Der Aufmarsch der Grünen Garden

Zwischen den Roten Garden Maos und den Grünen Garden von Luisa Neubauer gibt es deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.

Ich habe im Folgenden mal einen Auszug aus dem Wikipedia-Eintrag zur chinesischen Kulturrevolution kopiert, um die strukturelle Gleichheit mit Hier und Jetzt aufzuzeigen:

(…) die Atmosphäre an den Schulen und Hochschulen sowie der Glaube, an einer entscheidenden Aktion für die Weltgeschichte mitzuarbeiten, machten viele Schüler und Studenten empfänglich für die Aufrufe zur Revolution und zur Errichtung einer „neuen Welt“. So konnte am 29. Mai 1966 an der Qinghua-Universität die erste Gruppe der Roten Garden gebildet werden, die sich danach schnell ausbreiteten. In einem Brief an die Roten Garden des Gymnasiums der Qinghua-Universität schrieb Mao, dass es „gerechtfertigt ist, gegen die reaktionären Elemente zu rebellieren“, und dass er die Bewegung unterstütze. Der Brief wurde sofort publiziert. Rote Garden bildeten sich daraufhin im ganzen Land. Dies wird als Geburtsstunde der Roten Garden angesehen. (…)

Das Motiv für die Bewegung der Roten Garden lag anfangs primär in der „Zerstörung der vier Relikte“ (sogenannte alte Gedanken, alte Kultur, alte Gebräuche und alte Gewohnheiten), doch weiteten sie ihre Aktionen schnell aus. (…) Aufgrund der Anfeuerung durch Lin Biao und Maos Frau Jiang Qing gingen die Roten Garden im ganzen Land in die Öffentlichkeit, um Wandzeitungen anzukleben, Flugblätter zu verteilen und Reden zu halten. Das Militär half bei Transport, Unterbringung und Verpflegung, die Benutzung der Bahn war für die Roten Garden kostenlos, zu den Großereignissen gab es Sonderfahrten und der Staat gab den Roten Garden Zuschüsse für den Lebensunterhalt. Die von den Roten Garden als Klassenfeinde deklarierten Personen wurden bekämpft, verprügelt, verhöhnt und ihr Eigentum beschlagnahmt. Gegenstände, die die Roten Garden als feudalistisch, kapitalistisch oder revisionistisch betrachteten, wurden zerstört. Bis Ende September 1966 wurden in Peking über 30.000 Haushalte von den Roten Garden durchsucht und von Büchern, Bildern, unproletarischer Kleidung, von falschem Geschirr oder auch von Lippenstift „gesäubert“.

(…) Die Roten Garden duldeten keine abweichende Meinung. Dabei machten sie oft nicht einmal vor den eigenen Familien halt. Die ständig wiederholte Parole „Die Liebe zu Mutter und Vater gleicht nicht der Liebe zu Mao Zedong“ veranlasste zahllose Rotgardisten, ihre Eltern als „Konterrevolutionäre“ zu denunzieren – wie überhaupt die Kulturrevolution eine Blütezeit der Denunziation war. (…)

Wie sich der Eifer und der Geifer gleichen! Auch die Gretajugend denkt die Welt zu retten. Mao ermunterte die Roten Garden und Dr. Merkel die Hüpfdemonstranten. Mit ihr ein großer Teil der Parteinomenklatura von CDU, SPD und Grünen. Auch heute werden von der revolutionären Jugend vier Relikte ins Visier genommen: alte Gedanken, alte Kultur, alte Gebräuche und alte Gewohnheiten. Dazu noch alte weiße Männer. Es sind komischerweise dieselben konservativen Werte, wie vor 50 Jahren. Wie in China hinter der Mauer half der Staat mit finanziellen Zuschüssen für die Drahtzieher der Demos.

Die von den Grünen Garden als Klimaschädlinge deklarierten Personen werden bekämpft, verprügelt, verhöhnt und sie werden mit Umweltsteuern enteignet. Zum Beispiel EEG, Stromsteuer, Mineralölsteuer und zukünftig wohl auch noch mit einer CO2-Steuer. Auch Enteignungsphantasien die Fahrzeughersteller und Hauseigentümer betreffend machen die Runde. Insbesondere die Berliner Gauleitung (sarkastische Formulierung) will den Wohnungsbestand wieder einmal arisieren (noch ein Sarkasmus obendrauf).

Die „Säuberung“ der Gesellschaft von Fleisch, vermeintlich klimaschädlicher Kleidung, Fahrzeugen, Plastikbeuteln, Wattestäbchen usw. deutet sich an. In den Medien, aber auch in einigen Verwaltungen und Unternehmen ist ein Kommunikationsstil der Denunziation entstanden. Kinder streiten sich mit den Eltern über den Lebensentwurf. Ohne selbst ins grüne Kloster zu wollen. Ein Funktelefon, Markenklamotten und Reisen, wer wlill darauf gerne verzichten?

Schon einmal – von 1945 bis 1990 – ähnelte einTeil Deutschlands dem Reich der Mitte fast bis aufs Haar. Der ostberliner Bänkelsänger Wolf Biermann machte sich darüber lustig. Insbesondere über den Personenkult und über die ausufernde Rechthaberei, aber auch über den repressiven Charakter des Staats. Biermann karikierte die Kritik, die von der Partei an China geübt wurde, denn der Kreml war seit den bewaffneten Grenzstreitigkeiten am Ussuri im Jahr 1969 mit Peking verkracht. Alles was Biermann an China auszusetzen hatte, gab es eben auch in der Zone.

Unsere Nahrungsrationen sind derzeit noch deutlich größer als 1970 in China. Aber die deutsche Kulturrevolution hat ja gerade erst mal wieder begonnen. 1945 war die erste Phase der Lebensreform vergeigt. Da haben sich die Leute auch bei uns über jede Schale Reis gefreut.