Kartoffeleinsatz statt Urlaubsflug

Eine arrogante Höhere-Töchter-Bewegung will uns Vorschriften zu unserem Lebensstil machen. Hierzu ein paar Bemerkungen, was ich so getrieben habe, als ich so alt war wie die ekligen grünen Gouvernanten. Solche blöden von sich eingenommenen Ziegen gab es übrigens auch schon früher, da haben die meisten Böcke einen großen Bogen rum gemacht.

Ein Fahrrad hatte ich seit dem 10. Geburtstag. Es blieb mein einziges Verkehrsmittel bis ich 35 war. Ich weiß, was es heißt morgens im Dunkeln auf vereisten Straßen auf dem Weg zum Sportunterrichts auf einen abgestellten Trabant Kübel aufzufahren. Das war der mit Stoffdach. Glück gehabt. Oder wenn die Demmel abbricht und man einen Salto über die Lenkstange macht. Oder wenn auf einer Kreuzung die Kette reißt und ein Bus scharf bremsen muß. Damals gab es übrigens keine Gangschaltung und Fahradhelme waren auch noch nicht erfunden, selbst die Friedensfahrer trugen nur ein weißes Schirmmützchen. Ich konnnte das Fahrrad bis auf das letzte Teil auseinandernehmen, reparieren und wieder zusammenbauen. Wir waren harte Kerle.

Einmal habe ich als 12jähriger einen 25-Kilo-Sack Holzkohle 5 km weit und 120 m hoch auf dem Ast durch die Stadt geschleppt, ein anderes Mal eine Schubkarre von Magdala nach Süßenborn gefahren. Die Arme waren danach doppelt so lang. Jedes Einkaufsnetz mußte man nach Hause schleppen. Nix mit Einladen in den SUV von der Mamma. Milch gab es in einem hochspezialisierten Laden, in den man eine Blechkanne mitbringen mußte, Wurst und Fleisch in einem zweiten Geschäft, Backwaren in einem dritten. Zucker, Mehl, Kaffeersatz, Salz, Essig und Butter in einem vierten und Obst-Gemüse in einem fünften. Wegen Schulheften ging man in den sechsten Shop. Und in jedem mußte man anstehen. Einmal wurde ich als vermißt gemeldet. Meine Eltern hatten vergessen, daß sie mich in den KONSUM (Kauft ohne nachzudenken schnell unsern Mist) geschickt hatten. Ich war in der Schlange steckengeblieben.

Im Sommer wurde ich zur Verwandschaft aufs Land geschickt, um mich durchzufressen. Die Züge in die Altmark waren noch Holzklasse. Jedes einzelne Abteil hatte eine eigene Tür, einige Landwirte führten lebende Tiere mit, was mich sehr interessierte. Kinderspielplätze gab es nur in größeren Städten. Auf dem Dorf spielte man auf dem Bauernhof. Ich wurde öfter von den Schweinen umgerannt, einmal schnappte der Hofhund vom Großbauern nach mir, meine Mutter war nach meiner Rückkehr immer entsetzt wie die Kleidung aussah. Damals vertrieben sich die Frauen die freie Zeit nicht mit Feminismus, sondern mit Stopfpilzen, Flicken und Stricknadeln. Alte Pullover wurden aufgetrennt wenn sie zu klein geworden waren und neu gestrickt.

Es gab in der Schule ein Fach „Nadelarbeit“. Wir 41 Jungs in der Klasse sollten geauso wie die sieben Mädchen Stricken lernen. Bei mir wurde das nichts. Der Zeigefinger war zu fettig, der Faden rutschte einfach nicht.

In den Herbstferien flog man nicht mit den Eltern nach Malle, sondern die Schule bzw. die Hochschule organiserte Kartoffeleinsätze. Als ich älter war, brauchte ich nur noch Gurken hacken oder Äpfel ernten. Für die Kartoffeln waren ja die Schüler da. Wenn man damals Veganer gewesen wäre oder auch nur Vegetarier wäre man bei der schweren Arbeit vor Hunger tot umgefallen. Die LPG brachte leckere Leberwurst-, Knackwurst- und Blutwurstbrote aufs Feld. Da war Bums drin.

Telefon war ein Fremdwort. Auch die Eltern hatten keins. Das machte aber nichts, weil die Freunde auch keins hatten. Man verabredete sich wie bei Old Shatterhand oder Kara ben Nemsi nach der Uhr und mußte einfach die Zeit einhalten. Uhren mußte man jeden Tag gewissenhaft aufziehen, denn Lithiumbatterien gab es noch nicht. Mein Vater hatte am Ende des Krieges einem abgeschossenen englischen Flieger das Leben gerettet und zum Dank dessen Uhr und ein Komplekt Plumpudding erhalten. Die Uhr lief und lief und lief bis in die 80er Jahre.

