirtschaftung, Zwangshypotheken, Bankenrettungen, Weltbühne, Ullstein, Hugenberg, Kippenberg, Linkskurve, Simpel, Kunstwart, Vorwärts. Alles Stichworte, die man in Relation zur Jetztzeit bringen könnte. Man verlöre sich schnell im Detail.

Über der Weimarer Republik lag der Mehltau der Lebensreform, über der Bundesrepublik seit 1968 auch. Antikapitalismus, Antisemitismus, religiöse Naturvergötzung, Katastrophenglauben, Antiamerikanismus, die Wahrnehmung des eigenen Körpers als Tempel, Ernährungsstörungen, Allergien und sexuelle Ausschweifungen gehörten seit jeher zum Programm der Heilsstifter. Spätestens als die Grünen und die Linkspartei in den Bundestag eingezogen waren, saß der Steinerne Gast der Jugendbewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder mit am Tisch. Und mit ihm kehrten schrittweise die Verhältnisse der Weimarer Republik zurück. Nicht auf der ganzen Linie als Drama, sondern bisher zum Teil noch als Farce.

Wenn man mich fragen würde, ob es auch einen essentiellen Unterschied gibt: Ja, es gibt ihn. In der Weimarer Zeit von 1919 bis 1932 gab es keine offensive Verteidigung demokratischer, wissenschaftlicher und marktwirtschaftlicher Prinzipien. Allenfalls hinhaltender Widerstand des Zentrums gegen einzelne reformistische Bestrebungen in der Schulpolitik und gegen die Abtreibung.

Die Marktwirtschaft verteidigte niemand, es gab sie definitiv seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht mehr. In zahlreichen Hochschulen wurden Juden diskriminiert und mit dem wissenschaftlichen Niveau ging es langsam aber stetig bergab. Ein Jenaer Professor untersuchte ernsthaft, ob der Weimarer Hund Kurvenal rechnen könne. Eine hochrangige Abordnung der deutschen Industrie reiste in die Sowjetunion, um sich über die Erfolge des sozialistischen Aufbaus zu informieren. Die Demokratie wurde von Bolschewiken, Nationalsozialisten, Landbünden, Mittelstandsparteien, den reformistischen Autoren der Weltbühne, den Bauhäuslern, Bert Brecht, Hermann Hesse und vielen zweitrangigen Schriftstellern angegriffen, von den Zeitungsverlagen Hugenbergs und Kippenbergs sowieso.  Es waren ausgerechnet ehemalige kaiserliche Generäle, die die Institutionen vor dem Schlimmsten bewahrten: Wilhelm Groener in den Novemberrevolutionswirren, Hans von Seeckt nach dem Marsch auf die Feldherrnhalle und dem Hamburger Aufstand 1923 und Paul von Hindenburg gegen den erklärten Wählerwillen von 1930 bis 1932. Außerdem haben Gustav Stresemann, Friedrich Ebert, Heinrich Brüning und Hermann Müller im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten gegen den allergrößten Blödsinn angekämpft. Thomas Mann wurde vom Saulus zum Paulus. Zu Anfang polemisierte er gegen das Judenregiment und den Saustall, kurz vor dem Ende der Republik machte er die Kehrtwende, stützte aus Mangel an Alternativen die SPD, die jedoch auf dem Gebiet der Wiedererrichtung der Marktwirtschaft null Punkte erreicht und mit ihrer planwirtschaftlichen Wirtschaftspolitik Hitler den Weg gebahnt hatte. Am Ende der Weimarer Republik gab es zaghafte Versuche die Rationalität wieder zu rehabilitieren. Einige Filme der UFA gehörten dazu, wie „Die drei von der Tankstelle“. Der letztere wurde konsequenterweise auf Druck des Führers 1936 verboten.

Heute gibt es zahlreiche konsequente Verfechter der Demokratie, der Wissenschaftsfreiheit und der Marktwirtschaft. An der Bürgerrechtsfront kämpfen beispielsweise Vera Lengsfeld, Joachim Steinhöfel, Thomas Böhm, Beatrix von Storch, Lutz Bachmann, Birgit Kelle, Tatjana Festerling, Julia Juls, Michael Mannheimer, Alexander Wendt, Michael Klonovsky und Frank Magnitz.

Für die Wissenschaftsfreiheit streiten in vorderster Reihe Michael Limburg, Thilo Sarrazin, Hadmut Danisch, Rainer Feldhaus, Holger Douglas und die Autoren von Zettels Raum.

Auf dem Gebiet der Wiedereinführung der Marktwirtschaft und einer vernünftigen Geldpolitik sind André Lichtschlag, Peter Boehringer, Frank Schäffler, Oswald Metzger, Michael Mross, Walter Eichelburg, Mister Dax, Max Otte, Manfred Gburek, Frank Meyer und viele andere aktiv.

Und Roland Tichy, Hendryk Broder, das PI News-Team, die AfD, Wolfgang van de Rydt und die Unbestechlichen kämpfen an allen Fronten der Freiheit gleichzeitig.

Dieses dichte Netz von Freiheitsfreunden gab es in der Weimarer Republik definitiv nicht. Die Verfechter der tumben lebensreformerischen Vielfalt, das jugendbündlerische Netzwerk wurde in den 20ern nie mit offensiver Strategie angegriffen, maximal etwas ausgebremst. Es herrschte eine schiefe Schlachtordnung, die durch die Macht der Medien immer wieder neu hergestellt wurde. So wie die Mainstreammedien heute lebensreformerisch sind, und von Dunkelgrünen und Dunkelroten gekapert, waren sie es in den 20er Jahren auch.

An den Rändern der beiden staatserhaltenden Parteien bröckelte es. Die SPD hatte bis 1926 einen nationalbolschewistischen und die ganze Zeit durchgehend einen eugenischen Rand. Eugenik ist die Lehre von der Beseitigung lebensunwerten Lebens. Die kürzlich in Weimar vom Bundespräsidenten hochgelobte Antonie Pfülf gehörte zum harten Kern der linken EugenikerInnen. Auf dem Görlitzer SPD-Parteitag 1921 forderte sie die Zwangssterilisation von Idioten. Steinmeier hat offensichtlich einen dem Nationalsozialismus nahestehenden Redenschreiber. Die Jugendorganisationen der Katholiken waren von Reformisten völlig gekapert und unterwühlt. Ich hätte drauf gewettet, daß das Lied „Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“ von den Nazis war. Nein, es kam aus einer katholischen Jugendgruppe. Von den anderen Parteien ganz zu schweigen. Solche Zentrumspolitiker wie Franz von Papen, Josef Wirth und Ludwig Kaas oder Sozialdemokraten wie Rudolf Breitscheid und Rudolf Hilferding hatten den geistigen Horizont von Dr. Merkel. Debilität in den Reihen der deutschen Spitzenpolitiker ist kein ganz neues Thema. Auch da gleichen sich Weimar und Berlin.

In der Weimarer Republik gab es keinen offensiv organisierten Widerstand gegen die Lebensreform, in der BRD gibt es ihn seit der Jahrtausendwende schon. Das ist der essentielle Unterschied zwischen damals und heute.