Noch ein 30. Jubiläum

„In unserem Land ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört“. Dieser Satz trifft zwar auch für unsere Zeit zu – Prof. Patzelt spricht seit Jahren von der Repräsentationslücke -, er ist jedoch taggenau 30 Jahre alt. Es ist der Einleitungssatz des Gründungsaufrufs des Neuen Forums.

Die mutigen Gründer waren Katja Havemann, Bärbel Bohley, Martin Böttger, Erika Drees, Rolf Henrich, Reinhard Meinel, Sebastian Pflugbeil, Jens Reich, Reinhard Schult, Rudolf Tschäpe, Michael Arnold sowie Hans-Jochen Tschiche. Hut ab!

Ich habe an einem ähnlichen Himmelfahrtskommando teilgenommen und weiß, daß sowas Nerven gekostet hat. Es kommt wirklich nicht darauf an, wie jämmerlich das Neue Forum sich schon nach einem Vierteljahr zerlegt hat, nicht zuletzt weil es durch die Stasi von innen zersetzt wurde. Und weil es als Partei nie konzipiert war, sondern als Forum, wo aus jedem politischen Dorf die Köter zusammenliefen. Es kam damals vom 9. bis 11. September darauf an, daß jemand der Partei in ihren Wahrheitstempel den Fehdehandschuh geworfen hat.

Das Hauptanliegen des Aufrufs war die Forderung nach einem „demokratischen Dialog“, der von der Partei zunächst verweigert wurde. Am 20.9. verkündete das „Neue Deutschland“, das Neue Forum sei „staatsfeindlich“ und zu einem Dialog bestehe „keine gesellschaftliche Notwendigkeit“. Das System war damals ähnlich verknöchert und verbohrt wie das von Merkel. Scheinbar alternativlos eben.

Das Neue Forum krankte wie alle Oppositionsparteien der Wendezeit daran, daß nur über die Staatsmedien oder das Westfernsehen kommuniziert werden konnte. Es gab keine unabhängigen Werkzeuge der Politikvermittlung, was dazu führte daß die Altparteien im März 1990 bei der Volkskammerwahl zu 100 % durchmarschierten. Vom Neuen Forum, vom Demokratischen Aufbruch, von Demokratie Jetzt usw. war keine Rede mehr. Die schwache Repräsentanz der Ostvölker in Verwaltung, Politik und Wirtschaft hatte damit natürlich etwas zu tun, war eine Folge davon. Es dominierten die Buschgeld-Beamten. Um das zu ändern gibt es nach 30 Jahren viel zu tun. Die Wende 2.0 steht auf der Tagesordnung!