Wir Kinder waren total gierig darauf mal Auto zu fahren. Ein Malermeister in der Straße hatte für den Transport seiner Leitern und Kübel einen alten OPEL von 1936, der mit der Kurbel angelassen werden mußte. Einmal haben wir ihn rumgekriegt. Wir durften in seiner verschmierten Kiste mit in seinen Garten fahren, um bei der Mohnernte zu helfen. Wir waren stolz wie die Könige.

Wenn man 14 war durfte man in den Ferien arbeiten. Nix Rimini, nix Antalya, schon garnix Malediven. Ich ging das erste Mal zum Kraftverkehrsbetrieb und habe in der Tankstelle geholfen, Busreifen montiert und Haltestellenpfosten mit der Bürste entrostet. Heute gibt es Reifenmontiermaschinen. Damals standen vier bis fünf Männer mit langen Montierstangen um die Felge und haben die Reifen runter- und raufgehebelt. Wenn was schiefging mußte man blitzschell zur Seite springen und eine oder mehrere Stangen flogen durch die Kante. Da war Spannung drauf. Nichts für Träumer. Ironie der Geschichte: Inzwischen habe ich mich in der mehrmals umbenannten Firma zum Aufsichtsrat hochgearbeitet.

Das nächste Jahr als ich 15 war habe ich bei der Reichsbahn im Gepäck gearbeitet. Da wurden hölzerne Wagen mit langen Deichseln, die noch aus der Kaiserzeit stammten, herumgeschoben. Mit der Hand oder mit Elektroeidechsen. Reisegepäck, Säureballons, Blechkisten mit Russenfilmen, lebende Tiere in Pappkartons, Filinchen, Fahrräder, die von den Gepäckarbeitern gefürchteten Kisten mit Campingsachen (Spitzname: „Bundesladen“), Kinderwagen, Kisten mit Maschinenteilen, alles durcheinander. Und alles wurde damals mit Hand bewegt. Und immer unter Zeitdruck, weil die Zugführer mit ihren Pfeifen rumstanden und von einem Bein aufs andere traten. Schon am ersten Tag fiel ein Klassenkamerad in einer scharfen Kurve von der Eidechse, wurde krankgeschrieben und ich hatte die doppelte Arbeit.

Im Sommer 1973 fanden in Ostberlin für die Bonzenjugendlichen (solche Flittchen wie die oben benannten Hüpfdohlen) die Weltfestspiele der Jugend statt. Nicht weit von Ostberlin befand sich ein berüchtigtes Straflager: Pinnow-Ost, im Volksmund auch „Schwedt“ genannt.

Die Insassen von Pinnow-Ost mußten normalerweise sechzehn Stunden am Tag arbeiten. Es gab Außenkommandos, zum Beispiel im Petrochemischen Kombinat. Man konnte mehrere mit Stacheldraht und Mauern umwehrte Betonwerke sehen. Während der Weltfestspiele wurde wegen umherirrenden westlichen Korrespondenten die Arbeit mit Häftlingen in den Außenkommandos eingestellt. Um die Sträflinge zu ersetzen wurden die Studenten meines Studienjahres nach Schwedt zum sogenannten „Studentensommer“ gefahren. Da wurden drei Wochen lang Sandwälle um die Ölbehälter gebaut. Natürlich mit Hand, also mit der Schaufel. Die einzige Maschine in Sichtweite war ein Rüttler. Kein internationaler Studentenaustausch, keine Sabbatikels, keine Selbstfindung, sondern Aufbau des Sozialismus!

In den 80ern hatten meine Freundin und ich immer noch kein Auto und waren auf den Bus angewiesen. Der fuhr erst eine Stunde nach Arbeitsschluß und wir waren immer die Letzten, die unseren Jungen aus dem Kindergarten abholten. Im Frühjahr 1989 habe ich dann endlich einen alten Trabbi von einem Ausreiser übernommen, aber schon im Dezember wurden den Kunden fabrikneue Trabanten hinterhergeworfen. Times are changing. Sehr.

Bevor mir Langstreckenluisa, Koboldannalena und Kerosinkatha irgendwelche hirnrissigen Vorschrifen machen, schlage ich vor, daß sie mal 28 Jahre ein Praktikum in Nordkorea absolvieren (so lange hat bei uns das Grenzregime gedauert) oder zehn Jahre in den „Koboldwerken“ in Afrika arbeiten. Ab mit der naseweisen Brut ins „Lager für Arbeit und Erholung„! Das Betreten von Flughäfen sollte ihnen fürderhin nur noch zum Reinigen von Toiletten erlaubt werden. Mit der Zahnbürste natürlich.