Friedrich Schiller und die konservative Revolution

Gerade wirft das Establishment den Freiheitsfreunden immer öfter revolutionären Ungeist vor. Der WELT-Autor Frigelj ziterte aus einem AfD-Chat: „Man mag mich dafür jetzt kritisieren, aber ohne einen massenhaften Volksaufstand geht unser Deutschland den Bach runter. Wir brauchen, und müssen uns auf eine Revolution vorbereiten.“ Das findet er irgendwie skandalös. Ein Anlaß für einen erhellenden Blick zurück ins klassische Weimar.

1797 wollte der sächsisch-weimarische Geheimrat von Goethe ein drittes Mal nach Italien reisen. Er kam wegen der napoleonischen Kriege in Italien allerdings nicht bis ans Ziel und die Reise bleib am Vierwaldstätter See stecken. Am 14. Oktober schrieb er unter Bezugnahme auf die Tell-Sage an Schiller: „Das beschränkte höchst bedeutende Local, worauf die Begebenheit spielt, habe ich mir wieder recht genau vergegenwärtigt, so wie die Charaktere, Sitten und Gebräuche der Menschen in diesen Gegenden“. Goethe spielte mit dem Gedanken die Schweizer Volkssage selbst zu gestalten, überließ sie dann aber Schiller. Der schrieb 1803 bis 1804 das Tell-Schauspiel. Für den eiligen Klassizisten hier eine Kurzfassung in 11 Minuten.

Die beiden Dichterfürsten hatten sich seit 1789 gemeinsam mit den Themen der Fürstenerziehung und der Geschmacksbildung des literarischen und Theaterpublikums bei verschiedenen Projekten geplagt. Die „Horen“, die „Propyläen“ und Schillers „Musen-Almanach“ sollten der Weltverbesserung dienen. Oft erreichte die Auflage jedoch nur 500 Exemplare. Das Publikum wollte weniger belehrt, als unterhalten werden. Das Balladenjahr war so ein Kompromiß zwischen beidem. Europa befand sich jedoch – Missionierung im Sinne höherer Menschlichkeit hin und her – am Rande des Krieges.

Italien und die freie Schweiz waren bereits von Franzosen erobert und zerschlagen worden. Das ging nicht folgenlos an der Schauspielkunst vorbei. Die dramatische Ehe zwischen Freiheit und Tradition wurde von Schiller mit dem Schauspiel „Wilhelm Tell“ vollzogen.  Er läßt Werner Stauffacher aus dem Schwyzer Kanton deklamieren:

Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht,
Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
Wenn unerträglich wird die Last – greift er
Hinauf getrosten Mutes in den Himmel,
Und holt herunter seine ew’gen Rechte,
Die droben hangen unveräusserlich
Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst –
Der alte Urstand der Natur kehrt wieder,
Wo Mensch dem Menschen gegenübersteht –
Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr
Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben –
Der Güter höchstes dürfen wir verteid’gen
Gegen Gewalt – Wir stehn vor unser Land,
Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder!

Rüdiger Safranski bemerkte in seinem Buch über die Freundschaft zwischen Goethe und Schiller, daß „sich Schiller offenbar inzwischen verabschiedet hat von der Vision eines neuen Menschen, der durch ästhetische Bildung freiheitsfähig geworden ist. (…) Indem er sich dem Tell-Mythos verschreibt, übernimmt er nicht nur von Goethe einen poetischen Stoff, er nähert sich auch dessen Realismus und dessen Abneigung gegen jede historische Projektemacherei an. Nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit entdeckt er revolutionäre Kräfte. (…) Hier jedenfalls kann er zeigen, daß die wahre Revolution eine konservative ist; daß sie sich nicht der Suche nach einem neuen Menschen verdankt, sondern der Verteidigung des alten, wohlgeratenen; daß Großes entsteht, wenn das Alte sich wehrt gegen eine schlechte Neuerung.“

Das ist nun genau die Situation, in der Deutschland sich derweilen befindet. Gleichzeitig werden die Sprache vergendert, die wirtschaftliche Freiheit dem eingebildeten Klimawandel geopfert, die nächtliche Bewegungsfreiheit der Damen eingeschränkt, die Meinungsfreiheit ruiniert, die Werthaltigkeit der Währung zerstört, die Demokratie dem Koran geopfert und die Versammlungsfreiheit ausgehebelt. Die große Transformation nach dem Vorbild der chinesischen Kulturrevolution steht unmittelbar vor der Tür. Der Feind in den Redaktionen der Medien und in den Hinterzimmern der NGOs will alle bewährten Traditionen zerstören, den neuen Menschen schaffen, der in der Realität – egal ob im Nationalsozialismus, im Bolschewismus oder im Maoismus – immer ein Sklave war.

Dagegen stehen die Revolutionäre als Verteidiger des alten, wohlgeratenen. Unsere Traditionen lassen wir uns nicht kampflos wegnehmen. Schlag nach bei Schiller:

Wir wollen frei sein, wie die Väter waren, eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.Wir wollen trauen auf den höchsten Gott und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.

Der sächsisch-weimarische Herzog Karl August verfiel nicht in dieselbe Panik wie die Damen Dr. Merkel und Nahles. Er ließ seinen Schiller dichten und blieb ganz cool. Aus Herrn Schiller wurde 1804 Hofrat von Schiller.

Schönen Gruß an Maasi, Stasi, Larifari & Co.